Landkreiswahlen 2000

Am Sonntag, dem 12. November, finden in der Tschechischen Republik die ersten Wahlen in die neugebildeten Landkreise statt. Es ist dies ein bedeutender Schritt für die Schaffung demokratischer Strukturen in Tschechien und deren Eingliederung in die Strukturen der Europäischen Union. Die Staatsverwaltungsreform erfreut sich nicht sehr großer Beliebtheit in der Öffentlichkeit, nichts desto trotz ist diese Reform ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte der Tschechischen Republik nach dem Jahre 1989.

Aus der Geschichte der Reform



Die tschechische Verfassung, die 1993 nach der Teilung der Tschechoslowakei angenommen wurde, geht von drei verschiedenen Ebenen der staatlichen Verwaltung aus, wie es auch der "acquis communautaire" der EU verlangt.



Im Jahre 1990 löste die Regierung unter Premier Petr Pithart alle nationalen Kreisverwaltungen der ehemaligen kommunistischen Tschechoslowakei auf. Dadurch existierte auf lokaler Verwaltungsebene keine Zwischenstufe mehr, die das Verhältnis zwischen den kommunalen Behörden und den staatlichen Organen definierte. Das Pflichtenheft der nationalen Kreisverwaltungen ging teilweise in die Kompetenz von Kreisämtern über, teilweise übernahm die zentrale Staatsverwaltung diese Aufgaben. Das führte zu einer relativ starken Zentralisierung von Entscheidungsmechanismen. So konnte beispielsweise ein Lehrer in einer tschechischen Region jederzeit von einem Prager Beamten des Schulministeriums entlassen werden, was dazu führte, dass in vielen Regionen das Gefühl vorherrschte, alle wichtigen Entscheidungen würden in Prag diktiert.



Über die Größe und die Kompetenzen der neuen Landkreise führten alle im Parlament vertretenen Parteien lange Auseinandersetzungen. Einige Politiker zweifelten am Sinn einer solchen Reform. Einige Stimmen behaupten in diesem Zusammenhang, das administrative Chaos würde sich durch die neue Gebietsunterteilung verstärken, wie auch die Zahl der Beamten steigen würde. Befürworter der Reform, die sich eine größere Autonomie der Regionen wünschen, verweisen darauf, dass die Prager Staatsbeamten nur um ihre Position bangen.



Die Reform der Landkreisgliederung untersteht dem tschechischen Innenministerium, das auf die Notwendigkeit der Änderungen hinweist:



"Die Struktur der derzeitigen Kreisverwaltung stellt die größte Hürde für eine effektive öffentliche Verwaltung dar."



Erst 1997 hat das tschechische Abgeordnetenhaus das Verfassungsgesetz über größere Landesverwaltungseinheiten verabschiedet, laut dem innerhalb von drei Jahren 14 Kreise gebildet werden sollten. Die meisten Politiker waren sich darüber einig, dass das neue Gesetz noch weit von einer optimalen Lösung entfernt liege.



Am 8. 3. 2000 hat das Abgeordnetenhaus dann eine Reihe von Gesetzen verabschiedet, die die Rechtsbefugnisse der neuen Landkreisorgane festlegen (die Gesetze wurden aufgrund des Abkommens zwischen der regierenden Sozialdemokratischen Partei CSSD und zwei politischen Mitte-Rechts-Parteien, der Freiheitsunion US und der Christdemokratischen Volksunion KDU-CSL, verabschiedet). Hiermit wurde die letzte Hürde beseitigt vor den Wahlen in die neuen Landkreisvertretungen, die nunmehr mit großen Rechtsbefugnissen ausgestattet sind.

4. Plzen / Pilsen

Welche sind nun die insgesamt 14 neuen Landkreise?



