Mobil ans Ziel

Willkommen und Start frei zu einer neuen Ausgabe unseres Verkehrsmagazins "Mobil ans Ziel". Aus dem Prager Studio begrüßen Sie dazu ganz herzlich Silja Schultheis und Lothar Martin.

Zweimal jährlich - zur Hälfte und zum Ende eines jeden Jahres veröffentlicht die Vereinigung der Fahrzeugindustrie (SAP) in Tschechien die jeweils neueste Statistik über die Anzahl der hierzulande registrierten Fahrzeuge, deren durchschnittliche Lebensdauer, die Trends bei Zulassungen und Abmeldungen und dergleichen mehr. Radio Prag liegen die neuesten Zahlen vor, doch wir wollten natürlich Näheres zu ihnen erfahren. Deshalb sprachen wir mit SAP-Direktor Antonín Sípek darüber, welche Aussagekraft diese Zahlen haben und wie es generell um die Motorisierung in der Tschechischen Republik bestellt ist. Wie es diesbezüglich aussieht, das erfahren Sie gleich.

In Tschechien sind derzeit rund 4,6 Millionen Fahrzeuge registriert. Zum aktuellen Stand der Motorisierung in Böhmen und Mähren sagte uns Antonín Sípek folgendes:

"Ich möchte mit den Personenkraftfahrzeugen beginnen, was ihre Hörer wahrscheinlich am meisten interessiert. Nach zwei Jahren mit einer rückläufigen Tendenz ist es im ersten Halbjahr dieses Jahres wieder zu einem Anstieg um 65.000 Fahrzeuge bei der Registrierung in Tschechien gekommen. Warum war die Zahl der registrierten PKW´s gesunken, nachdem sie bis zum Jahr 1998 beständig gestiegen war? Nun, das kam daher, da man bis dahin sowohl neue Fahrzeuge im Inland verkaufte als auch jede Menge an Gebrauchtwagen aus dem Ausland einführte. In den Jahren 1999 und 2000 ist diese Zahl unter dem Einfluss des neuen Gesetzes über die Haftpflichtversicherung stark zurück gegangen. Es kam sozusagen zu einer ´Säuberung des Automarkts´, eine ganze Reihe von alten Fahrzeugen wurde abgemeldet und verschrottet, so dass es zu einem entsprechenden Rückgang aller registrierten Fahrzeuge gekommen ist. Doch seit Beginn dieses Jahres ist ein erneuter Anstieg zu verzeichnen."

Nach diesem Anstieg wurden Ende Juni dieses Jahres knapp dreieinhalb Millionen PKW´s mit einem Altersdurchschnitt von 13,57 Jahren in Tschechien registriert. In Prag liegt dieser Schnitt mit 11,32 Jahren wesentlich darunter, da in der kaufkräftigen Hauptstadt - so Sípek - vor allem viele Unternehmer angesiedelt sind, die sich immer wieder neue Autos leisten. Am ältesten sind dagegen die PKW´s, die im Einzugsgebiet von Pardubice verkehren, nämlich knapp 15 Jahre im Schnitt. Auf die Frage, ob der Altersdurchschnitt der in Tschechien registrierten PKW´s zufriedenstellend sei, antwortete Sípek:

"Nun, das hängt mit dem zusammen, was ich vorhin gerade gesagt habe. Das Durchschnittsalter der Fahrzeuge war vor drei Jahren noch über 14 Jahre. Aufgrund der Verschrottung vieler alter Fahrzeuge in den beiden letzten Jahren ist er auf die rund dreizehneinhalb Jahre gesunken. Das ist dennoch eine relativ hohe Zahl, denn meiner Meinung nach gibt es immer noch eine große Menge an Fahrzeugen, die wegen ihres technischen Zustands auf unseren Straßen nichts mehr zu suchen hat. Damit will ich nicht sagen, dass alle älteren PKW´s weg müssen, nein, einige sind in einem wirklich noch sehr guten Zustand, doch die Erneuerung des Automarkts müsste noch rasanter vonstatten gehen. Leider kam es bei uns nicht zu einer ähnlichen Situation wie z.B in Frankreich oder Italien, wo der Kauf von Fahrzeugen mit Drei-Wege-Katalysator steuerlich begünstigt wurde."

