Rezeptsammlung vom Flohmarkt: Buch über Egerländer Küche beschreibt auch alte Weihnachtstraditionen
Der Verlag Tschirner & Kosová gibt seit 2020 Bücher mit einem deutsch-tschechischen Bezug heraus. In diesem Jahr ist zum Beispiel der Band „Wahre Schätze aus der Egerländer Küche“ erschienen. Er basiert auf handgeschriebenen Familienrezepten eines gewissen Ehepaars Lorenz, die später auf dem Flohmarkt gelandet sind. Wie er diesen Schatz gehoben hat, erzählte uns Co-Verlagsgründer Jürgen Tschirner im Interview für Radio Prag International.
Die Städte Cheb / Eger und Aš / Asch in Tschechien, aber auch die Orte Marktredwitz oder Selb in Bayern – all das gehört zum historischen Egerland. Namensgebend ist der Fluss, der auf tschechischer Seite Ohře heißt. Und im lokalen Dialekt der Deutschen, die dort bis 1945 einen großen Teil der Bevölkerung bildeten, wurde vom Eghaland gesprochen und geschrieben.
Dies ist ein Detail, das man neben zahlreichen Kochanleitungen aus dem Buch „Wahre Schätze aus der Egerländer Küche. Rezepte, Brauchtum & Verse“ erfährt. Die Publikation enthält die Aufzeichnungen von Erna und Heinz Lorenz, die beide Jahrgang 1930 waren. Wie in ihrer Kindheit Weihnachten gefeiert wurde, beschrieben die gebürtigen Egerländer so:
„Der Heilige Abend war bei uns ein Fasttag. Zu Mittag wurde nur sehr wenig aufgegekocht. Nachmittags gab es zum Kaffee oder zu Tee mit Rum Apfelstrudel oder Stollen mit Butter und Honig. Das Abendessen war umso festlicher und bestand aus mindestens neunerlei Speisen. Es begann meist mit einer Fischsuppe. Die Hauptspeise war gebackener Karpfen mit Kartoffelsalat oder Salzkartoffeln. Als Kompott wurden Dörrzwetschgen und Hutzl (getrocknete Birnen) gereicht.“
Tagsüber fasten, ein Stück Stolle, abends Karpfen – dies verbinden noch heute viele Menschen auf beiden Seiten der tschechisch-deutschen Grenze mit Heiligabend. Mindestens der Karpfen gehört für die meisten Familien in Tschechien nach wie vor untrennbar zum 24. Dezember. Das sehr einfache Rezept dazu, aber auch die etwas aufwendigere Fischsuppe oder der traditionelle Kartoffelsalat durften in dem Buch dann auch nicht fehlen.
Ein eigenes Kapitel ist zudem der Weihnachtsbäckerei gewidmet. Die Stolle und ihre reiche Zutatenliste bilden den krönenden Abschluss. Sie wird in Tschechien aber mittlerweile kaum noch gebacken. Hier halten es die Menschen lieber mit dem Hefezopf „vánočka“. Hingegen haben Kokosmakronen, Rumkugeln, Vanillekipferln und Butterplätzchen über all die Jahrzehnte nichts an Beliebtheit eingebüßt. Auch sie kennt man ebenso gut in Deutschland oder in Österreich. Diesen verbindenden Aspekt der Egerlandküche betont Co-Verleger Jürgen Tschirner im Interview mit Radio Prag International. Und er schildert die Geschichte hinter dem Buch…
Herr Tschirner, stellen Sie doch bitte Ihren Verlag vor!
„Die beiden Verlagsinhaber sind wir, Kateřina Kosová aus Tschechien und Jürgen Tschirner aus Leipzig. Wir haben uns beide vor etwas mehr als vier Jahren überlegt, dass wir einen Verlag gründen, der Themen abbildet, die beide Länder interessieren und auch berühren.“
In diesem Jahr ist das Buch „Wahre Schätze aus der Egerländer Küche“ erschienen mit Texten und Rezepten von Erna und Heinz Lorenz. Wer ist denn dieses Ehepaar?
„Das Ehepaar Lorenz lebt nicht mehr, beide sind verstorben. Sie sind aufgewachsen in Sokolov, früher Falkenau, und wurden im Zuge der Vertreibungen in Sommer 1946 ansässig in Bayern. Sie haben die ganze Zeit über die Rezepte aus ihrer Kindheit nachgekocht. Und irgendwann hat Erna Lorenz zu ihrem Mann gesagt, jetzt müsse das alles einmal aufgeschrieben werden, was sie an Rezepten hatten. Also hat ihr Mann Heinz alles handschriftlich heruntergeschrieben, weil er eine schönere Schrift hatte. Dann wurde alles kopiert und in ein dünnes Heftchen gebunden. Und dieses Heft habe ich vor zwei Jahren auf einem Flohmarkt in Cheb entdeckt, als ich mit meinem Sohn den Eger-Radweg gefahren bin. Danach habe ich mich mit der Familie Lorenz in Verbindung gesetzt und gesagt, das Buch sei so schön, dass wir es gerne veröffentlichen würden. Es solle angereichert werden mit Zeichnungen von meiner Frau und dann in neuer Form, mit einer kleinen Familiengeschichte versehen, hier auf dem Buchmarkt erscheinen.“
Das heißt, die Fotos in dem Buch sind originale Bilder der Familie Lorenz?
