Die erste GUTE TEESTUBE am Prager Wenzelsplatz
Den Prager Wenzelsplatz prägt tagsüber ein einziges Menschengewimmel. Natürlich gibt es vielseitige Möglichkeiten, sich eine Ruhepause zu gönnen: in den traditionellen grossen Hotelcafés, wie z.B. im EUROPA oder im JALTA - hier eher für die Besser-Verdiener - dann in kleinen Bistros und Caféstuben, auch bei den üblichen Mc Donalds sowie auf Bänken des Mittelstreifens, wo man jedem Wetter und dem Strassenverkehr ausgeliefert ist.
Etwa gegenüber des berühmten Jugendstil-Hotels EUROPA gibt es einen Hofzugang, der Sie von allem Getöse abschirmt und Sie an einen recht exotisch anmutenden Ort gelangen lässt. Auf dem schattigen Hof befindet sich eingangs ein terrassenartiges Podest. Die verhaltenen Ethnoklänge und gewisse feine Düfte locken uns in die Innenräume, wo man sich erstmal an den ausgestellten Dingen kaum sattsehen kann. Wenn man also nicht das Bedürfnis hat, sich wie in einer Schaufensterauslage den Blicken aller Vorübergehenden zu präsentieren - so wie es heute ein verbreiteter Trend ist - und eher einen intimeren Winkel sucht, dann bietet dafür die sog. DOBRÁ CAJOVNA - die GUTE TEESTUBE am Wenzelsplatz Nr. 14 ausgezeichneten Raum.
Die Betreiber und Kompagnons dieser Restauration mit Grosshandel, die inzwischen eine ganze Kette weiterer Teestuben in der Tschechischen Republik unterhalten, haben abenteuerliche Wege hinter sich und ganz bestimmt auch noch vor sich. Jiri Simsa, von Beruf Bauingenieur, ist einer der Drei, die das Netz geknüpft und den sog. Verein der Teegünstlinge gegründet haben. Unlängst aus dem Himalaja zurückgekehrt, unterhielt er sich mit mir abseits städtischer Hektik und bot mir einen besonderen Tee rauchigen Geschmacks an - ähnlich dem PUER, den er von dort mitgebracht hatte:
Wann und wie begann das nicht unriskante Projekt eigentlich?
"Es war im Jahre 1992, als mein Kollege und Freund Lubos Rychvalský, der hier schon einige Male draussen im Zelt eine Teestube betrieb, zu mir kam und konstatierte, dass er gern meine Fähigkeiten nutzen würde. Ich bin nämlich ein Baufachmann und beschäftige mich mit Baurealisierungen u.ä., und dass es gut wäre, unsere Interessen und Fähigkeiten zu verbinden, um eine "Teestube aus Stein" zu erschaffen. Somit gründeten wir den Verein der Teegünstlinge noch mit dem dritten Gesellschafter Ales Jirina und entschieden, Räume zu suchen, wo wir unsere gemeinsame Liebe zum Tee realisieren und erfüllen könnten."
Nach anfänglichen Schwierigkeiten sowie verschiedenen Bewerbungen und Ablehnungen, erhielten sie endlich, etwa nach dem 5. Versuch, die Räume am Wenzelsplatz zugeteilt. Das waren alte Garagen und ein Stall. Sie rekonstruierten alles in Selbsthilfe und eröffneten quasi das erste orthodoxe Tee-Restaurant im Land. Jiri Simsa meinte, dass sie damit wohl den Hauptimpuls für den sich danach entfesselnden Teestuben-Boom gegeben hätten, da sie als gewisse Vorreiter bewiesen, wie man sich mit einem guten Tee-Angebot - ohne Alkohol und als Nichtraucher-Bereich - wirtschaftlich erhalten und überleben könne.
"Und so war das, meine ich, sehr wichtig für die Übrigen, die mit dieser Idee kokettierten, aber nicht den Mut hatten und sahen, dass es tatsächlich funktionierte. Bis heute avancierte die Tee-Gastronomie zum wahrhaften Phänomen in unserer Republik und ich glaube, dass das eine einmalige Erscheinung ist. Diese Konzentration von Teestuben im Verhältnis zur Bevölkerungszahl gibt es nirgendwo auf der Welt."
Natürlich landeten die drei Idealisten ab und zu mal in einer Sackgasse, aus der sie wieder zurückfinden mussten. So erkämpften sie ihre Kompromisslosigkeit recht hart, um ihre sog. reine Linie beizubehalten.
