Heute am Mikrophon

Von Olaf Barth.

Für unsere heutige Ausgabe sprach ich mit einem jungen Prager, der in der Film- und Kulturszene der tschechischen Hauptstadt sehr wohl bekannt ist. Um wen es sich handelt und durch welche Tätigkeiten er zu seiner Bekanntheit gelangte, erfahren sie nun von ihm selbst:

"Ich heiße Pavel Rajcan und bin zur Zeit der leitende Geschäftsführer des Kinos Aero.

Wenn ich beschreiben soll, wie Kino Aero anfing, dann muß ich etwa 8 Jahre zurückgehen, als ein Paar Freunde und ich die Kneipe " U vystreleného oka"/ "Zum ausgeschossenen Auge" aufgebaut haben, die ein berühmter Treffpunkt des Prager Stadtviertels Zizkov ist.

Dort haben wir in den ersten Jahren versucht, auch ein Kulturprogramm zu integrieren und das Lokal wurde zu einem wahren Phänomen. Die Kneipe "Zum ausgeschossenen Auge" kennen quasi alle Prager. Aber sie wird auch von jungen Menschen aus aller Herren Länder gern besucht. Die besondere Dimension der Kneipe besteht darin, dass wir dort Konzerte, Theatervorstellungen und sogar Filmvorführungen veranstaltet haben, obwohl sie keine Bühne hat."

Damit war die im Jahr 1992 eröffnete Kneipe laut Pavel Rajcan quasi die erste mit einem solchen kulturellen Programm. Es trafen dort kreative Leute zusammen, die Lust hatten , etwas Neues aufzuziehen. Zunächst berief man in Zusammenarbeit mit Vertretern des Ziskover Magistrats größere Aktionen, wie z.B. den sog. " Zizkovský Masopust" - also den Zizkover Fasching - und das dortige Winzerfest ins Leben. Es kam schnell zu einer fruchtbaren und erfolgreichen Kooperation mit den Stadtvertretern, der Fasching z.B. feiert in diesem Jahr bereits sein achtes Jubiläum. Und Pavel Rajcan erzählt weiter...

"Und so kam es, dass etwa vor drei Jahren, das Filmunternehmen der Stadt Prag - das bis dahin fast alle Kinos in Prag verwaltete - angefangen hat, diese ehemals staatlichen Kinos den einzelnen Gemeinden anzubieten.

Manche Gemeinden reparierten die Kinos, manche schlossen sie und wieder andere versuchten, ihre Kinos zu retten, was eben hier in Zizkov der Fall war. Also schrieb man zur Pacht des Kinos Aero einen öffentlichen Wettbewerb aus. Und die Bedingungen waren dabei sehr günstig, es entschied nämlich nicht die Höhe des finanziellen Angebots, sondern die Qualität der ersonnenen Projekte.

Wir hatten nicht gerade viel Geld zur Verfügung. Aber wir entwarfen ein Projekt, das vom Magistrat positiv bewertet wurde, so dass wir das Kino zur Pacht bekommen haben. Wir haben vor etwa 3 Jahren, nämlich am 6.2. 1998 eröffnet."

Die neue Betreibergruppe um Pavel Rajcan ließ sogar eine Bühne installieren, so dass man außer Filmen auch Konzerte und Theatervorführungen anbieten konnte. Des Weiteren wurde zusätzlich eine kleine Bar und auch ein Biergärtchen eingerichtet. Und Geschäftsführer Rajcan fügt hinzu:

"Von Anfang an hatten wir die Idee gehabt, das Kino als ein etwas "anderes Kino" zu gestalten. Wir wollten nur sehr qualitative Filme vorführen, also keine kommerziellen. In der heutigen Zeit der Multiplexkinos ist es notwendig, eine Alternative zu bieten, um dem Druck dieser Komplexe Stand halten zu können. Am Anfang hat uns Jiri Kralik sehr geholfen - der Direktor der Sommerfilmschule und Autor des Projekts "Sto"/"Hundert", der schon seit vielen Jahren daran beteiligt ist, verschiedene Kunstprojekte zu organisieren. So ist es also dazu gekommen, dass wir im Aero ausschließlich nicht kommerzielle Filme zeigen. Es ist uns gelungen, neben jungen, auch ältere Menschen anzusprechen. Heute sind wir das größte Projekt dieser Art nicht nur in Prag, sondern in der ganzen tschechischen Republik."

