Die politische Sommerpause pausiert: Spidla weiterhin unter Druck
Am Donnerstag hatte man fast schon gemeint, dass nach den turbulenten Diskussionen der letzten Wochen nun ein wenig Ruhe in die tschechische Innenpolitik einkehren würde. Momentan aber sieht es nicht danach aus. Gerald Schubert berichtet:
Doch gleich am vergangenen Wochenende sorgte ein weiteres Sorgenkind der sozialliberalen Regierung von Premierminister Vladimir Spidla für Aufsehen: Nämlich die Besetzung des Postens des Justizministers. Der bisherige Ressortchef Pavel Rychetsky wird ja in Kürze ins Verfassungsgericht wechseln, die Suche nach einem Nachfolger gestaltet sich schwierig. Der zuletzt aussichtsreichste Kandidat war Vladimir Papez gewesen, der Vizevorsitzende der Anwaltskammer. Und Papez hatte auch zugesagt, das Amt annehmen zu wollen. Nun ist aber bereits alles wieder anders. Denn Papez war von Beginn an im Kreuzfeier der Kritik gestanden, weil er im Vorjahr in angetrunkenem Zustand einen leichten Verkehrsunfall verursacht hatte. Nachdem ihm die Boulevardpresse jetzt noch als Stammgast von Bordellen in seinem südböhmischen Heimatbezirk Ceske Budejovice / Budweis bezeichnet hat, warf Papez das Handtuch und informierte Regierungschef Spidla schriftlich von seiner Absage:
"Ich bin zu der Ansicht gelangt, dass es sich bei der ganzen Sache um keinen Zufall handelt, und dass auf meine Person systematisch Druck ausgeübt wird. Am Freitagabend habe ich mich dann entschieden, dem Premierminister einen Brief zu schreiben," so Papez.Spidla bleibt nun wohl nichts anderes übrig, als die Suche nach einem neuen Justizminister nochmals aufzunehmen:
"Papez hat in dem Brief gemeint, angesichts der gegenwärtigen Situation nicht noch weitere Komplikationen auslösen zu wollen, und dass er die Reform der Justiz wohl nicht durchsetzen könne. Ich jedenfalls habe Papez's Argumentation akzeptiert, die Sache ist abgeschlossen."
Bis zur Kür eines neuen Ministers könnte das Justizressort übrigens vom Premierminister selbst interimistisch geleitet werden. Jedoch ist das Sesselrücken im Kabinett nicht das einzige Problem, das der Regierung momentan den Wind ins Gesicht blasen lässt. Denn in der größten Regierungspartei, also bei den Sozialdemokraten, kriselt es schon seit mehreren Monaten. Die Uneinigkeit bei der Präsidentschaftswahl, die schließlich zum Sieg des Bürgerdemokraten Vaclav Klaus geführt hatte, hatte quasi den Anfang gemacht. Gegenwärtig steht Spidla, der ja auch Parteichef ist, vor allem wegen der eingangs erwähnten Finanzreform unter Druck. Die Mehrheit, auf die sich die Regierung im Parlament stützen kann, ist ja denkbar knapp. Die mühsam ausgehandelten Kompromisse mit den christdemokratischen und liberalen Koalitionspartnern werden von parteiinternen Kritikern Spidlas heftig attackiert. Die Parteiorganisation des ersten Prager Stadtbezirks hat nun gar die Einberufung eines Sonderparteitages gefordert. Und der Chef der oppositionellen Demokratischen Bürgerpartei ODS, Mirek Topolanek, hat Spidla in einer Fernsehdiskussion am Sonntag ins Gesicht gesagt, dass er die weiteren Abstimmungen zur Finanzreform im September gleich zur Einbringung eines Misstrauensantrages nutzen werde. Ein politisch heißer Herbst in Tschechien ist also so gut wie garantiert.