Jahresversammlung von IMF und Weltbank in Prag
Herzlich willkommen bei einer weiteren Ausgabe von Wirtschaft und Wissenschaft, am Mikrofon begrüßen Sie .. und Rudi Hermann. Schon seit längerer Zeit, besonders aber in dieser Woche dominiert ein Thema die Schlagzeilen der Wirtschaftsberichterstattung in Tschechien, und nicht nur dieser - die Jahresversammlung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank in Prag. 1996 wurde dieser Anlass hierher vergeben, erstmals geht eine der im Dreijahresrhythmus ausserhalb Washingtons stattfindenden Veranstaltungen in einem Land des früheren Ostblocks über die Bühne. In dieser Sendung sind wir schon vor einiger Zeit auf einen Nebenaspekt des Treffens zu sprechen gekommen, nämlich die Folgen dieser Grossveranstaltung für die Prager Hotellerei und Prag als Kongressstadt allgemein. Heute ist die Hauptsache an der Reihe, genauer gesagt, eine Darstellung der Hauptakteure. Dieser sind der Internationale Währungsfonds und die Weltbank, zwei in Washington domizilierte Organisationen, deren Wirken in den nächsten Minuten etwas genauer betrachtet werden soll. Wir wünschen dazu guten Empfang.
Der Internationale Währungsfonds IMF und die Weltbank - zwei Institutionen, die die Reformstaaten Ostmitteleurpas auf ihrem Weg von der Plan- zur Marktwirtschaft zumindest in der ersten Phase kennengelernt haben. Denn beide Organisationen treten als Kreditgeber auf, wenn auch mit unterschiedlichen Vorgaben. Beim Währungsfonds geht es vornehmlich um das makroökonomische Umfeld, das in den jungen Reformstaaten gepflegt sein wollte, bei der Weltbank um Infrastrukturkredite, die helfen sollten, die entstehende Marktwirtschaft auf ein solides Fundament zu stellen.
Zunächst aber schnell zu Steckbrief und Geschichte der beiden Organisationen. Beide haben ihren Sitz in Washington, und gleich ist auch ihr Entstehungsjahr: 1944. Ausschlaggebend für ihre Bildung war die Wirtschaftskrise der 30er Jahre, die die Entstehung übernationaler Institutionen zur Steuerung weltwirtschaftlicher Entwicklungen und Dämpfung negativer Erscheinungen veranlasste. Auf der Basis des Völkerbunds entstanden deshalb die beiden Institutionen, zu deren Gründungsmitgliedern damals auch die Tschechoslowakei zählte. Diese trat nach dem Krieg und der erzwungenen Eingliederung in den Einflussbereich der Sowjetunion allerdings aus den Organisationen aus und kehrte erst nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in Ostmitteleuropa in sie zurück.
Die Hauptzielsetzung des Internationalen Währungsfonds besteht darin, die Staaten des sich ständig ausweitenden Welthandels bei der Erhaltung der Konvertibilität ihrer Währung und der Gewährleistung der Wechselkursstabilität zu unterstützen. Die Teilnehmerstaaten des Internationalen Währungsfonds tragen deshalb mit eigenen Einlagen zur Bildung eines Stabilitätsfonds bei, aus dem bei Bedarf Mittel bezogen werden können. Ein Ziel, das sich aus der Hauptstossrichtung des IMF ableitet, ist die Unterstützung der Teilnehmerstaaten bei der Gestaltung einer ausgeglichenen Finanzpolitik, denn diese ist die Voraussetzung dafür, dass auch der Währungskurs stabil sein kann. Der Internationale Währungsfonds verfügt derzeit über 182 Mitgliederstaaten und beschäftigt selbst 2700 Angestellte.
Das Ziel der Weltbank besteht namentlich in der Eindämmung der Armut in der Welt. Als Mittel zu deren Überwindung sieht die Weltbank die Förderung der freien Marktwirtschaft an, und entsprechend liegt ihr Schwerpunkt auf der Entwicklung von Programmen, die Staaten bei ihrem Bemühen um Marktreformen unterstützen. Mitglieder der Weltbank sind 181 Staaten, doch die Organisation ist bedeutend weiter verzweigt als der Internationale Währungsfonds und beschäftigt 9000 Mitarbeiter.