„Ja, sie stammen aus den Fotoalben der Familie Lorenz. Wir haben insgesamt acht Alben gesichtet und Material herausgesucht, das uns für dieses Buch am geeignetsten erschien.“
Und was macht das Egerland und die Egerlandküche so besonders?
„Die Egerländer Küche, wenn man ein bisschen weiter zurückgeht, steht ja in der k. u. k. Tradition. Sehr viel, was man im Egerland sieht, findet man zum Beispiel auch in der Wiener Küche. Daran erkennt man, dass das alles vor 1918 ein großes Österreich-Ungarn war. Dies war die erste Erkenntnis. Und die zweite lautet, dass – wie in vielen anderen Regionen in Böhmen auch – sehr deftig gekocht wird. Dies ist keine vegane und auch keine Yoga-Küche. Dafür gibt es viele verschiedene Knödel und Kloßarten oder auch Eierspeisen. Es wurde also deftig gekocht und ehrlich. Ich denke, das ist auch der Grund, warum dieses Buch so erfolgreich ist. Viele Menschen wollen sozusagen wie früher kochen und keine komplizierten Gerichte. Es sollen einfache Rezepte sein, die schnell gemacht sind und die schmecken und satt machen.“
Das Buch erlebt jetzt bereits die zweite Auflage…
„Richtig. Wir haben bisher 1500 Exemplare verkaufen können, und einen Teil auch in die Tschechische Republik. Unsere Idee ist ja, Bücher zu machen, die auf beiden Seiten der Grenze gekauft und gelesen werden. Dabei arbeiten wir sehr eng mit Academia zusammen, die auf dem Wenzelsplatz in Prag eine Buchhandlung haben und die unsere Bücher in Tschechien vertreiben. Ich denke, den Leuten gefällt, dass sie nicht nur ein Buch mit Kochrezepten bekommen, sondern auch eine Familiengeschichte. Das ist es, was die Menschen triggert. Die Rezepte stammen von einer Familie, das ist anfassbar. Und im letzten Kapitel erfährt man viel über das Egerland und das Brauchtum, natürlich auch mit Humor. Teilweise nimmt man sich dort selbst etwas auf die Schippe. Die Rezepte sind sozusagen die Kirsche auf dem Sahnehäubchen einer Familiengeschichte und von dem Wissenswerten über das Egerland. Also das Buch ist in der zweiten Auflage lieferbar. Wir hatten gerade eine Rezension in den ‚Salzburger Nachrichten‘, das heißt auch in Österreich wird das Buch gelesen. Wir denken, es ist ein sehr schönes Transportmittel, um Kultur und Geschichte des Egerlands den Menschen auch in Deutschland nahezubringen. Die Region ist ja allgemein sehr schön. Ich bin den Egerland-Radweg gefahren. Von der Quelle im bayerischen Fichtelgebirge bis zur Mündung in Litoměřice sind es 320 Kilometer quer durch eine wunderschöne Gegend. Wir hoffen nun auch, dass wir mit dem Buch vielleicht auch den einen oder anderen Menschen animieren, das Egerland zu besuchen.“
Ein Besuch im Egerland bietet sich vielleicht als guter Vorsatz für das neue Jahr 2025 an. Noch haben wir aber 2024 und feiern Weihnachten. Auch beim Ehepaar Lorenz war Heiligabend mit Karpfen und Kompott freilich noch nicht zu Ende. Weiter wird geschrieben:
„Für die Verdauung stand Schnaps bereit, wie Rossbacher Kräuterbitter, Karlsbader Becherbitter, Kümmelschnaps und Kaiserbirn. Später gab’s zum Punsch Weihnachtsplätzchen, Lebkuchen und Christstollen. Nach dem Essen ging der Älteste mit dem Jüngsten in den Garten und verteilte die Essensreste für den Zembåra unter den Bäumen und Sträuchern, damit sie im nächsten Jahr wieder viel Früchte tragen. Am 1. Feiertag gabs Gänsebraten mit Rotkraut und Selleriesalat oder Lungenbraten (Rinderfilet) mit Mehlknödl oder Reiberknödl.“
Was der Zembåra ist, wird leider im Buch nicht erklärt. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass auch einige Traditionen – trotz der Fleißarbeit der Lorenz-Familie – die Zeiten nicht überdauert haben.
Das Buch „Wahre Schätze aus der Egerländer Küche“ kann direkt beim Verlag Tschirner & Kosová bestellt werden (www.tschirner-kosova.de). Es hat 184 Seiten und kostet 35 Euro.
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