Mobil ans Ziel
Ahoi und Fahrt frei für eine neue Ausgabe unseres Verkehrsmagazins "Mobil ans Ziel". Am Mikrofon begrüßt sie dazu Lothar Martin.
Wenn Sie öfters als Tourist in Prag anreisen, wollen Sie sicher immer wieder das eine oder andere Neue entdecken. Die Mannigfaltigkeit der Prager Architektur, die unzähligen Museen und kulturellen Möglichkeiten sind hinlänglich bekannt. Doch wie wär´s einmal mit einer zünftigen Stadtrundfahrt? Nein, nicht das, was Sie kennen, in einem Bus oder Kleinbus der städtischen Reiseorganisationen. Etwas Originelleres und Traditionelleres habe ich schon zu bieten. Neugierig geworden? Nur ein klein wenig Geduld, gleich werden Sie es erfahren.
Wenn Sie wieder einmal das Wahrzeichen der tschechischen Hauptstadt, die Prager Burg besuchen, dann machen Sie doch einmal einen kleinen Abstecher in den nahe gelegenen Stadtteil Stresovice. Denn dort befindet sich das im ehemaligen Straßenbahnhof eingerichtete Museum der Städtischen Verkehrsbetriebe (MHD), kurz MHD-Museum genannt. Bei meinem kürzlich erfolgten Besuch der Einrichtung nutzte ich die Gelegenheit, vom Direktor des Museums, Jaroslav Papst, und vom Abteilungsleiter für Verkehr und Ökonomie, Petr Cvrtnik, interessante Details über den Werdegang und die Exponate des Museums zu erfahren. Und Sie werden erstaunt sein, was mir dabei alles berichtet wurde.
Jiri Ctrtnik erzählte mir zunächst, wie das MHD-Museum entstanden ist: "Also das MHD-Museum in den Hallen des ehemaligen Straßenbahnhofs Stresovice existiert seit 1993. Mit den ersten Sammlungen der Ausstellungsstücke wurde allerdings schon in den 20er Jahren begonnen. So wurde damals zum Beispiel sichergestellt, dass wir heute als ältestes Exponat einen von Pferden gezogen Straßenbahnwaggon vorweisen können."
Museumsdirektor Papst ergänzt: "In den siebziger Jahren entstand eine schon verhältnismäßig große Sammlung historischer Personentransportfahrzeuge, so dass die damalige Leitung der Prager Verkehrsbetriebe entschieden hat, einen Museumsrat zu bilden zu dem Zweck, sich um die Erhaltung der Fahrzeuge und der Beschaffung weiterer Exponate zu kümmern. Daraus ergab sich alsbald die Aufgabe, eine öffentlich zugängliche Sammlung zu realisieren. In der zweiten Hälfte der 80er Jahre wurde dann der Beschluss gefasst, ab Beginn der 90er Jahre den Straßenbahnhof Stresovice für museale Zwecke zu nutzen, da dieser im Rahmen der Rationalisierung aufgelöst werden sollte, was dann auch geschah."
Das Museumsgebäude war also gefunden. Jaroslav Papst weiß mir aber auch gleich mehr über die Exponate zu berichten: "Zur gegenwärtigen Zeit umfasst unsere Ausstellung schon 51 Exponate. Besonders interessant ist dabei die Tatsache, dass alle ausgestellten Fahrzeuge voll und ganz betriebsfähig sind. Wir schonen sie aber, lassen nur einige von ihnen zu Stadtrundfahrten verkehren. In der Regel holen wir sie nur alle zehn Jahre einmal heraus, wenn es gilt, bedeutende Jubiläen zu begehen."
Zu den Exponaten hat aber auch Petr Ctvrtnik einiges zu sagen: "Wenn ich mich zu den Exponaten äußern soll, dann möchte ich zuerst darauf verweisen, dass unser ältestes Ausstellungsstück ein offener Pferdeschienenwagen aus dem Jahre 1886 ist. Auf der anderen Seite gehört ein Metrowagen aus der ersten Serie, die in Prag verkehrte und der aus dem Jahr 1973 stammt, zu den neuesten Stücken unserer Exposition. Erwähnen möchte ich zudem den in Ungarn produzierten Ikarus-Bus, der hierzulande teilweise noch verkehrt und daher sehr bekannt ist. Unser Museumsstück stammt aus dem Jahr 1982."
Jaroslav Papst weiß zu ergänzen: "Sehr interessante Exponate in unserer Sammlung sind folgende: das erste elektrisch betriebene Schienenfahrzeug aus dem Jahr 1900, das seinerzeit auf einer privaten Linie verkehrte. Aber das wertvollste ist wohl der Wagen mit der Kennnummer 200. Dahinter verbirgt sich ein Salon-Straßenbahnwagen, der im Jahr 1901 hergestellt und der bei der im gleichen Jahr stattfindenden Weltausstellung in Paris erstmals gezeigt wurde. Nennen möchte ich noch den Motorwagen mit der Kennnummer 500 aus dem Jahr 1913, ein sehr unikates, weil atypisches Fahrzeug, das bereits von beiden Enden aus bedient werden konnte. Als exklusiv einzustufen ist zudem der erste O-Bus, der in Prag verkehrte. Er hat die Kennnummer 303."