In letzter Zeit ist man im Kino Aero damit beschäftigt, die Qualität des Kinos noch zu verbessern. Seit Kurzem verfügt man über ein Dolby-Surround-System, das, laut Herrn Rajcan, mit den Systemen der Multiplexkinos vergleichbar ist. Weitere Umbauten und vor allem der Einbau bequemerer Sitze sind geplant. Und:

"Was die Verbesserung der Qualität unseres Filmangebots angeht, haben wir unlängst angefangen Filmreihen von jeweils einem bedeutenden Regisseur vorzuführen. Diese ca.10-tägigen Schaus finden einmal im Monat statt. Bisher stellten wir die Werke von Wim Wenders, Emir Kusturica und Andrej Tarkowski vor. Das halte ich für eine wichtige Sache, denn wir zeigen nicht nur jene Filme, die in der Tschechischen Republik erhältlich sind, sondern kaufen einmalige Vorführrechte aus dem Ausland, so dass wir das Profil des Autors vollständig vorstellen können - mit allen Filmen, die er gedreht hat - z.B. Wim Wenders " Himmel über Berlin" haben wir nur durch die Hilfe des Goethe-Institutes bekommen.

Zum Ende des Jahres bereiten wir die Vorstellung des Werkes von Ingmar Bergmann, Peter Greenaway sowie Regina Ziegler vor. Wieder im Zusammenarbeit mit dem GI. Und nächstes Jahr wird schon zum zweiten Mal das Festival "Hele film a pivo" /"Schau mal: Bier und Film" veranstaltet. Es ist eine Vorschau der bayerischen Filmproduktion."

Apropos Goethe-Institut, wie sieht denn die Zusammenarbeit aus?

"Mit dem Goethe-Institut arbeiten wir ausgesprochen gut zusammen. Wir sind da wirklich an eine äußerst fähige Mitarbeiterin geraten - an Monika Stepanova. Sie hilft uns besonders beim Besorgen und gegebenenfalls bei der Einführung der Filmkopien - die Filmfestivals werden also in Zusammenarbeit mit dem Geothe-Institut organisiert . Das Goethe-Institut unterstützt uns zudem bei der Suche nach Dolmetschern und Übersetzern, bei der Promotion usw. Auch mit den anderen Kulturinstituten, z. B. mit dem polnischen oder dem britischen, funktioniert die Zusammenarbeit recht gut, aber mit dem Goethe-Institut haben wir bisher die besten Erfahrungen gemacht."

Welche der erwähnten Filmreihen, also der Profile bestimmter Regisseure oder Schauspieler, war denn bisher die erfolgreichste?

"Die am meisten besuchte war die über Emir Kusturica. Es lag vielleicht auch daran, dass wir unter anderem einen seiner besten Filme, "Arizona Dream", gezeigt haben, der noch nie zuvor in der tschechischen Distribution erhältlich war. Außerdem zeigten wir dem Publikum auch den neuen Film von Emir Kusturica, " Super Eight Stories" , den wir uns am diesjährigen Filmfestival in Berlin angeschaut und dort gleich die Rechte auf seine einmalige Projektion hier bei uns erworben haben. Somit konnten wir die allererste Vorführung dieses Filmes in Tschechien anbieten. Jetzt wird der Film auf dem Filmfestival in Karlsbad zu sehen sein, wo auch die Band von Emir Kusturica, in der er selbst mitspielt, auftreten wird."

Worauf kann sich denn speziell der an deutschen Zelluloidstreifen interessierte Aero-Fan demnächst freuen? Dazu Pavel Rajcan:

"Wie ich schon angedeutet habe, planen wir demnächst in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut drei, vielleicht vier Filmfestivals. Die Zuschauer können sich also auf Filme von Tom Tickwer, Regina Ziegler und auf das Festival der bayerischen Filme, "Hele, pivo a film"/ "Schau mal: Bier und Film" freuen. Außerdem beabsichtigen wir, die Filme von Ulrike Oettinger vorzustellen."

Hatte Pavel Rajcan denn irgendwelche Vorkenntnisse oder Erfahrungen in der Film- und Kinoszene als er mit dem Projekt Aero begann?

"Nein, leider nicht. Ich habe natürlich als üblicher Zuschauer auch Kinos und verschiedene kulturelle Veranstaltungen besucht und hatte einen allgemeinen Überblick über Filme. Aber weder ich, noch Peter Vítek, mit dem wir die Bürgervereinigung "Aero" gegründet haben, hatten Erfahrungen mit dem Betrieb eines Kinos. Dort hatte uns, wie ich bereits erwähnt habe, Jiri Králík sehr geholfen, der uns sehr ausführlich und selbstlos in die Welt des Kinobetriebes einweihte und uns alles notwendige erklärte. Dazu muß ich noch sagen, dass Kino ein spezifisches Metier ist und besonders im Aero, wo wir jeden Tag einen anderen Film vorführen, ist die Organisation der ständigen Filmtransporte recht kompliziert. Man kann also sagen, dass es ein kontinuierliches "learning-by-doing" war und noch ist."

Und damit sind wir auch schon wieder am Ende unserer heutigen Sendung angelangt.

Autor: Olaf Barth
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