1. Die Hauptstadt Prag

2. Mittelböhmen

3. Ceské Budejovice / Budweis



5. Karlovy Vary / Karlsbad

6. Usti nad Labem / Aussig

7. Liberec / Reichenberg

8. Hradec Kralove / Königgrätz

9. Pardubice / Pardubitz

10. Jihlava / Iglau

11. Brno / Brünn

12. Olomouc / Olmütz

13. Ostrava / Ostrau

14. Zlin



Die Landkreise wurden um die größeren Städte herum gebildet, die Anordnung entspricht jedoch nicht den historischen Landesteilen (im Mittelalter waren die tschechischen Länder in 12 Gebiete aufgeteilt). Neun von den 14 Kreisen haben weniger als eine Million Einwohner.



Kreise mit weniger als 600 000 Einwohnern werden 45 Vertreter haben, mit bis zu 900 000 wiederum 55 und bei Kreisen mit mehr als 900 000 Einwohnern werden es 65 Vertreter sein. Zur Wahl sind ausschließlich tschechische Bürger mit Hauptwohnsitz in dem betreffenden Landkreis berechtigt.



Die gewählten Landkreisvertreter wählen unter sich einen sogenannten Landeshauptmann.



Die Staatsverwaltungsreform hat zur Folge, dass den Landkreisen und Gemeinden größere Kompetenzen eingeräumt werden. Die Landesverwaltungsorgane werden:



- Mittel- und höhere Fachschulen gründen und schließen können,



- alle Straßen mit Ausnahme jener I. und II. Ordnung besitzen und verwalten,



- ein eigenes Budget haben und die Höhe einiger Gebühren festlegen,



- die Berechtigung haben, Gemeinden, Bürgervereinigungen und weiteren Organisationen Zuschüsse zu geben,



- innerhalb von 60 Tagen eine bestimmte Angelegenheit behandeln, wenn es zumindest 1000 Bürger des Landkreises fordern,



- durch den Landeshauptmann Gesetzesvorschläge dem Abgeordnetenhaus unterbreiten,



- für Gesundheitseinrichtungen verantwortlich sein sowie in einem gewissen Maße auch für die Konzeption der Gesundheitspolitik des Landkreises,



- eine eigene Konzeption der regionalen Entwicklung des Kreises festlegen,



- regionale Museen und Galerien betreiben.



Die Reform wird zudem weitere Veränderungen mit sich bringen:



- der Landeshauptmann kann einen Bürgermeister für eine Übergangszeit vertreten,



- wenn sich ein Fünftel der Gemeindebewohner zu einer Minderheit erklärt, werden die Namen der Straßen auch in der Sprache der Minderheit angeführt werden müssen, falls dies zumindest die Hälfte der Angehörigen dieser Minderheit fordert,



- es erhöht sich die Anzahl der Städte, die einen Oberbürgermeister haben werden, dem mehrere Bürgermeister unterstehen.



Schrittweise Einführung der Reform



Die einzelnen Schritte der Reform werden wie folgt durchgeführt:



Die neuen Landkreise sind de jure zum 1. 1. 2000 errichtet worden, tatsächlich werden sie aber erst nach den Landkreiswahlen funktionieren.



Einige Rechtsbefugnisse und Besitzerrechte werden auf die Kreise mit Beginn des Jahres 2001 übertragen. Im Jahr 2002 werden sie die Agenda jener Bezirke übernehmen, die ein Jahr später aufgelöst werden.



Die Reform und die EU



Die "Acquis communautaire" der EU verlangt eine dreistufige öffentliche Verwaltung. Die Durchführung der Reform ist also für die Mitgliedschaft Tschechiens in der EU absolut unabdingbar. Die EU lässt der regionalen staatlichen Verwaltung eine große Rolle zukommen, was auch darin zum Ausdruck kommt, dass in den letzten Jahren allein 30 Prozent des EU-Haushalts in die Regionen fließt. Die Mittel aus den strukturellen Fonds werden den Regionen nach strengen Kriterien zugeteilt. Interessant ist, dass nur fünf der neuen Landkreise groß genug sind, um nach den derzeit geltenden Richtlinien eine solche Unterstützung beantragen zu können.