Das neue Zentralbankgesetz aus der Sicht der Zentralbank

Herzlich willkommen bei einer weiteren Ausgabe unserer Magazinsendung mit Themen aus Wirtschaft und Wissenschaft von Rudi Hermann. Die Banken scheinen wohl in dieser Sendung der Evergreen des Sommers zu sein. Dafür war einerseits die Nationalbank mit der Verhängung der Zwangsverwaltung über der Grossbank IPB verantwortlich, andrerseits wurde die Zentralbank selbst zum politischen Thema durch die Diskussion um die kontroverse Novellierung des Zentralbankgesetzes, das das Abgeordnetenhaus im Juli verabschiedete. Ging es vor einer Woche in dieser Sendung um die IPB, so ist heute wieder die Nationalbank selbst an der Reihe. Denn der Senat, die zweite Parlamentskammer, hat den Vorschlag des Abgeordnetenhauses über die Novellierung des Zentralbankgesetzes zurückgewiesen, ohne allerdings selbst Korrekturen anzubringen. Damit erscheint das Szenario als wahrscheinlich, dass die Abgeordnetenkammer in der Wiederholungsabstimmung den Senat überstimmen wird und die Mängel der Novelle deshalb bestehen bleiben. Was diese Mängel sind, war Gegenstand eines Gesprächs von Pavel Stepanek, Mitglied des Rates der Nationalbank, für das Wochenmagazin Tyden. Einige der Äusserungen Stepaneks wollen wir nachfolgend darstellen, da sie den Standpunkt der Nationalbank als direkt betroffenes Subjekt der Gesetzesnovelle beleuchten.

Zu den meistdiskutierten Aspekten des neuen Zentralbankgesetzes gehört die Genehmigung des Betriebsbudgets der Zentralbank durch die Abgeordnetenkammer. Soll die Zentralbank eine unabhängige Institution sein, so gerät sie dadurch nämlich in politische Abhängigkeit von der Abgeordnetenkammer respektive deren beschlussfassender Mehrheit. Zwar argumentieren die Befürworter dieser Bestimmung, dass das Betriebsbudget nur einen kleinen Teil der Ausgaben der Nationalbank ausmache und Anlagestrategie sowie Währungspolitik dadurch nicht betroffen würden. Ausschlaggebend für die Initiierung der Bestimmung mag gewesen sein, dass sich die Nationalbank in einer Zeit der ökonomischen Krise ihren Hauptsitz in Prag milliardenschwer renovieren liess. Doch ist die Grenze zwischen Unterhalt und eigentlicher Arbeit der Nationalbank manchmal nicht einfach zu definieren, gerade etwa im Bereich der Gehaltspolitik. Doch wirkt sich die Budgetlimite auch auf die Gehälter der Angestellten aus, und hier könnte laut dem Bankratsmitglied Pavel Stepanek gerfährlicher Zündstoff sein, wir zitieren:

Die Gehälter der Angestellten der Nationalbank sollten nach der Novelle im Hinblick auf die Gehälter in der Staatsverwaltung festgesetzt werden. Dies mag den Politikern Erfolg bringen, doch ist solche Gleichmacherei eine Gefahr für die Konkurrenzfähigkeit der Nationalbank auf ihrem Segment des Arbeitsmarkts. Und hier muss gesagt werden, dass es gerade um jenes Segment des Arbeitsmarkts geht, aus dem sich nicht nur die Arbeitskräfte der anderen Banken rekrutieren, sondern auch weiterer Finanzinstitutionen wie Versicherungen, Fonds oder Investitionsgesellschaften und ferner Buchprüfungs- und Beratungsfirmen. Bei uns handelt es sich oftmals um Fachkräfte, die in einem sehr speziellen Bereich tätig sind und auf deren Kontinuität die Nationalbank und mit ihr auch die tschechische Wirtschaft allgemein geradezu angewiesen ist. Hier möchte ich auch eine Illustration dafür geben, was wir mit der von uns kritisierten Unbestimmtheit einiger Passagen der Gesetzesnovelle meinen. Es geht um die Formulierung "im Hinblick auf die Gehälter in der Staatsverwaltung". Ich möchte nicht erleben, dass die genauere Definierung dieses Begriffs auf gerichtlichem Weg stattfinden muss -wenn nämlich dereinst jemand die Nationalbank beschuldigen wird, das Gesetz verletzt zu haben. Werden wir der Geldverschwendung bezichtigt, wenn jemand etwas mehr verdient, als dem Gehaltsniveau in der Staatsverwaltung entspricht, auch wenn es sich um einen spezialisierten Experten internationalen Formats handelt? Wir haben das Niveau der Gehälter in der Nationalbank, und das sage ich mit einem gewissen Bedauern, bisher leider nicht veröffentlicht. Wäre dies geschehen, hätte sich die Öffentlichkeit überzeugen können, dass wir in mancherlei Beziehung der Staatsverwaltung näher stehen als dem kommerziellen Banksektor. Ich bin der Meinung, dass Informationen über die Gehälter Teil des Jahresberichts der Nationalbank sein sollten.

