Mission Emission: Wie können Tschechien und Deutschland zur Senkung globaler Emissionen beitragen?

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Wie sehr tragen Deutschland und Tschechien zur Klimakrise bei? Und wie steht Europa im Vergleich mit Asien oder Afrika da? Leben wir wirklich so umweltschonend, wie wir immer denken? Darum geht es in der vierten Folge unseres tschechisch-deutschen Klimapodcasts. Uns wird dabei aber auch beschäftigen, wie Europa überhaupt zu einer Lösung eines so globalen Problems, wie der Klimakrise, beitragen kann. Unsere Gäste sind diesmal: Tessa Schiefer vom New Climate Institute, Lenka Suchá vom Global Change Research Institute der tschechischen Akademie der Wissenschaften und Tomáš Jungwirth, der als Analytiker bei der Assoziation für internationale Fragen sowie beim Zentrum für Transport und Energie tätig ist.

Inwiefern tragen Deutschland und Tschechien also zur Klimakrise bei? Eine Möglichkeit, das herauszufinden, ist der Blick in die Geschichte. Und zwar darauf, welche Menge an Emissionen diese Staaten in der Vergangenheit ausgestoßen haben. Steigende Emissionen hängen nämlich mit einem Ausbau der Industrieproduktion zusammen, erklärt Tomáš Jungwirth:

Foto: Chris_LeBoutillier,  Pixabay,  CC0 1.0 DEED

„Europa kommt genauso wie die USA im internationalen Vergleich nicht so gut weg. In Tschechien sieht es noch schlimmer aus, denn hier haben wir – vor allen in den letzten 100 Jahren – riesige Mengen Kohle verbrannt. Das Land hat weltweit eine der schlechtesten Emissionsbilanzen pro Kopf. Viele Menschen wissen das gar nicht.“

Tschechien und der Rest Europas sind also aufgrund ihrer Vergangenheit ganz zentral für den aktuellen Zustand des Klimas mitverantwortlich. Aber wie steht Tschechien heute da? Wie viele Emissionen werden aktuell pro Jahr ausgestoßen?

„Tschechien produziert jährlich ungefähr 12 Tonnen CO2 pro Kopf. Das ist das Zweieinhalbfache des weltweiten Durchschnitts. Obwohl sich die tschechische Wirtschaft nach dem Fall des Eisernen Vorhangs sehr verändert hat, werden im Land immer noch große Mengen von Emissionen produziert. Wir verwenden nach wie vor viel Kohleenergie, unser Verkehr ist auf das Verbrennen von Erdöl angelegt, und unsere Haushalte beheizen wir mit Erdgas.“

Jährlich 12 Tonnen CO2-Emissionen pro Kopf. Das ist im internationalen Vergleich ein hoher Wert. Deutschland steht aber nicht wirklich besser da, betont Tessa Schiefer vom New Climate Institute:

„Erst einmal hört es sich nach wenig an, dass Deutschland ‚nur‘ zwei Prozent zu den globalen Emissionen beiträgt. Man muss sich aber mehrere Sachen anschauen. Zum einen nämlich den Emissionsausstoß pro Kopf. Dies lässt sich gut mit anderen Ländern vergleichen. In Deutschland zum Beispiel liegt der Pro-Kopf-Verbrauch bei zehn Tonnen pro Kopf, während dieser Wert in Indien zwei oder in China sieben beträgt.“

Mit anderen Worten: Deutschland und Tschechien stoßen um ein Vielfaches mehr Treibhausgasemissionen aus, als die meisten Entwicklungsländer. Dies bestätigt auch Tomáš Jungwirth:

„In Deutschland und Tschechien konzentriert man sich wirtschaftlich sehr auf die Industrie und den Export. Das ist beiden Ländern gemeinsam. Deutschland steht – was die Pro-Kopf-Emissionen angeht – nicht viel besser da. Es ist aber doppelt so reich wie Tschechien. Das heißt, dass die deutschen Emissionen nur halb so hoch sind, wenn man sie auf das Bruttoinlandsprodukt aufrechnet. Dies liegt vor allem daran, dass Deutschland nach und nach unabhängiger von der Kohle wird. Zugleich steigt der Anteil erneuerbarer Energien, und höchstwahrscheinlich arbeitet die Industrie in Deutschland auch effektiver, wodurch weitere Energieeinsparungen möglich werden. Das ist zwar teuer und schmerzhaft, aber am Ende ist es unausweichlich und macht den entscheidenden Unterschied.“

Trotz dieser Einsparungen produziert Deutschland, genauso wie der Rest Europas, immer noch große Emissionsmengen. Tomáš Jungwirth zufolge hängt das eng mit dem hohen Lebensstandard der ganzen Region zusammen:

„Schon seit 70 Jahren scheint es nur eine politische Priorität zu geben: nämlich ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes um jeden Preis. Darauf beruht das ganze System. Hinter dem Bruttoinlandsprodukt stehen aber immer auch Emissionen. Und dabei geht es nicht nur um Treibhausgase, sondern auch um die Nutzung und Förderung natürlicher Ressourcen, um Abfälle und andere Folgeerscheinungen. Hinter jedem einzelnen Bestandteil des BIP verbergen sich negative Auswirkungen. Das heißt, dass Schwellenländer, deren Umwelt auf den ersten Blick stark verschmutzt ist, im globalen Vergleich nicht die meisten Treibhausgase verursachen. Tschechien steht dahingehend schlechter da, denn es ist reicher, und hinter seinem Bruttoinlandsprodukt stehen große Mengen Energie. Und die wird hierzulande zur Hälfte aus Kohle gewonnen.“

Wo verbergen sich die Emissionen der reichen Gesellschaften? Am Beispiel Deutschlands erklärt das Tessa Schiefer:

„Zum einen liegt dies natürlich an unserem Lebensstil. Wenn man die individuelle Ebene betrachtet – was wir konsumieren, unseren Stromverbrauch, unser Essensverhalten und ähnliches –, dann ist das alles anders als in vielen Entwicklungsländern. Der persönliche Fußabdruck ist bei uns viel größer. Gerade in Deutschland gibt es viele Autos pro Kopf, der Verkehrssektor ist ein großes Thema. Zum anderen sind wir eine große Industrienation mit viel Schwerindustrie, die besonders schwierig zu dekarbonisieren ist. Da lassen sich schwer noch weitere Emissionen reduzieren, die allerdings in großer Menge ausgestoßen werden. Selbst wenn der Anteil der erneuerbaren Quellen in unserem Energiemix stetig größer wird, spielt Kohlekraft derzeit immer noch eine wichtige Rolle. Im Zusammenspiel aller dieser Faktoren ergibt sich ein recht hoher Fußabtritt pro Kopf.“

Doch auch noch so große Zahlen bilden nicht die ganze Realität ab. In den Statistiken wird üblicherweise nur die Produktion einer Region erfasst, nicht aber ihr Verbrauch, wie Tomáš Jungwirth betont:

„Viele Produkte, die zu uns kommen oder die wir konsumieren – seien es Autos, Kleidungsstücke oder Strom – haben einen großen CO2-Fußabdruck. Und dafür ist jemand verantwortlich. Das kann beispielsweise China sein, wenn es um Elektronik geht, die wir von dort beziehen. Schön und gut. Aber der Endverbraucher, eine Privatperson oder eine Firma, befindet sich oft hier in Europa.“

Gerade Europa ist zu großen Teilen von Importen abhängig. Der europäische CO2-Fußabdruck ist deshalb in Wirklichkeit noch wesentlich größer.

„Die EU ist für etwa sieben Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich. Wenn man die Emissionen aber anhand des Verbrauchs berechnen würde – das heißt inklusive der Produkte und Dienste, die von anderswoher zu uns geliefert und hier genutzt werden – würden wir vielleicht auf zehn Prozent kommen. Also nicht nur das Doppelte, sondern um einige Prozent mehr, da die EU mehr importiert als sie exportiert.“

Doch es gibt noch ein weiteres Problem: 12 Prozent der weltweiten Emissionen werden gar niemandem angerechnet. Ein wesentlicher Teil davon stammt aus dem internationalen Flugverkehr und aus der Schifffahrt, so Jungwirth:

„Ein großer Teil des CO2-Fußabdrucks einiger Länder verbirgt sich im Flugverkehr. Vor allem in den reicheren Ländern fliegen nämlich viele Leute zur Arbeit oder in den Urlaub. In den Daten spiegelt sich das nicht wider, und es wird auch nicht gern darüber geredet. Es spielt aber eine große Rolle.“

Wie kann Europa nun dazu beitragen, dass man die globalen Emissionen unter Kontrolle bekommt? In erster Linie müssen die eigenen Treibhausgasemissionen gesenkt werden. Zudem sollte man aber auch versuchen, das eigene Umfeld positiv zu beeinflussen – auf verschiedene Art und Weise. Zum Beispiel könnten die Gesetze für die Einfuhr von Waren nach Europa angepasst werden:

„Wenn eine unangemessene Anzahl von Produkten zu unangemessen niedrigen Preisen konsumiert wird, die also die Schäden, die bei der Herstellung des Produkts entstehen, in keinster Weise abdecken – dann haben wir ein Problem. Und das müssen wir angehen: Mit Zöllen, Steuern oder Regulierungen.“

Solche Maßnahmen sind aktuell eines der großen Themen der europäischen Politik, ergänzt Tessa Schiefer:

„Die EU diskutiert zum Beispiel eine CO2-Abgabe auf Importe, um diese abzudecken und auch Anreize in anderen Ländern zu schaffen, klimafreundlicher zu produzieren. So ein Abkommen muss aber fair gestalten werden.“

Die CO2-Abgabe ist auch Bestandteil des Gesetzespakets „Fit for 55“, das die Europäische Kommission vor kurzem vorgelegt hat. Durch die Klimamaßnahmen sollen die Treibhausgasemissionen in der EU bis zum Jahr 2030 um 55 Prozent sinken – im Vergleich zum Jahr 1990. Wie das funktionieren könnte, erklärt Tomáš Jungwirth:

„Für alle Produkte, die in die EU eingeführt werden aus einem Land, in dem CO2 nicht besteuert wird oder es keine andere Form von Gebühren darauf gibt, wird dann die CO2-Abgabe fällig. Vielleicht beschränkt sich das am Anfang nur auf einige ausgewählte Produkte mit einem besonders großen CO2-Fußabdruck. Die Einnahmen aus diesem Zoll sollten in die Dekarbonisierung investiert werden.“

Innerhalb der EU fallen für Kohlenstoffdioxid schon heute Gebühren an – und zwar in Form von Emissionsgenehmigungen, die die Grundlage des europäischen Kohlenstoffmarktes sind. Ähnliche Mechanismen gibt es auch in anderen Teilen der Welt. Damit sie funktionieren können, sind allerdings transparente und vertrauenswürdige Daten nötig.

„Zu jedem Produkt sollten glaubwürdige Informationen darüber vorliegen, mit welcher CO2-Bilanz es hergestellt wurde – inklusive der Emissionen des Stromes, der zum Betreiben der Fabrik nötig ist. Der CO2-Fußabdruck muss adäquat und vergleichbar ausgewiesen werden. Das ist eine riesige Aufgabe für die gesamte Weltbevölkerung, wenn ein globaler Kohlenstoffmarkt entstehen soll.“

Tessa Schiefer zufolge gibt es aber auch weitere Möglichkeiten, wie Europa positiv auf die Emissionen anderer Länder Einfluss nehmen kann:

„Wenn jemand den ersten Schritt macht, ziehen viele nach. Allein diese Vorreiterrolle einzunehmen und eine Signalwirkung zu geben auf politischer, aber auch wirtschaftlicher Ebene – mit verschieden Anreizen, wie etwa der CO2-Abgabe – ist ganz wichtig. Zum anderen können Ansätze in anderen Ländern auch repliziert werden. Das heißt, wir geben ein Beispiel, das aufgegriffen und dann woanders umgesetzt wird. Zudem können Forschung und Technologien, die bei uns entwickelt werden, auch in anderen Ländern zum Einsatz kommen und dadurch globale Auswirkungen haben.“

Die größten Auswirkungen wird der Klimawandel in Regionen haben, deren Infrastruktur nicht so weit entwickelt ist wie die europäische. Zugleich gelangt aber eine Reihe von Ländern relativ schnell zu Reichtum, wodurch auch ihre Emissionen rapide ansteigen. Auch hier kann Europa eine Rolle spielen, so Tomáš Jungwirth:

„Es geht darum, diesen Ländern zu helfen, schnellstmöglich eine grüne Transformation durchzuführen. Das heißt, sie sollten das Verbrennen fossiler Energieträger als Zwischenschritt gleich auslassen. Eine der Möglichkeiten hierfür ist die Entwicklungszusammenarbeit. Wenn ein Land von einer Dürre heimgesucht wird, stehen wir in der Verantwortung zu helfen – schon allein wegen unseres Emissionsausstoßes in der Vergangenheit. Das würde heißen, die Mittel für den Grünen Klimafonds von 50 Millionen Kronen – circa zwei Millionen Euro – auf mehrere Milliarden Kronen jährlich aufzustocken. Als eine weitere Möglichkeit könnte die grüne Transformation in Entwicklungsländern – vor allem in Asien und Afrika – mit den Kapazitäten unserer Industrie unterstützt werden. So sieht meiner Meinung nach der Weg zu einer globalen Verantwortung aus.“

Das war die vierte Folge unseres tschechisch-deutschen Klima-Podcasts „Karbon“, der in Kooperation von Radio Prag International und der Heinrich-Böll-Stiftung Prag entsteht. Die ausführliche Version finden Sie schon jetzt auf der Webseite von Radio Prag International sowie in allen gängigen Podcast-Plattformen. Beim nächsten Mal wird sich alles um die Auswirkungen der Klimakrise drehen – von häufigeren Hitzewellen und weiteren Extremereignissen bis hin zu Waldsterben und ökonomischen Schäden.

Autoren: Štěpán Vizi , Filip Rambousek
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