130. Jubiläum des Eisenbahnverkehrs zwischen Jihlava/Iglau und Znojmo/Znaim
Ahoi und Fahrt frei für eine neue Ausgabe unseres Verkehrsmagazins "Mobil ans Ziel". Aus dem Prager Studio begrüßt Sie dazu Lothar Martin.
Wenn die Frühlingssonne lacht, dann macht man sich wieder auf zu einem Streifzug durch die aufblühende Natur - zu Fuß, per Rad oder mit dem eigenen Fahrzeug. Aber was wenn, wie in diesem April, uns die Sonne ihren Dienst verwehrt und das Schmuddelwetter rein gar nicht aufhören will? Vielleicht versuchen Sie es einmal mit einer Bahnfahrt. Aber nein, nichts alltägliches und dergleichen. Für Eisenbahnfreaks und alle, die sich vom Bazillus des dampfbetriebenen Schienenverkehrs noch anstecken lassen wollen, habe ich da etwas im Angebot: ein Jubiläum der besonderen Art, das an diesem Wochenende in Südmähren begangen wird. Sind Sie interessiert? Dann erfahren Sie gleich mehr.
An diesem Wochenende wird auf den Bahnhöfen im südmährischen Jihlava/Iglau und in der Grenzstadt Znojmo/Znaim ein schönes Jubiläum begangen - die 130-jährige Geschichte des Eisenbahnverkehrs zwischen diesen beiden Orten. Wie sich diese Strecke in das damalige Schienennetz einbettete, dazu sagte uns der Vorsteher des Iglauer Bahnhofs, Zdenek Nadrchal, in einem Telefongespräch: "Am 23. April 1871 wurde die gerade fertiggestellte Eisenbahnstrecke Iglau - Znaim an das Schienennetz des heutigen österreichischen Territoriums angeschlossen. Seit Januar desselben Jahres fuhren bereits die ersten Züge auf der Strecke von Jihlava nach Havlickuv Brod, dem damaligen Deutschbrod. Im Herbst 1871 kam es zur Verknüpfung der gesamten Magistrale von Wien über Znaim und Iglau, über Havlickuv Brod und Kolín bis nach Prag, von wo aus man die Reise in alle weiteren Himmelsrichtungen fortsetzen konnte. Demnach kam es erst im Herbst 1871 zum Zusammenschluss aller Abschnitte auf der Trasse Wien - Iglau - Prag. Wir feiern das 130-jährige Jubiläum an diesem Wochenende aber deshalb, weil am 23. April 1871 der erste Zug von Österreich aus über Znaim nach Iglau fuhr."
Die Fertigstellung einer Eisenbahnstrecke hatte im ausklingenden 19. Jahrhundert zumeist auch den industriellen Aufschwung in der entsprechenden Region zur Folge. Auch auf der Trasse zwischen Znaim und Iglau war das nicht anders, wie Zdenek Nadrchal zu berichten weiß: "Zunächst bedeutete die Fertigstellung dieser Strecke natürlich eine Beschleunigung des Verkehrs zwischen Wien und Iglau und am Ende desselben Jahres dann von Wien nach Prag. Letztendlich hat diese Verbindung auch die Wirtschaft angekurbelt, wobei weitere Industriezweige entstanden. Der Bahnhof Iglau hatte seinerzeit eine nicht geringe Bedeutung, denn er war mit fünf Gleisen für die damalige Zeit sehr großzügig angelegt worden. Dadurch wurde es praktisch möglich, dass nicht nur der Personentransport, sondern auch ein umfangreicher Gütertransport betrieben werden konnte. Die Industrie in der Region sowie vielfältige Handelsbeziehungen begannen sich zu entfalten, da der größte Teil der Geschäfte über die Bahn abgewickelt wurde."
