Karpfenzucht in Südböhmen
Sicher denken Sie sich, was soll diese Geräuschkulisse bedeuten? Das komische Plätschern, die Stimmen, der summende Generator. Das alles gehört nicht etwa zu einem heiteren Beruferaten, sondern zum alljährlichen Auslassen der Fischteiche vor allem in Südböhmen, wo die legendäre Karpfenzucht seit dem 15. Jahrhundert Tradition hat.
Bevor man nicht nur in Tschechien an Heiligabend den keinesfalls fetten Weihnachtskarpfen genüsslich verspeisen kann, haben die Fischzüchter in Südböhmen alle Hände voll zu tun. Die kleinen Karpfen wachsen dank einer speziellen Fütterung mit Getreidesorten nach althergebrachter geheimgehaltener Rezeptur zu einem stattlichen Brocken von 1bis 2 Kilogramm Gewicht an. Im Herbst wird das Wasser in den Teichen jeweils fast vollständig ausgelassen, so dass an Stelle der Wasseroberfläche der schlammige Teichgrund zum Vorschein kommt und die Fischer mit grossen Netzen die zappelnden Karpfen aus dem kühlen Nass in bereitstehende Boxen verfrachten.
Wir haben einen solchen herbstlichen Karpfenfischfang in Südböhmen besucht und vor Ort mit Professor Ivan Vanicek, Wasserbauingenieur und selber Eigentümer von einigen Teichen, gesprochen. Auch ihn lockt alljährlich die spezielle Faszination dieser Veranstaltung an das Wasserufer:
"Das macht bestimmt diese Atmosphäre. Die Landschaft in dieser Jahreszeit ist sehr schön, all die rosaroten, gelben und hellbraunen Farbtöne des Herbstes. Dann der Dampf, der vom Teich aufsteigt, die leicht melancholisch aussehenden Fischer. Alles ist sehr stimmungsvoll."
Wer aber glaubt, dass man bei stahlblauem Himmel und leichtem Sonnenschein ein spannendes Karpfenspektakel mit Jahrmarktsatmosphäre erleben kann, werden doch oftmals auch heisser Grog oder frittierte Karpfenchips für die Schaulustigen serviert, liegt auf der falschen Fährte, denn Fische mögen es nicht etwa heiss sondern kühl und wenn die Sonne zu sehr scheint, ist der Sauerstoffgehalt der Teiche niedrig, die Fische drängen sich aneinander schnappen nach Luft und für die Fischer steht Schwerstarbeit auf dem Programm. Ideal für das Karpfenteich- Auslassen ist deshalb leichte Bewölkung, kühle Temperaturen und Nieselregen schadet auch nicht. Die Fischer stehen mit riesigen Gummistiefeln, Regenmänteln- und Hüten im Wasser, die südböhmischen Karpfen werden in Boxen verfrachtet und treten in vielen Fällen eine Reise nach Deutschland an. Wie er dort gegessen wird, das wusste Ingenieur Jiri Nusle, Chef eines südböhmischen Fischzuchtbetriebs zu erzählen:
"In Deutschland isst man gerne Karpfen blau. Darüber werden manchmal richtig lange Fachdiskussionen geführt. Die Grundlage besteht darin, dass man den Karpfen vorsichtig mit heissem Essig übergiesst, er erhält eine wunderschöne blaue Farbe und wird in einem Sud pochiert. Die Franzosen frittieren jeweils ganze Karpfenhälften, die sogar noch den Kopf und die Flossen haben."
Bleibt hinzuzufügen, dass der Karpfen in Tschechien vor allem paniert auf den Tisch kommt. Soweit als unsere kleine vorweihnachtliche Karpfenreportage.