Arbitrage CME/CR

Herzlich willkommen bei einer weiteren Ausgabe unserer Magazinsendung mit Themen aus Wirtschaft und Wissenschaft, am Mikrofon begrüßt Sie Ruedi Hermann. Die Tschechische Republik hat ein internationales Arbitrageverfahren mit möglicherweise einschneidenden finanziellen Folgen für die Staatskasse gewonnen, ein zweites, analoges Verfahren zum gleichen Gegenstand aber verloren. Bei beiden Verfahren ging es dabei um einen Streit um die private Fernsehstation TV Nova. Deren Mitbegründer und Financier, der amerikanische Geschäftsmann Ronald Lauder, beschuldigte die Tschechische Republik, seine Investition ungenügend geschützt und damit das zwischen den USA und Tschechien abgeschlossene Investitionsschutzabkommen verletzt zu haben. Gleichzeitig brachte diesen Einwand auch die von Lauder kontrollierte Gesellschaft Central and Eastern European Media Enterprises, CME, vor. Diese stützte sich aber, weil sie ihren Sitz in den Niederlanden hat, auf das entsprechende Abkommen zwischen Tschechien und den Niederlanden. Das Verfahren in London zum Streit zwischen Tschechien und Lauder endete zu Gunsten Prags, das analoge Verfahren in Stockholm zwischen Tschechien und der CME aber zu Gunsten des Klägers. Die ganze Angelegenheit möchten wir nachfolgend etwas beleuchten, wir wünschen dazu guten Empfang.

Tschechien hat das mit den USA abgeschlossene Abkommen zum gegenseitigen Schutz der Investitionen im Falle TV Nova zwar verletzt, muss aber dem Kläger, dem amerikanischen Geschäftsmann Ronald Lauder, aber keine Entschädigung zahlen. Dies ist die Quintessenz des Richterspruchs im Londoner Arbitrageverfahren. Das Stockholmer Arbitragegericht hingegen kam zum Schluss, dass eine Entschädigung fällig sei; deren Höhe soll nun bestimmt werden. Verständlich, dass die Angelegenheit hierzulande einigen Staub aufgewirbelt hat. Denn es geht um die private, landesweit sendende Fernsehstation TV Nova, die als das wohl mächtigste und auch lukrativeste Medium des Landes gilt.

Um den Hintergrund der Affäre verstehen zu können, ist ein kleiner Blick auf die Vorgeschichte nötig. Nach der Teilung der Tschechoslowakei wurde der Kanal des einst föderalen tschechoslowakischen Fernsehprogramms privatisiert. Alle waren sich dabei dessen bewusst, dass der Aufbau eines kommerziellen Fernsehens keine billige Sache ist und deshalb auch ausländische Investitionen erfordert. Doch bestanden gewisse Ängste, die Sendelizenz in ausländische Hände zu vergeben. Entgegen den ursprünglichen Absichten beschloss deshalb der tschechische Staat, dass der Inhaber der Sendelizenz nur eine einheimische Gesellschaft sein dürfe. Um dennoch ausländisches Kapital beiziehen zu können, war ein kleiner Trick nötig. Die Sendelizenz würde zwar an eine einheimische Gesellschaft vergeben, doch diese wiederum würde eine zweite Gesellschaft, an der dann ausländisches Kapital beteiligt wäre, exklusiv mit der Herstellung von Programmen und dem Verkauf von Reklamezeit beauftragen. Auf diesem Weg könnten die ausländischen Partner ihre Investitionen amortisieren. Dieses Modell wurde gewählt; die Sendelizenz gewann die tschechische Gesellschaft CET 21, als Programmgesellschaft fungierte eine Firma namens CNTS. Am Anfang ging alles gut, doch später kam es zum Streit zwischen Generaldirektor Vladimir Zelezny, der gleichzeitig Teilhaber von CET 21 war, und Ronald Lauder, der die Programmgesellschaft CNTS kontrollierte. Grund des Zerwürfnisses war, dass Zelezny vorgeworfen wurde, die Exklusivität von CNTS untergraben und damit wesentliche Geldströme an den Amerikanern vorbei leiten zu wollen. Zelezny wurde als Generaldirektor entlassen, doch die Sendelizenz nahm er gleich mit und stellte die Amerikaner damit ins Abseits. Der Rat für Fernsehen und Radio, das Aufsichtsgremium der Staatsverwaltung, befand dabei, dass CET 21 von Zelezny die rechtmässige Inhaberin der Sendelizenz sei, und damit war Lauder von allen Gewinnen abgeschnitten.

