Causa IPB - Verflechtung von Wirtschaft und Politik

Herzlich willkommen bei einer weiteren Ausgabe unserer Magazinsendung mit Themen aus Wirtschaft und Wissenschaft, die für Sie Rudi Hermann vorbereitet hat. Das Ereignis, das in der tschechischen Wirtschaftsszene in den letzten Wochen zweifellos am meisten Staub aufgewirbelt hat, war die Verhängung der Zwangsverwaltung über der Grossbank IPB. Über einige der ökonomischen Aspekte dieses Schritts haben wir schon in einer früheren Sendung berichtet, doch galt die IPB auch als Paradebeispiel für die Verflechtung von Wirtschaft und Politik, von dem also, was in einem Kommentar als tschechischer Klientelkapitalismus bezeichnet wurde. Im heutigen Beitrag wollen wir diesem Bereich etwas nachspüren und deshalb von der reinen Wirtschaftsthematik für einmal etwas abweichen.

Unterschiedlicher hätte die Bewertung der Verhängung der Zwangsverwaltung über der Investicni a postovni banka IPB und des anschliessenden, blitzartig eingefädelten Verkaufs des Finanzhauses an die Ceskoslovenska Obchodni banka CSOB nicht beurteilt werden können. Die Demokratische Bürgerpartei ODS sprach von einem Bankraub am hellichten Tag unter direkter Assistenz des Staates also Regierung und Zentralbank, Präsident Havel im Einklang mit unabhängigen Wirtschaftskommentatoren hingegen von einem gelungenen und speditiv abgewickelten Krisenmanagement. Ein Schlüssel zu diesen diametral entgegengesetzten Ansichten liegt in den komplizierten Verhältnissen der tschechischen innenpolitischen Landschaft. Diese ist geprägt durch das sogenannte Toleranzpatent zwischen ODS und Sozialdemokraten. Diese Vereinbarung hat dem Land zwar keine echte Stabilität beschert, dafür aber einen gewissen Schwebezustand, in dem sich die Machtbalance im labilen Gleichgewicht befindet. Diesem Gleichgewicht scheint die Aktion von Regierung und Zentralbank einen Stoss versetzt zu haben. Denn in der Ansicht politischer und wirtschaftlicher Kommentatoren war die IPB ein bedeutendes Einflussgebiet der ODS sowie, in gewissem Masse, auch der Sozialdemokraten. Vor allem der ODS wurden Verflechtungen mit der IPB nachgesagt, und zwar in einem Masse, dass die Bank für die Partei indirekt die Basis für Einfluss auf die Wirtschaft sowie ein Vehikel zu undurchsichtigen Finanzierungen dargestellt habe. Bewegen sich viele solcher Mutmassungen auf dem Gebiet unbewiesener Spekulationen, so gab die vehemente Reaktion der ODS Spitze einigen Grund zur Annahme, dass die Wahrheit nicht allzu weit entfernt sein könnte. Denn mit der Verhängung der Zwangsverwaltung und dem Verkauf der IPB an die CSOB, die unter der Kontrolle des belgischen Bankhauses KBC steht, verlor die ODS auf einen Schlag ihren Einfluss. Dies könnte die ODS als Verstoss gegen den Mechanismus der machtpolitischen Kartellabsprache innerhalb des Toleranzpatents angesehen haben, wo bisher Schritte von entscheidender politischer Tragweite zumindest konsultiert wurden.

Ein weiterer Mosaikstein im Streit um die IPB ist ferner die Figur von Nationalbankpräsident Josef Tosovsky. Dieser ist der ODS schon seit Jahren ein Dorn im Auge. Für die ODS ist Tosovsky als Nationalbankchef mit seinem auf Währungsstabilität bedachten Kurs mit-, wenn nicht hauptverantwortlich für die Probleme, die die tschechische Wirtschaft seit 1997 plagen. Was ODS-Chef Klaus Tosovsky allerdings noch viel weniger vergessen kann, ist, dass sich der Nationalbankchef nach dem Sturz der Regierung Klaus im Herbst 1997 von Präsident Havel zur Bildung einer Übergangsregierung überreden liess. Seither sehen die Bürgerlichen hinter Burg und Nationalbank ein Machtzentrum, das ohne Wählermandat in der Politik mitmischen wolle - im Klartext heisst dies, dass jemand das Machtkartell zwischen ODS und Sozialdemokraten zu untergraben sucht. Die vehementen Bemühungen namentlich der ODS, die Unabhängigkeit der Zentralbank zu beschneiden, sehen Beobachter deshalb nicht nur vor dem Hintergrund des Strebens der ODS nach grösstmöglicher Kontrolle in möglichst vielen Bereichen des öffentlichen Lebens, sondern vor allem auch im Lichte des persönlichen Zerwürfnisses von ODS-Chef Klaus und Nationalbankpräsident Tosovsky.

