Minister Tvrdík sorgt für neuen Wind im Verteidigungsressort
Mitte der letzten Augustwoche hat die tschechische Regierung beschlossen, zum 31. Dezember 2006 die nationale Wehrpflicht abzuschaffen und ab 1. Januar 2007 in der Tschechischen Republik eine Berufsarmee einzuführen. Warum dieses Vorhaben große Chancen hat, die parlamentarische Hürde zu überspringen und im Konsens mit den demokratischen Parteien im Lande gebilligt werden dürfte, dazu mehr von Lothar Martin.
"Die wenigsten wissen, dass die Tschechische Armee schon länger ihre Transformierung in eine Berufsarmee ins Auge gefasst hat. Ursprünglich ging man für dieses Vorhaben jedoch vom Zeitraum von 2010 bis 2015 aus. Die definitive Entscheidung zur Vollprofessionalisierung dieser Armee - und das wird sich selten bewusst gemacht - fiel jedoch im Verlauf unserer Verhandlungen um den NATO-Beitritt. Damals verpflichteten wir uns, rund 70 Prozent unserer Einheiten für die militärische Tätigkeit im Rahmen der Allianz vorzubereiten, was nichts anderes bedeutet, dass 70 Prozent unserer Einheiten für Einsätze im Ausland gewappnet sein müssen. Und im Ausland können anhand der gültigen Gesetze nur Berufssoldaten und keine Wehrpflichtigen eingesetzt werden."
Mit diesen Worten erklärt der junge, erst vier Monate im Amt befindliche tschechische Verteidigungsminister Jaroslav Tvrdík in einem Interview für die Tageszeitung "Lidové noviny" die Notwendigkeit zur Einführung einer Berufsarmee. Nicht erklärt wird damit aber das Vorhaben, diesen Schritt wesentlich früher zu vollziehen. Doch für diese Beschleunigung zeichnet der Minister in erster Linie selbst verantwortlich.
Der ausgebildete Berufssoldat Jaroslav Tvrdík war erst im Dezember letzten Jahres als Stellvertreter seines Vorgängers Vladimír Vetchy von diesem ins Verteidigungsministerium geholt worden mit der Aufgabe, die Vetternwirtschaft alter Seilschaften zu entflechten und für eine klares finanzielles Konzept zu sorgen. Doch da sein Vorgänger nicht die Courage hatte, entsprechende Maßnahmen auch durchzusetzen, wurde der 33-jährige Tvrdík alsbald mit der Funktion des Verteidigungschefs betraut. Und Tvrdík hat sich in seiner noch kurzen Amtszeit schon gehörig Respekt verschafft. Vor allem für seine Eigenschaft, Probleme offen beim Namen zu nennen und bei deren Lösung auch die Meinung der politischen Opposition mit einzubeziehen. Jüngstes Beispiel ist die gerade entfachte Diskussion um die Einführung einer Berufsarmee. Auch wenn alle oppositionellen Parteien zu diesem Thema eine breite politische Verhandlung zur Reform in der Armee einfordern, so sind sie grundsätzlich dazu bereit, das Regierungsvorhaben zu unterstützen. Abgeordneten- und ODS-Chef Vaclav Klaus äußerte sich nach seinem letzten Treffen mit Minister Tvrdík zudem zufrieden über die Ansichten des dynamischen Newcomers. Das ist auch wenig verwunderlich, wenn man weiß, dass Tvrdík seine Philosophie sehr nahe der des britischen Premiers Tony Blair angesiedelt hat, wonach der Vorsitzende der Labour Party fähig sei, jedwede Entscheidung anzunehmen, die für die staatliche Verwaltung Qualität verspreche. Und Tvrdík ist auch überzeugt davon, dass sich im Verteidigungssektor - im Gegensatz zu anderen Ressorts - politische Übereinkünfte erzielen lassen.
In politischen Kreisen wird schon gemunkelt, dass der pragmatische Sozialdemokrat Tvrdík selbst im Falle eines Wahlsieges von Oppositionschef Klaus im nächsten Jahr auch weiterhin dem Kabinett angehören könnte. Dann wolle er auch höchstpersönlich dafür sorgen, dass die Tschechische Armee von derzeit 53.000 Soldaten auf 35.000 Berufssoldaten im Jahr 2007 schrumpfen, ihren Auftrag innerhalb der NATO aber weitaus effizienter und professioneller als bisher erfüllen wird.