"Wenn ich in die Vergangenheit zurückblicke, dann war wohl unser Vorhaben, die Welt zu bereisen und die Länder zu besuchen, aus denen wir den Tee einführen, von grundsätzlicher Bedeutung. Wir wollten schauen, wie es dort real aussieht, und die Kultur verstehen, um sie danach - wenigstens splitterweise - herzubringen und hier zu präsentieren. Wir haben uns nicht verschlossen, haben keine tschechische Variante geschaffen, sondern uns bemüht, natürlich auf die tschechischen Verhältnisse diejenigen Prinzipien zu applizieren, die in den einzelnen Ländern - ob nun in China, Japan, Indien, Ceylon oder der Türkei - funktionieren."
Dank der vielfach recht abenteuerlichen Reisen steckten die drei Unternehmer-Freunde im wesentlichen die gesamte Tee-Welt für sich ab. So betonen sie, dass alle ihre gereichten Tees, was die Zubereitungsweise und das Ritual beträfe, auf persönlichen Erfahrungen beruhten. Jirí Simsa erklärte das über immer wieder erlebte Begebenheiten:
"Also passiert es, dass ein Inder unsere Teestube besucht und sagt: "Dieser Tee schmeckt mir genauso, wie in Kalkutta." Es kommt ein Japaner und meint: "Dieser Tee schmeckt mir so wie bei uns zu Hause in Kyoto." Und das bedeutet für uns die grösste Wertschätzung, denn darum geht es."
Nach Eröffnung der ersten Teestube am Prager Wenzelsplatz wurde das soweit funktionierende Know-how in breiterem Rahmen auf weitere grössere tschechische Städte ausgedehnt und ausprobiert. Heute bestehen 18 Teestuben - eine sogar in der Slowakei, deren Zahl nun nicht mehr erweitert werden soll, da der Inlandsmarkt doch seine Grenzen hat. Jirí Simsa konkret dazu:
"Es gibt eben viele Teestuben, Qualität und Originalität könnten verlorengehen. Aber uns fiel ein - nachdem wir unsere Geschäftspartner beispielsweise in Japan oder Indien besucht hatten - dass es sich vielleicht lohnen könnte, dort eine Teestube zu eröffnen. Das klingt unlogisch. Wie kann ein Tscheche aus Prag Know-how nach Japan exportieren?! Die Antwort ist jedoch relativ einfach: In Japan weiss man alles perfekt über den Tee aus Japan - aber überhaupt nichts über Tee aus China oder hat absolut keine Vorstellungen über Tee aus der Türkei. Oder über die traditionelle Art der Tee-Zubereitung in Marokko, bzw. Nordafrika weiss dort auch niemand etwas."
"Als ich in Indien, wie auch Japan zu Gast war, vereinbarte ich, dass wir gemeinsam mit unseren Freunden versuchen wollen, eine Teestube zu eröffnen, wo eben das gesamte Tee-Spektrum aus aller Welt angeboten würde. Es handelt sich natürlich nicht nur um den Tee, sondern um jene Zubereitungs-Weise, um die Erklärung der Herkunft des jeweiligen Tees, wie er traditionell an welchem Ende der Welt getrunken wird. Dieser Versuch, mit unserer Teestuben-Konzeption in die Welt vorzudringen, ist noch ein gewisser Zukunftstraum."
Es gibt in der Prager GUTEN TEESTUBE ebenso den Verkauf bester Teesorten und eines breitgefächerten Zubehörs - natürlich besonders schönes Teegeschirr - Literatur etc. Neben Ausstellungen werden Vorträge über die Reisen durch die Welt meist in Form von Video-Filmen angeboten - und alles aus dem Blickwinkel der Tee-Problematik. Ab und zu finden hier auch Konzerte statt, insbesondere zur Meditation. Mit Musik war ebenfalls ein ungewöhnliches Projekt verbunden:
"Eines Tages entschlossen wir uns, die Konzerte aufzunehmen und eine CD herauszugeben. Und tatsächlich erblickte diese CD vor gut 2 Jahren das Licht der Welt. Das ganze Projekt konzipierten wir so, dass der Gesamtertrag aus dem Verkauf dieser CD der Hilfe der Flüchtlinge aus Tibet zugute kam, welche eben in der Stadt Darjeeling leben, woher wir den hochwertigen indischen Tee beziehen."
"Wir besuchten das tibetische Flüchtlingszentrum und vereinbarten die Realisierung dieses Vorhabens. Somit sandten wir Ende des vergangenen Jahres etwa 100.000 Kronen dorthin, die wir durch den CD-Vertrieb einnahmen. Gern möchte ich unterstreichen, dass sämtliche beteiligte Künstler auf ein Honorar verzichteten. Natürlich kann ich ihnen dafür nur danken, denn solch ein Zutritt ist absolut erfreulich!"
Solch einer kulturvollen Gastronomie und dem Engagement der drei Partner sowie deren Kollegen kann nur Sympathie entgegengebracht und für die künftigen enormen Vorhaben alles Gute gewünscht werden.