Für Erhalt und Pflege der attraktiven Fahrzeuge sorgen 14 Fachkräfte, die sich vor Ort oder aber in der spezialisierten Reparaturwerkstatt in Prag-Hostivar liebevoll um die Exponate kümmern. Die Fahrzeuge werden nach Möglichkeit in einem historisch-originalgetreuen Zustand erhalten. Für kommerzielle Zwecke, wie den bereits erwähnten Stadtrundfahrten oder bestellten Ausfahrten, werden zusätzlich, je nach Bedarf, Serviceeinrichtungen installiert. Diese Fahrten erfreuen sich eines starken Zuspruchs, sowohl von in- als auch ausländischen Interessenten. Petr Cvrtnik erzählt mir zunächst, welche und wie viele Fahrzeuge zum Einsatz kommen: "Als ältester Wagen ist die Straßenbahn mit der Kennnummer 240 in Betrieb. Sie wurde 1908 hergestellt. Zu ihr gehört der Anhängerwaggon 628, der ein Jahr später produziert wurde. Vom anderen Ende her gesehen ist die Straßenbahn aus dem Jahr 1942, die wir als "ponorka" (Unterseeboot) bezeichnen, die jüngste, die im Stadtbild zu sehen ist. Für die bestellten Ausfahrten und die betriebene regelmäßige Linie 91 werden von uns zur Zeit sieben Triebwagen und acht Anhänger eingesetzt."
Zur Touristenlinie 91 befragt, sagt Petr Cvrtnik außerdem: "Die regelmäßige Linie 91 bedienen wir von April bis Mitte November, und zwar immer sams- und sonntags sowie an Feiertagen. Seit diesem Jahr verkehrt die Linie auf einer veränderten, ich würde sagen, attraktiveren Trasse, und zwar vom Straßenbahnhof Stresovice zum Ausstellungsgelände und zurück. Daher kann man einen Museumsbesuch auch sehr gut gleich mit solch einer Fahrt verbinden. Die guten Besucherzahlen in diesem Monat geben uns Recht, dass wir mit dieser Änderung eine gute Wahl getroffen haben."
Museumsdirektor Papst weiß mir überdies zu berichten, dass auch schon allerlei Prominenz von den Ausfahrten mit den historischen Prager Straßenbahnen Gebrauch gemacht hat: "Eine Ausfahrt auf Bestellung kann man eigentlich ganzjährig buchen, denn wir bieten diese Fahrten zu jeder Tages- und Jahreszeit an. Diese Tatsache wird ausgiebig genutzt. Und was die Prominenten anbelangt, die uns mit ihrem Besuch erfreut haben, da gibt es gleich mehrere zu nennen:
- 1999 war zum Beispiel der gerade vermählte belgische Kronprinz hier gewesen. Am Tag seiner Hochzeit war er nachmittags mit der Braut und den Hochzeitsgästen schnell mal im Privatjet nach Prag geflogen, um zur bleibenden Erinnerung mit der Straßenbahn durch Prag zu fahren. Nach einer Feier auf der Prager Burg ging es gegen Mitternacht wieder zurück nach Belgien.
- Oder da wäre die Fürstenfamilie aus Monaco zu nennen, die es sich samt ihrer Verwandtschaft Jahr für Jahr nicht nehmen lässt, eine Stadttour mit der Traditionsbahn zu unternehmen. Dabei ist es nichts Außergewöhnliches, dass die Rainiers am Ende der Woche, in der sie Prag besuchen, die Stadtrundfahrt noch einmal wiederholen.
- Der letzte hohe Besuch, den wir hatten, fand im Juni vergangenen Jahres statt. Im Rahmen seines offiziellen Besuchs in Tschechien als Gast des hiesigen Parlaments konnten wir Johnson Russell, den Vorsitzenden des Europarates, begrüßen. Bei dieser Gelegenheit haben wir gerade den Triebwagen mit der Kennnummer 412 aus dem Jahr 1920 nach eingehender Überprüfung wieder in Betrieb genommen.
Doch auch die einheimischen Bürger nutzen unser Angebot sehr gut aus, sei es zu Hochzeiten, Lebensjubiläen, Betriebsfeiern oder ähnlichen Anlässen."
Viel könnte ich Ihnen noch über das Museum und seine Exponate erzählen. Doch leider reicht die Zeit nicht aus, um alles zu schildern. Deshalb besuchen Sie es doch am besten selbst einmal, und zwar - wie bereits erwähnt - von April bis November an jedem Sams-, Sonn- und Feiertag. Wer zudem noch eine außerplanmäßige Ausfahrt bestellen will, hier noch ein abschließender Hinweis: faxen Sie an das MHD-Museum Prag unter der Vorwahl (für Tschechien und Prag) 004202 und der Fax-Nr.: 312 33 49.