Das IWF-Treffen als Test für Prag als Kongressstadt

Herzlich willkommen bei einer weiteren Ausgabe unserer Magazinsendung mit Themen aus Wirtschaft und Wissenschaft, am Mikrofon begrüßt Sie Rudi Hermann. Grosse Ereignisse werfen ihren Schatten voraus, und im Falle der Jahresversammlung von Internationalem Währungsfonds und Weltbank in Prag gilt dies in besonderem Masse. Heute soll dabei nicht von makroökonomischen Konzepten, Bankproblemen und Entwicklungsprognosen die Rede sein, sondern von einer Seitenlinie des Treffens. Denn dieses ist für Prag nichts weniger als eine Feuerprobe, wie sich die Stadt als Veranstalterin grosser Kongresse bewährt. Und Kongresse sind wiederum vor allem für die Hotellerie interessant, denn sie bringen eine Kundschaft, die generell kaufkräftiger und ausgabenfreudiger ist als der Ferientourismus, wo die Leute ihr eigenes Geld ausgeben und deshalb von Hotel über Restaurant bis zu weiteren Dienstleistungen auf die Preise schauen. Wie die Prager Hotellerie auf den Grossanlass vorbereitet ist, und was ihr dieser für die Zukunft bringen kann, ist Gegenstand der nachfolgenden Minuten.

Für die Zeit der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank erwartet die Prager Hotellerie einen beispiellosen Ansturm von Gästen, und schon jetzt sind die meisten Hotels für die fünf Tage Ende September restlos ausgebucht. Dabei handelt es sich um zwei voneinander sehr unterschiedliche Gruppierungen. Die eine bilden die direkten Teilnehmer der Tagung und ihre Begleitstäbe. Diese verlangen höchste Qualität, denn bei den direkten Konferenzteilnehmern handelt es sich um Finanzminister und Nationalbankgouverneure und ihre engsten Mitarbeiter. Die Zahl der offiziellen Delegationsmitglieder wird auf 4000 bis 5000 geschätzt, was für die Prager Erstklasshotels einen Kraftakt bedeuten wird, wenn auch hier wichtige internationale Hotelketten wie Inter-Continental, Marriott, Best Western oder Hilton mit grossen Häusern vertreten sind. Neben den direkten Konferenzteilnehmern gibt es auch noch Teilnehmer mit Beobachterstatus und Spezialgäste. Letztere sind beispielsweise frühere Minister oder bedeutende Financiers aus dem Umkreis der Bretton-Woods-Institutionen. Für die Unterbringung der offiziellen Gäste ist direkt das Prager Finanzministerim in Zusammenarbeit mit IWF und Weltbank verantwortlich. Daneben gibt es eine weitere grosse Gruppe von Konferenzteilnehmern, die nicht offiziell eingeladen wurden, wie etwa die Journalisten. Sie müssen sich auf eigene Faust eine Unterkunft suchen, können dafür aber die Dienste eines speziell dafür engagierten Incoming-Reisebüros beanspruchen, das wiederum mit weiteren auf Inlandtourismus spezialisierten Büros zusammenarbeitet. Insgesamt wird für das Umfeld der eigentlichen Konferenz mit 15000 bis 20000 Gästen gerechnet.

Und dann wird ein Besucheransturm aus einem ganz anderen Bevölkerungssegment noch zu erwarten sein. Grossanlässe der globalen Finanzwelt sind in letzter Zeit nämlich regelmässig von zahlreichen Gegnern der Globalisierung begleitet, doch haben diese ein ganz anderes Anforderungsprofil an die Unterbringung. Für die Rucksacktouristen soll einmal auf dem Prager Strahov-Hügel im riesigen Spartakiadestadion ein gigantischer Campingplatz bereitgestellt werden, und einige von den Besuchern aus dieser Gruppe werden vielleicht auch die Dienste von Anbietern von Privatzimmern in Anspruch nehmen.