Von dieser Zeit an verkehrten zwischen Znaim und Iglau sowohl die Luxuswaggons des berühmten Orient-Expresses als auch die Militärzüge in der Zeit des ersten und des zweiten Weltkriegs. Diese Strecke wurde allerdings ebenso Zeuge von Judentransporten und Lazarettzügen. Auf der anderen Seite aber auch von Partisanenangriffen und vom Transport tonnenweisen Materials zum Bau der Autobahnen. Eine bewegte Geschichte also, die die mährische Gleisverbindung aufzuweisen hat, was uns Zdenek Nadrchal wie folgt bestätigte: "Jawohl, in der Vergangenheit hatte diese Strecke eine sehr große Bedeutung. Ausdruck dessen waren die Schnellzüge, die im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts über Znaim und Iglau fuhren. Dies war allerdings nur solange der Fall, bis der Schienen-Grenzübergang in Breclav eröffnet wurde, über den heute die schnellste Eisenbahnverbindung zwischen Prag und Wien verläuft. Zudem verkehren heute auch auf der Strecke von Prag über Ceské Budejovice/Budweis zum Grenzübergang Ceské Velenice/Gmünd internationale Schnellzüge ins benachbarte Österreich. Diese Strecken haben uns den Rang abgelaufen, aber in der älteren Vergangenheit spielte die Trasse Znaim - Iglau eine gewichtige Rolle für den Transport in der damaligen Monarchie Österreich-Ungarn."
Ob man daher nun zwischen Znaim und Iglau auf das Nebengleis geraten ist, wollte ich wissen. Zdenek Nadrchal erwiderte darauf: "Nun, das sehen wir nicht so. Da die Strecke von Prag nach Brünn und weiter nach Breclav fast ausschließlich durch die Ebene verläuft, es von Iglau nach Prag und ebenso nach Brünn aber über bergiges Terrain geht, ist die andere Strecke halt schneller und für die Eisenbahngesellschaft Ceské drahy auch vorteilhafter. Denn die Traktion über die flache Ebene ist kostengünstiger als die über unsere hügellige Trasse, die quer durch die Böhmisch-Mährische Höhe führt."
Auch wenn das ganz große Transportaufkommen auf der Strecke Znaim - Iglau also in Zukunft ausbleiben wird, einen Grund zum Feiern gibt es allemal. Eigentlich sollte in die Feierlichkeiten auch der österreichische Streckenabschnitt von Wien nach Znaim einbezogen werden, doch Zdenek Nadrchal erklärt, warum dies nicht gelang: "Wir wollten ursprünglich unsere Feiern mit einer großen Zugfahrt von Wien bis Iglau begehen. Dies ist uns leider nicht gelungen, so dass es bei der Strecke von Iglau nach Znaim geblieben ist. Allerdings bieten wir von Znaim aus an beiden Tagen je zwei kostenlose Hin- und Rückfahrten ins österreichische Unterretzbach an, wo man das dortige Eisenbahnmuseum besuchen kann. Ansonsten konzentrieren sich die Feierlichkeiten hauptsächlich auf die beiden Bahnhöfe in Znaim und Iglau und die sie verbindende Strecke."
Und was kann man alles am Samstag und am Sonntag erleben und bestaunen, wollte ich abschließend erfahren. Dazu noch einmal Bahnhofsvorsteher Nadrchal: "Also wir bieten vor allem auf der Trasse zwischen Znaim und Iglau Zugfahrten in historischen Zügen an, die von altehrwürdigen Dampfloks angetrieben werden, darunter auch die 52.4984 der Österreichischen Bundesbahn (ÖBB). Neben den Fahrten gibt es eine ganze Reihe von Ausstellungen zu bewundern, wie zum Beispiel die Ausstellung zur Geschichte des Eisenbahnverkehrs, an die eine Briefmarkenausstellung mit Eisenbahnmotiven gekoppelt ist, sowie die Ausstellung historischer und moderner Schienenfahrzeuge oder aber die Ausstellung von Kinderzeichnungen zum Thema Eisenbahn, die alle auf dem Bahnhof Jihlava stattfinden werden. Darüber hinaus wird eine Broschüre zum Jubiläum herausgegeben. Die Feierlichkeiten werden kulturell abgerundet durch den Auftritt von Folklore- und Tanzensembles sowie von Blasorchestern. Und für Speis und Trank ist auch gesorgt. Da wir schon im Vorfeld viele Anfragen von Eisenbahnfans aus Tschechien und der Slowakei, aus Österreich und der Schweiz erhalten haben, sind wir optimistisch, dass die Veranstaltungen ein voller Erfolg werden."
Wenn letzten Endes auch das Wetter mitspielt, werden wohl noch einige Hundert Besucher mehr erscheinen. Doch wie gesagt: echte Eisenbahnfreaks kann auch eine nasse Dusche von oben nicht davon abhalten, die Umgebung zwischen Znaim und Iglau auf dem Schienenstrang zu ergründen. In diesem Sinne: Fahrt frei und genügend Druck auf dem Kessel!