Wir halten dem jedoch entgegen, dass selbst bei Leasing und guten Rabattangeboten der Kauf eines Neuwagens für die meisten Tschechen sehr unerschwinglich ist. Während in Prag statistisch gesehen nahezu jeder zweite Einwohner im Besitz eines Autos ist, trifft das in den ländlichen mährischen Gegenden gerade einmal auf jeden vierten Bürger zu. Der Durchschnitt bei der Motorisierung in Tschechien liegt bei 2,94, was bedeutet, dass laut Statistik jeder dritte Tscheche über ein Fahrzeug verfügt. Dazu sagte Sípek:

"Ich denke, dass wir uns mit dieser Zahl einer ganzen Reihe der weniger entwickelten Staaten der Europäischen Union genähert haben und ich denke, dass Tschechien hinsichtlich der Motorisierung bzw. des Ausstattungsgrades der Bürger mit PKW´s nicht schlecht dasteht."

Wenn man sich jedoch den Fahrzeugpark der Tschechen etwas genauer ansieht, wird man feststellen, dass in ihm hauptsächlich die Marke Skoda vorherrscht. Luxus-Karossen können sich halt nur wenige leisten. Aber auch so hat das westeuropäische Prinzip "Zeig mir dein Auto, und ich sage dir, wer du bist!" in Böhmen und Mähren kaum eine Berechtigungschance. Auch tschechische Ärzte zum Beispiel fahren eher Skoda denn BMW. Warum das so ist, auch dazu äußerte sich Antonín Sípek:

"Selbstverständlich haben wir auch diesen Vergleich zu Westeuropa gezogen. Leider sind wir sowohl in der Tschechischen als auch in der Slowakischen Republik relativ schlecht dran, was die finanziellen Möglichkeiten zum Kauf eines Autos anbelangt. Wenn wir zum Beispiel gegenüberstellen, für wie viele durchschnittliche Monatslöhne man sich hierzulande und zum Beispiel in Deutschland ein Fahrzeug kaufen kann, dann ist das ernüchternde Ergebnis folgendes: in Deutschland kann man das für vier bis sechs Gehälter, in Tschechien für rund 20 Monatsgehälter und in der Slowakei muss man noch einige mehr investieren. Da liegen also noch Welten dazwischen, was die Kaufkraft der Bevölkerung anbelangt. Das ist jedoch nur ein Moment. Ein zweites Moment ist in gewisser Weise die Tradition. Und damit hängt auch das zögerliche Aussortieren und Verschrotten von Fahrzeugen zusammen. Hierzulande werden Autos de facto nicht ausrangiert. Ich erkläre Ihnen das am besten am Beispiel meiner Familie bzw. an mir selbst. Ich hatte selbstverständlich zunächst auch einen älteren Skoda, bevor ich mir einen Skoda Felicia zugelegt habe. Das ältere Fahrzeug habe ich natürlich nicht verkauft, sondern das bekam mein Sohn, und das ist genau das, wovon Sie gesprochen haben, dass hierzulande Fahrzeuge, solange sie nicht völlig verbraucht oder in einem schlechten technischen Zustand sind, oft an die nächste Generation weiter gegeben werden, vor allem an die jungen Fahrzeughalter, die gerade den Führerschein gemacht haben. Und deshalb erneuert sich der Fahrzeugpark in Tschechien auch so schleppend, weil noch zuwenig Autos ausrangiert und verschrottet werden."

Auf unseren Einwurf, ob die Fahrzeuge nicht generell einem regelmäßigen TÜV bzw. strengen technischen Kontrollen unterliegen, sagte Antonín Sípek:

"Selbstverständlich gibt es in Tschechien ein gleiches System an technischen Kontrollen wie in Westeuropa, in den meisten Fällen sind diese Kontrollen auf einem sehr guten Niveau und es zeigt sich, dass auch ältere Fahrzeuge der Marke Skoda vom Typ S 105 oder S 120 oft noch sehr gut in Schuss sind. Doch es gibt leider auch Kontrollstellen, wo der TÜV nicht so genau genommen wird und daher sind bisweilen auch noch Fahrzeuge im Verkehr, die dazu eigentlich keine Berechtigung hätten."

Im Gespräch mit SAP-Direktor Antonín Sípek haben wir ähnlich interessante Informationen auch zu den in Tschechien verkehrenden Motorrädern, LKW´s und Autobussen erhalten.