Die Abwahl des Generaldirektors von Ceska televize
Die Woche ist wieder einmal wie im Flug vergangen und so begrüsssen wir Sie an dieser Stelle recht herzlich bei Im Spiegel der Medien, der Mediensendung von Radio Prag. Wir, das sind diesmal Dagmar Keberlová und Robert Schuster.
Die Entscheidung des 14köpfigen Aufsichtsrates entbehrte nicht einer gewissen Symbolik. Zum einen war fast auf den Tag genau eine ähnliche Entscheidungen bezüglich des Generaldirektors von CT vor zwei Jahren der Auslöser für den mittlerweile berühmt gewordenen tschechischen Fernsehkrieg. Damals hielten mehrere Dutzend Journalisten über mehrere Wochen hinweg - einschliesslich der Weihnachtsfeiertage - den Newsromm des öffentlich-rechtlichen Senders besetzt, um somit gegen die Bestellung des neuen Fernsehchefs Jiri0 Hodac zu protestieren, dem ein allzu starkes Naheverhältnis zu den führenden Parteien des Landes nachgesagt wurde. Die Journalisten konnten sich schliesslich durchsetzen und der kurz zuvor gewählte Generaldirektor nahm unter dem öffentlichen Druck freiwillig seinen Hut. Der zweite symbolische Aspekt bei der jüngsten personalpolitischen Entscheidung bei CT war, dass der eben gerade abgesetzte Direktor Balvin vor zwei Jahren Vielen als Hoffnungsträger galt, dem zugetraut wurde den öffentlich-rechtlichen Riesen zu reformieren, ihn konkurrenzfähiger zu machen und vor allem die tiefen Gräben nach der Revolte zuzuschütten. Ist nun die Abwahl Balvins als Ausdruck dessen zu verstehen, dass er gescheitert ist?
Die Gründe, die für die Abwahl angegeben wurden, scheinen dies auf den ersten Blick zu bestätigen, denn Balvin wurde vorgeworfen, er habe das Unternehmen zu wenig transparent geführt, oder etwa keine überzeugende Lösung der schlechten Wirtschaftslage angestrebt. Nicht alle teilen jedoch diese Einschätzung, wie aus einem Kommentar von Jan Culik, dem Herausgeber der Internet-Zeitung "Britske listy" hervorgeht. Er meint in seinem Beitrag über die wahren Gründe, die zur Abwahl Balvins führten:
"Das Tschechische Fernsehen als Institution richtet sich auch 13 Jahre nach dem Fall des Kommunismus an zwei Gesetzen. Nach dem Gewohnheitsrecht, d.h. alles wird dort so, wie schon immer, also die ganzen Jahre zuvor gemacht; und das zweite Gesetz ist das der undurchsichtigen Seilschaften und Freundschaften, das heisst, dass Aufträge nur an Bekannte und Vertraute vergeben werden."
Balvin wollte, so der Kommentar von Culik weiter, diese Gesetze zwar nicht abschaffen, aber er wollte sie nicht mehr an erster Stelle gereiht sehen. Die Quittung dafür bekam der Direktor vergangenen Mittwoch. Soweit die Meinung der Internet-Zeitung Britske listy.
Nicht nur über die Abwahl Balvins, sondern generell über den Umstand, dass der entlassene Generaldirektor bereits der Vierte Fernsehchef innerhalb der letzten vier Jahre war, machte sich der Publizist Ondøej Neff Gedanken und zwar auf den Seiten seiner Zeitschrift "Neviditelny pes", die ebenfalls ausschliesslich im Internet erscheint:
"Das Tschechische Fernsehen ist wie ein gejagtes Wild. Es scheint, als ob diese Institution für die vielen Jäger zum Abschuss freigegeben wurde. Es scheint keinen Mechanismus zu geben, der dieses Vorsichhertreiben stoppen könnte."
Die Meinung von Kommentatoren und Publizisten zur Abwahl des CT-Generaldirektors ist eine Sache. Wie empfinden jedoch die Redakteure und Journalisten des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens selbst die jüngste personalpoltische Entscheidung? Das fragte Radio Prag Jan Fingerland, der als Redakteur in der Auslandsredaktion von CT tätig ist und zu jenen Journalisten gehört, die bereits in der Vergangenheit oft das Vorgehen Balvins kritisierten.
Unsere erste Frage war, inwieweit die Abwahl des obersten Fernsehschefs nun den Betrieb der Anstalt lähmen könnte:
"Als es vor kurzem in Tschechien das grosse Hochwasser gab und das Fernsehen in seiner Berichterstattung eine Leistung von 120 Prozent fuhr, hat die Abwesenheit des Generaldirektors, der zu jenem Zeitpunkt im Urlaub weilte, unsere Arbeit nicht beeinträchtigt, also glaube ich nicht, dass die jetzige Abwahl des Generaldirektors als irgendeine grosse Katastrophe für den tagesüblichen Betrieb zu bewerten ist. Aber es stimmt, dass die immer neuen Versuche die Führungsriege des Senders zu ändern zu einer gewissen Verunsicherung unter den Mitarbeitern führen, d.h. die Atmosphäre ist nicht gut. Aber im Vergleich mit der Lage vor zwei Jahren, hat sich vieles weiterentwickelt. Man spürt schon eine gewisse Lethargie und Müdigkeit bei vielen Leuten, eben wegen diesen immer neuen Veränderungen"
Viele Journalisten, wie eben auch Jan Fingerland, kritisierten in den letzten Monaten insbesondere das neue und äusserst umstrittene Sendeschema von CT, welches u.a. zu einer Reduktion der Nachrichten- und Publizistiksendungen führte. Wie wahrscheinlich ist es, dass nun die gesamte Konzeption wieder kippen könnte?
"Das Fernsehen ist den sprichwörtlichen Atlantik-Dampfern nicht unähnlich, denn die wenden sich ja auch und ändern ihren Kurs in einem Radius von zehn Kilometern. Das heisst, nach einer Änderung an der Spitze des Fernsehens würde es mindestens ein halbes Jahr dauern, bis eventuell irgendwelche Entscheidungen Balvins rückgängig gemacht werden könnten. Damit der Nachrichtendienst anders funktionieren könnte, müssten die Verantwortlichen an der Spitze von CT mit völlig anderen Ansätzen kommen, als das bisher der Fall war. Ich denke, dass Jiri Balvin nicht ins Fernsehen gekommen ist, um die Berichterstattung und Publizistik zu vertiefen."
Es ist auffallend, dass der Fernsehrat als Begründung für die Abwahl Balvins das schlechte Wirtschaften von CT unter dessen Leitung anführte. Für Fingerland greift dieser einziger Kritikpunkt zu kurz, wie er abschliessend im Gespräch mit Radio Prag meint.
"Ich meine, dass das heutige Tschechische Fernsehen ebensowenig wirtschaftlichen Prinzipien gerecht werden kann - das vielleicht zu höchstens 20 Prozent; ebensowenig aber auch den öffentlich-rechtlichen. Die Richtung, in die sich das Fernsehen begibt, ist das Ergebnis des Zusammenwirkens von verschiedenen Einflüssen, inclusive von politischen oder auch rein persönlichen Interventionen. Mit anderen Worten es ist nicht immer ganz nachvollziehbar, in welche Richtung sich das Tschechische Fernsehen eigentlich bewegt und es lässt sich auch nicht im voraus erkennen."
Liebe Hörerinnen und Hörer, soviel unser heutiger Medienspiegel. Vom Mikrophon verabschieden sich von Ihnen Dagmar Keberlová und Robert Schuster.