Wendet sich die Nationalbank dagegen, dass sie in ihrer finanziellen Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird, so hat das Bankratsmitglied Pavel Stepanek jedoch kein Problem damit, dass die unabhängige Oberste Kontrollkammer die Befugnis erhalten soll, die Rechnungsführung der Nationalbank zu kontrollieren. Alles, was der Transparenz diene, sei zu begrüßen. Stepanek weist allerdings darauf hin, dass sich die Nationalbank schon jetzt jedes Jahr einer Buchprüfung durch eine international führende Gesellschaft unterzieht.

Problematisch ist am neuen Nationalbankgesetz aus der Sicht der Nationalbank hingegen die Passage, die die Beziehungen von Zentralbank und Regierung regelt. Hier bemängelt Pavel Stepanek, dass die Formulierungen zu vage sind und ein Ungleichgewicht zwischen Verantwortung und Instrumentarium schaffen. Konkret ist damit die Gesetzespassage gemeint, die der Nationalbank vorschreibt, die Formulierung ihrer Inflationsziele mit der Regierung abzustimmen. So meinte Stepanek gegenüber dem Wochenmagazin Tyden:

Das Grundproblem sehe ich in den teilweise relativ unkonkret definierten Veränderungen, die die Novelle in einen Bereich bringt, wo die Kommunikation in der letzten Zeit gesamthaft relativ gut klappte. Ich betone das Wort gesamthaft. Wenn es Zweifel an diesem oder jenem Entscheid gab, sollte daraus nicht vorschnell geschlossen werden, dass das ganze Systém nicht funktioniere. Ein längerfristiger Erfolg der Zentralbank ist undenkbar ohne die Koordination mit der Wirtschaftspolitik, für die wiederum die Regierung die Verantwortung trägt. Dabei geht es einerseits darum, dass die Kommunikation keine Einbahnstrasse ist, und andrerseits ist Dialog auch ohne gesetzliche Vorschrift möglich. Leider aber steht im Gesetz, dass die Nationalbank ihre Inflationsziele und Wechselkurspolitik nicht nach Beratungen, sondern einer Vereinbarung mit der Regierung. Unter ungünstigen Bedingungen muss es nicht zu einer solchen Vereinbarung kommen. Die Gefahr ist zwar gering, doch haben die Gesetzgeber ein Systemrisiko angelegt. Für die Stabilität der Währung ist nach Verfassung die Zentralbank verantwortlich und nicht die Regierung. Damit ist eine Asymmetrie geschaffen worden. Und was soll man überhaupt unter dem Begriff Vereinbarung verstehen? Wie vorgehen, wenn keine Einigung erzielt wird? Daran ändert nichts, dass die Regierung und die Zentralbank gegenwärtig auf einer ähnlich ausgerichteten Linie liegen. Es handelt sich um einen Systemfehler, der ein Element der Instabilität in sich birgt.

Soweit Pavel Stepanek für das Wochenmagazin Tyden. Was mit dem Nationalbankgesetz weiter geschieht, bleibt nach der Rückweisung durch den Senat abzuwarten. Wie der Vizeministerpräsident für Legislativfragen, Pavel Rychetsky, vor Medien ausführte, könnte ein mögliches Szenario nach einer allfälligen erneuten Verabschiedung durch die Abgeordnetenkammer die Einigung des Parlaments auf eine Verfassungsänderung sein, die im Einklang mit den Anforderungen an den EU-Beitritt die Wahrung der Preis- und nicht der Währungsstabilität als Hauptaufgabe der Nationalbank formuliert. Denn ohne diese nötige Verfassungsänderung ist die Novelle mit dem Grundgesetz nicht konform. Für die Behebung eines weiteren derzeit gegen die Verfassung verstossenden Punkts, nämlich die Modalitäten zur Ernennung des Bankrats, ist allerdings im Parlament die nötige Mehrheit nicht in Sicht. Hier dürfte es deshalb dazu kommen, dass das Verfassungsgericht den Passus aus dem Gesetz streicht und es vorläufig bei der alten Regelung bleigt, dass der Bankrat vom Präsident frei und nicht auf Antrag der Regierung ernannt wird.

Autor: Rudi Hermann
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