Allerdings sind auch die Interpretationen der Medienkommentatoren zum Fall IPB nicht unisono, wie im folgenden mit Auszügen aus zwei Analysen gezeigt werden soll. Der erste Kommentar stammt aus der Feder des Finanzanalytikers Pavel Kohout und wurde in der Tageszeitung Mlada Fronta dnes veröffentlicht. Dort heisst es unter anderem:

"Die Regierung und die tschechische Nationalbank haben die tschechische Wirtschaft vor einer möglichen Krise bewahrt. Ihre schnelle Aktion ermöglichte das unterbruchslose Funktionieren der IPB. Der beschleunigte Verkauf dieser Bank an die CSOB war wahrscheinlich die einzige Lösung dazu. Natürlich ist nach der Schlacht jeder ein General und sieht Möglichkeiten, wie die Krise auch zu bewältigen gewesen wäre. Doch seien wir nicht naiv: jeder Interessent für die IPB hätte auch Regierungsgarantien verlangt. Darüber hinaus hätte jede andere Variante in sich das Risiko einer Finanzkrise geborgen. Ohne sofortigen Verkauf wäre es nicht möglich gewesen, das Vertrauen in die Bank zu retten, und während einer Woche wäre sie verblutet. Warum aber brechen Banken zusammen? Natürlich deshalb, weil sie schlechte Geschäfte machen. Dafür gibt es bei der IPB drei Gründe: erstens mangelnde Professionalität in den frühen 90er Jahren, wie im übrigen bei allen tschechischen Banken. Zweitens politischer Druck auf die Kreditvergabe an staatliche Unternehmen - ebenfalls ein Problem aller Banken. Und drittens der politische Hintergrund. Die IPB gab Kredite vielen Unternehmern, die allzu eng mit der ODS verknüpft waren. Das sind keine unbewiesenen Hypothesen, die Fakten können von allen, die mit dem Internet-handelsregister und öffentlich zugänglichen Informationen arbeiten können, verifiziert werden. Damit sei allerdings nicht gesagt, dass es um direkte und strafrechtlich belangbare Korruption ging. Absicht und korrupte Verbindungen können schlecht bewiesen werden, wenn sich auch jeder das seine dazu denken kann. Die laute Reaktion der ODS-Spitzen lässt immerhin darauf schliessen, dass die Buchprüfungen der IPB noch Interessantes über die Finanzierung der politischen Parteien zutage fördern werden."

Soweit der Analytiker Pavel Kohout in der Tageszeitung Mlada Fronta dnes. Einen anderen politischen Hintergrund sieht dagegen der politische Kommentator Martin Schmarcz in der Zeitung Lidove noviny:

"Es ist kein Geheimnis, dass hinter der belgischen Bank KBC, die die CSOB beherrscht, die Interessen von Kreisen stehen, die sich informell um Präsident Havel gruppieren und in starker Opposition zur ODS stehen. Ein weiterer Schlag für Klaus musste das gemeinsame Vorgehen von Sozialdemokraten und Nationalbank sein - entsteht hier eine neue Koalition gegen die ODS? Das Vorgehen der Nationalbank, das entschieden nicht ohne politische Konsequenzen ist, könnte das labile Gleichgewicht zu Ungunsten der ODS verschieben. Klaus weiss das - daher die Nervosität, die bei einem erprobten Schachspieler ungewöhnlich ist. Klaus könnte einem leid tun, wenn er allerdings in Sachen IPB ein reines Gewissen hätte. Denn die Bürgerlichen machten lange genau das, was sie heute ihren Gegnern ankreiden - sie nutzten ihre Macht, um über die IPB wirtschaftlichen und medialen Einfluss zu gewinnen. Mit einem Unterschied allerdings: Die Gruppe, die im Kampf um die IPB den Sieg davontrug, braucht zum Regieren keinen Wahlerfolg, so lange hinter ihr die mächtige Zentralbank steht. Der Bürger allerdings kann im Dschungel verschlungener Machtinteressen auch jetzt nicht frei atmen, ihm bringt die Veränderung bei den Verhältnissen um die IPB nichts."

Autor: Rudi Hermann
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