Die Bretton-Woods-Institutionen, wie der Internationale Währungsfonds und die Weltbank auch genannt werden, stehen oft in der Kritik, mit amerikanischen oder zumindest westlichen Wertmassstäben und Anforderungen die ärmeren Länder der Welt zu kolonisieren und in einer eigenständigen Entwicklung zu hemmen. Wenn weltwirtschaftliche Anlässe in letzter Zeit von mächtigen Demonstrationen gegen die Globalisierung begleitet sind, dann steht dies vor allem vor diesem Hintergrund. Dass der Währungsfonds allerdings den Regierungen dreinreden könnte, wie sie ihre Wirtschaftspolitik gestalten sollten, ist so nicht richtig. Der Fonds stellt für die Erteilung von Unterstützungskrediten lediglich seine Bedingungen, mit anderen Worten, er möchte im Gegenzug für die Gewährung von Anleihen gewisse Garantien über die - in seiner Optik - richtige Verwendung der Mittel haben. Auf diese Weise wirkte der Fonds in den letzten zehn Jahren beispielsweise in den Reformstaaten Mitteleuropas. Oft war es so, dass der Fonds mit einer Regierung ein Programm aushandelte, das die Rahmenrichtlinien der Wirtschaftspolitik definierte, die eingehalten werden mussten, wollte ein Land vom Fonds einen Kredit beziehen. Zudem knüpfte oft auch die Weltbank die Erteilung von Krediten, die nicht der makroökonomischen Stabilität, sondern konkreten Infrastrukturprojekten dienten, an ein Abkommen mit dem IMF.
So geschehen beispielsweise im letzten Jahr in Litauen: Das Land war gerade daran, sich von einer durch die Russland-Krise ausgelösten Rezession zu erholen, und bemühte sich, mit dem IMF ein sogenanntes Beistandsabkommen oder Stand-By-Agreement zu schliessen. Um das Abkommen schliessen zu können, musste sich die Regierung zu verstärkter Ausgabendisziplin im Bereich der öffentlichen Finanzen und zur Einhaltung weiterer Rahmenbedingungen verpflichten; der Währungsfonds wiederum eröffnete dem Land die Möglichkeit, bei Bedarf einen Kredit in einer bestimmten Höhe zu beziehen. Litauen allerdings strebte nicht in erster Linie den Zugang zu diesen Geldern an, sondern wollte durch das Abkommen mit dem IMF den weltweiten Wirtschaftspartnern demonstrieren, dass man sich um eine glaubwürdige Finanzpolitik bemühe. Zudem war der Abschluss des Abkommens Voraussetzung dafür, um einen von der Weltbank in Aussicht gestellten Kredit für Strukturanpassungen deblockieren zu können. Ein Abkommen mit dem Internationalen Währungsfonds ist damit nicht nur auf finanzieller, sondern auch allgemeiner Ebene ein gewisses Zeichen. Dass es nicht immer ohne Probleme dabei abgeht, zeigt beispielsweise der Fall der Ukraine. Dort wurden in der Vergangenheit wiederholt Mittel des Internationalen Währungsfonds nicht ausbezahlt, weil das Land die dazu nötigen Vorgaben in seiner Finanzpolitik nicht erreicht hatte.
Treffen sich die Vertreter von Internationalem Währungsfonds und Weltbank in Prag, so geht es darum, die Rolle der beiden Institutionen bei der Transformationspolitik in Ostmitteleuropa in den letzten 10 Jahren unter die Lupe zu nehmen. Dabei werden den beiden Institutionen auch Fehler vorgeworfen, die gerade am Beispiel der Tschechischen Republik deutlich werden. Prag wurde vom Ausland lange Zeit als Musterknabe der Transformation betrachtet - mit ausgeglichener Finanzpolitik, schneller Privatisierung und einer offenbar zügig entstehenden Marktwirtschaft. Bis 1997 der Einbruch kam und mit ihm eine schmerzhafte Zeit von Sparmassnahmen und Restrukturierung. Was hatten die Politiker falsch gemacht, die doch seitens des Internationalen Währungsfonds wiederholt Lob für ihre Arbeit einstreichen konnten? Kritiker merken an, dass der IMF sein Augenmerk zu sehr auf die makroökonomische Stabilität gelegt hatte - bei der Prag tatsächlich gute Figur machte - dafür aber zu wenig auf sogenannte institutionelle Aspekte, also das rechtliche und institutionelle Umfeld einer entstehenden Marktwirtschaft. Hier haperte es in der Tschechischen Republik beträchtlich, wie wir heute wissen, und hier muss der Fonds auch mit der Selbstkritik ansetzen.