Der Befund des Londoner Arbitragegerichts lautet nun, Tschechien habe zwar das Investitionsschutzabkommen verletzt, weil der Staat im Verlauf der Privatisierung die Regeln geändert habe, als er befand, dass ein ausländischer Investor nicht Teilhaber der Lizenzgesellschaft, sondern nur der Betriebsgesellschaft sein dürfe. Gleichzeitig hielt das Gericht aber fest, es seien keine Beweise dafür beigebracht werden, dass Lauder damals gegen diese Regeländerung protestiert habe. Der Befund des dreiköpfigen Arbitragegremiums fiel dabei einstimmig aus. Er bedeutet im weiteren Sinne, dass der tschechische Staat nicht, wie von Ronald Lauder behauptet, verantwortlich gemacht werden könne für die Verluste, die dem amerikanischen Geschäftsmann durch den Streit mit Nova-Direktor Vladimir Zelezny entstanden sind, und dass Prag deshalb für die geforderte Entschädigung von mehreren Dutzend Milliarden Kronen nicht aufkommen müsse. Gratis war der Prozess für Tschechien dennoch nicht, denn das Finanzministerium muss sich zur Hälfte an den Verfahrenskosten beteiligen, und das allein sind rund 72 Millionen Kronen.

Herrschte nach dem Urteil aus London in Prag Erleichterung, so änderte sich die Situation, als der Befund des Stockholmer Arbitragegerichts an die Öffentlichkeit gelangte. Dort hiess es nämlich laut Angaben der Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny, die Tschechische Republik habe durch ihr Verhalten der Investition von CME in die Fernsehstation Nova Schaden zugefügt. Über die Höhe des Schadens und damit der von Tschechien zu entrichtenden Entschädigung hat das Gericht noch keinen Entscheid gefällt. Die Gesellschaft CME beziffert den Schaden auf rund 500 Millionen Dollar, umgerechnet etwa 20 Milliarden Kronen. Sie argumentiert, diese Schätzung stütze sich auf Expertisen, die von unabhängigen Finanzgesellschaften zu einer Zeit erstellt worden seien, als CME eine Fusion mit dem Medienkonzern SBS vorbereitet habe. Nach dem Zerwürfnis von CME mit CET 21 und Zelezny sank der Wert der CME-Aktien dramatisch ab, weil von den Finanzmärkten der Gesellschaft keine oder sehr wenig Aussichten eingeräumt wurden, ihre Investition noch zu amortisieren.

Der tschechische Aussenminister Jan Kavan bezeichnete die Höhe der Entschädigungsforderung als absurd. Er kündigte ferner an, dass sich Tschechien möglicherweise an ein schwedisches Gericht wenden werde, da es Hinweise darauf gebe, dass dem tschechischen Arbiter im Stockholmer Verfahren nicht alle ihm zustehenden Rechte gewährt worden seien. Der CME-Präsident Fred Klinkhammer kommentierte dies mit den Worten, weder Kavan noch er seien im Saal gewesen, wo das Verfahren durchgeführt worden sei, und die Arbiter, die entschieden hätten, genössen einen ausgezeichneten Ruf.

Tschechische Politiker und Kommentatoren, darunter der Chef der Abgeordnetenkammer, Vaclav Klaus, zeigten sich befremdet darüber, dass das Stockholmer Arbitragegericht anders entschied als das Londoner. Denn, so sagte Klaus gegenüber dem Tschechischen Fernsehen, der Investitionsschutzvertrag mit den USA sei eher strenger als derjenige mit den Niederlanden. Dies könne er einschätzen, weil er damals als tschechoslowakischer Finanzminister die Vorbereitung beider Abkommen aus der Nähe miterlebt habe.

Noch unklar ist, wie sich der Arbitrageentscheid auf die angestrebte Verbindung der Fernsehstation Nova mit einem neuen strategischen Investor aus dem Ausland auswirken wird. Laut der Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny soll es sich dabei um die deutsche Bertelsmann-Gruppe handeln. Die Arbitrageergebnisse betreffen allerdings in erster Linie den tschechischen Staat, der die Entschädigung aus seinen Mitteln bezahlen muss, und nicht die Fernsehstation Nova als privates Subjekt.

Autor: Rudi Hermann
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