Kavan in Sochaux: Entscheidung über den Botschafter in Sofia ist gefallen

Die tschechische Diplomatie ist in diesen Tagen mehr denn je gefragt. Nach dem Jahresbericht der Europäischen Kommission zu den EU-Vorbereitungen der Kandidatenländer hatten führende tschechische Politiker dem Außenministerium mit dessem Chef Jan Kavan an der Spitze Versagen vorgeworfen. Doch das im Bericht über Tschechien gefällte Urteil ist bei weitem nicht so schlecht, wie es hierzulande mithin interpretiert worden ist. Dafür schlug der Fall des tschechischen Botschafters in Sofia zuletzt hohe Wellen. Lothar Martin fasst die Ereignisse zusammen.

Am Donnerstag nahm der tschechische Außenminister Jan Kavan an der Ministertagung der Europäischen Konferenz im französischen Sochaux teil. Die Europäische Konferenz war als ein Ergebnis des EU-Gipfels im Dezember 1997 aus der Taufe gehoben worden als ein Diskussionsforum zwischen den Mitgliedsländern und den Kandidatenländern der Europäischen Union. Dementsprechend waren bei der über die Zukunft Europas geführten Debatte am Donnerstag Minister aus den 15 EU-Staaten und den 13 um die EU-Mitgliedschaft kandidierenden Staaten in Sochaux zugegen.

Kavan legte das Hauptgewicht seiner kurzen Rede besonders auf die schnelle Erweiterung der EU, da nur sie die künstliche Teilung des Kontinents definitiv beenden könne. Der Gastgeber der Tagung, der französische Minister für europäische Angelegenheiten Pierre Moscovici, erwiderte zum Thema EU-Erweiterung, es sei in erster Linie von größter Wichtigkeit, dass beim bevorstehenden EU-Gipfel in Nizza gültige Vereinbarungen zur Reform in den europäischen Institutionen getroffen werden. Über ein Datum, wann die Aufnahmeverhandlungen für den Beitritt der ersten neuen EU-Mitglieder abgeschlossen sein könnten, wollte er sich nicht äußern. Er betonte lediglich, dass der 1. Januar 2003 diesbezüglich ein gewisser Stichtag sei.

Dafür äußerte sich Tschechiens Außenminister Kavan in Sochaux umso verständlicher, was die Affäre um den tschechischen Botschafter in Sofia, Ondrej Havlin, betrifft. Havlin habe in der Vergangenheit mehrfach den Protest des bulgarischen Außenministeriums provoziert, berichteten die tschechischen Tageszeitungen am Donnerstag. Unter anderem habe der Botschafter seinem Gastland in Festreden vorgeworfen, im Zweiten Weltkrieg mit deutschen Faschisten kollaboriert zu haben und auf lange Sicht unreif für eine Mitgliedschaft in EU und NATO zu sein. Bei einem ungeklärten Zwischenfall an der Grenze soll Havlin zudem einem bulgarischen Zöllner absichtlich über den Fuß gefahren sein. Das Fass zum Überlaufen brachte jedoch die Tatsache, als Havlin Anfang dieser Woche ohne vorherige Konsultation mit dem tschechischen Außenministerium die Bürger seines Landes vor individuellen Reisen in das Balkanland wegen der dort angeblich vorherrschenden Kriminalität gewarnt hatte.

Die spanische Agentur EFE bemerkte am Donnerstag aus Sofia zu den Vorfällen, dass auch wenn sehr vieles wahr ist von dem, was der Botschafter gesagt hat, dann habe er als Diplomat nicht das Recht dazu, dies auch öffentlich zu artikulieren. So sieht es mit ziemlicher Sicherheit auch Außenminister Kavan, der in Sochaux verriet: "Ich habe mich bereits am Mittwoch früh entschieden, wie ich in der Angelegenheit vorgehen werde. Der Premier und der Präsident der Republik wurden von mir davon in Kenntnis gesetzt und jetzt wird der Vorschlag ausgearbeitet, der dem Kabinett vorgelegt wird." Unverschlüsselt kann diese Aussage nur bedeuten, dass Botschafter Havlin kurz vor seiner Abberufung steht, zumal er am Montag im Außenministerium in Prag vorsprechen muss.