Für die Prager Hotellerie bedeutet das Grossereignis die Fortsetzung eines Trends, der ohnehin schon eingesetzt hat. In den ersten zehn Jahren seit der Wende haben die grossen Hotelkonzerne hier das Terrain geprüft, vor allem mit dem Ziel, zu ermitteln, welches Marktverhalten die besten Erfolgsaussichten biete. Als Investitionsformen boten sich der Bau eigener Hotels, die übernahme eines bestehenden Hauses oder die Suche nach Franchisepartnern an. Für alle Formen lassen sich inzwischen Beispiele internationaler Hotelketten finden. Dennoch steht dem Prager Hotelbettenangebot laut dem Kongresstourismusexperten Jakub Ded, den das Wirtschaftsmagazin Ekonom zitiert, noch ein bedeutender struktureller Umbruch bevor. Bis in zwei, drei Jahren, so Ded, werde Prag ganz anders aussehen. Denn zweifellos wird die Bewältigung eines Grossanlasses wie die Jahrestagung von IWF und Weltbank, wenn sie denn vom logistischen Gesichtspunkt reibungslos über die Bühne geht, bleibende Folgen für die Prager Kongresstouristik hinterlassen. Bisher ist die Moldaustadt im Mittelfeld dieses umkämpften und lukrativen Touristiksegments angesiedelt, wie aus einer im Magazin Ekonom publizierten Tabelle hervorgeht. Prag belegte 1998 mit einem Marktanteil von 0.66 % den 24. Platz; Spitzenreiter war mit einem Marktanteil von 2.6 % Paris, gefolgt von London mit 2.1 %, Brüssel und Wien mit 1.9 %, dann Amsterdam, Singapur, Genf, Kopenhagen und Washington mit Werten zwischen 1.44 und 1.07 %. Auf dem 10. Platz mit 0.84 % liegt Hong Kong, und der relativ kleine Unterschied zum Marktanteil von Prag deutet darauf hin, dass hier der grosse Konkurrenzkampf stattfindet.

Ein Aufschwung von Prag als Kongressstadt dürfte ohne Zweifel eine Umstrukturierung des Bettenangebots bringen, das bisher immer noch zu einem bedeutenden Teil auf einfachen Unterbringungsm”glichkeiten steht. Schon heute, hält ein Berater einer Prager Consultingfirma fest, sei es allerdings schwierig, ein Zimmer ohne eigenes Bad und WC zu verkaufen, und dies sogar in entlegeneren Gebieten der Tschechischen Republik. Ausserdem sei das Niveau des Hotels nicht nur durch die Ausstattung und den Komfort der Zimmer bestimmt, sondern vor allem auch durch die Qualität der Dienstleistungen. Da spielten namentlich auch kleinere Versammlungs- und Kongresszimmer eine Rolle. Ein Hotel, das heute keine solchen Leistungen anzubieten habe, falle sehr bald aus dem Konkurrenzkampf heraus.

Die internationale Konkurrenz dürfte auch demnächst eine weitere strukturelle Folge für die Prager Hotellerie haben. Diese ist nämlich erst in einem sehr geringen Grad in übernationale Ketten integriert. Die internationalen Grosskonzerne verfolgen mit der Schaffung grosser Gruppierungen jedoch gleich mehrere Ziele: Steigerung der Rentabilität durch Effizienzsteigerung und gemeinsame Reservierungssysteme, flächendeckende Präsenz in den wichtigsten Städten der Welt, Wiedererkennungseffekt und Gästetreue, unterstützt durch Prämienprogramme ähnlich den Vielfliegerprogrammen. Auf dem amerikanischen Markt ist die Konzentration schon so weit fortgeschritten, dass laut dem Magazin Ekonom 7 von 10 Hotels einer übergreifenden Kette angeschlossen sind; in Europa sind es erst 3 von 10. Hier wittern die grossen Gesellschaften deshalb noch unausgeschöpftes Potential. Ein weltweiter Trend, der in Prag auch erst gerade Fuss fasst, ist ferner die Diversifizierung von Luxushotels in klassische Hotels und Langzeit-Appartements der Luxusklasse. Diese Dienstleistung bietet vorerst erst die Marriott-Gruppe an und verzeichnete mit Belegungsraten von 85 bis 98 % in Mai und Juni gute Belegungsrate, bis das Sommerloch mit 65 % im Juli zu Buche schlug.

Autor: Rudi Hermann
abspielen