Mobil ans Ziel

Ahoi und Start frei zu einer neuen Ausgabe unseres Verkehrsmagazins "Mobil ans Ziel". Aus dem Prager Studio begrüßt Sie Lothar Martin.

Die neue tschechische Straßenverkehrsordnung, die seit dem 1. Januar dieses Jahres in Kraft ist, hat so einige Neuerungen mit sich gebracht, auf die man sich einstellen musste. Zum Beispiel auf das Fahren mit Abblendlicht tagsüber im Winterhalbjahr, das Vorrecht der Fußgänger beim Überqueren der Fahrbahn auf dem Zebrastreifen oder die Helmpflicht für Zweiradfahrer, sofern sie Straßen I. Ordnung benutzen. Diese und weitere Neuregelungen haben mittlerweile im Alltag Fuss gefasst und sich mehr oder minder bewährt.

Doch es gibt auch Anordnungen in der StVO, die auf Unverständnis, ja auf Widerstand stoßen, da sich über deren Sinn bzw. Unsinn trefflich streiten lässt. Eine dieser Anordnungen tritt - nach einer dreimonatigen Übergangsfrist - am 1. April in Kraft und betrifft alle vorübergehend in Tschechien lebenden Fahrzeughalter. Es handelt sich um den Paragrafen 116 der neuen StVO, nach dem alle ausländischen Personen, die sich länger als 185 Tage im Jahr in der Tschechischen Republik aufhalten, ab sofort zum Führen ihres Fahrzeugs im Inland einen tschechischen Führerschein benötigen. Zum Erwerb dieses Führerscheins müssen sie bei der Antragstellung auf dem für ihren hiesigen Wohnsitz zuständigen Bezirksamt u.a. auch ihren ursprünglichen Führerschein abgeben, den sie nach Ablauf der Aufenthaltsgenehmigung auf der ausstellenden Behörde in ihrem Heimatland zurück erhalten. Mit anderen Worten: auch alle längerfristig in Tschechien tätigen Geschäftsleute und hier lebenden Bürger aus Deutschland, Österreich und der Schweiz müssen sich für die Dauer ihres Aufenthaltes in Tschechien von ihrem gewohnten Führerschein trennen und einen tschechischen erlangen, sofern sie hierzulande ab dem 1. April ein Fahrzeug bewegen wollen. Eine Regelung, die mehr als nur Kopfschütteln unter den Betroffenen auslöst. Zwei von ihnen, nämlich meine Kollegen Silja Schultheis und Olaf Barth, reagierten auch entsprechend verärgert, als ich sie fragte, was sie von dieser Anordnung halten:

Um zu erfahren, welcher Grund den hiesigen Gesetzgeber dazu bewogen hat, diese Regelung einzuführen, fragten wir den stellvertretenden Verkehrsminister des Landes, Ing. Pavel Braha: "Der Grund dafür ist auch das Gesetz über den Aufenthalt von Ausländern auf dem Gebiet der Tschechischen Republik, welches wie Sie wissen gegenwärtig den Aufenthalt in einen längerfristigen und einen kurzfristigen unterteilt, und zwar in Form eines Visums. Ein Visum bis zu 90 Tage entspricht einem kurzfristigen Aufenthalt, ein Visum über 90 Tage wiederum einem längerfristigen Aufenthalt. Aber ein ausländischer Bürger, der sich in der Tat länger als 185 Tage in Tschechien aufhält, ist verpflichtet, innerhalb von drei Monaten einen Antrag zum Austausch seines Führerscheins gegen ein tschechischen zu stellen, sofern er hierzulande ein Fahrzeug führen will."

Unserer Frage, ob diese Maßnahme nicht einer neuerlichen bürokratischen Schikane gleichkommt, entgegnete Vizeminister Braha: "Ich bin der Meinung, dass es hier zu keiner Diskriminierung kommt, sondern vielmehr dazu, dass jeder Fahrzeugführer nach einheitlichen Unterlagen behandelt und abgefertigt wird. Und sicher wissen Sie, dass nicht alle Führerscheine den Standards und Normen der Europäischen Union entsprechen. Nehmen Sie zum Beispiel die Führerscheine von Fahrern aus Russland und Weißrussland - was sind das für Papiere und nach welchen Kriterien sollen sich die kontrollierenden Polizisten orientieren, wenn sie auf solche Ausweise stoßen?"

Also wieder einmal - wie sooft in der jüngeren Zeit der tschechischen Bürokratie - sind die Ausländer aus den östlich der Tschechischen Republik gelegenen Länder dafür "verantwortlich", dass man hierzulande zu der Auffassung gelangt ist, internationale Übereinkommen wie die Vereinbarungen über den Straßenverkehr von Wien 1968 und von Genf 1949 neu interpretieren zu müssen. Und zwar in der Form, dass man erneut - wenn auch nur für eine Übergangszeit - eine "tschechische Lösung" zur Standardisierung von multikultureller Vielfalt finden muss. Die sog. Übergangszeit soll mit dem Beitritt der Tschechischen Republik in die EU enden. Und bis dahin soll - so paradox es klingen mag, der für Ausländer ausgestellte tschechische Führerschein in EU-Ländern gültig sein, ein entsprechender EU-Führerschein in Tschechien aber nicht. Auch wenn diese Regelung nicht für Touristen und Kurzurlauber in Tschechien gilt, sondern - was ebenso widerspruchsvoll erscheint - nur für die hierzulande längerfristig lebenden Ausländer. Dazu erklärte Pavel Braha: "Es existiert in der Tat eine Vereinbarung darüber, dass von den in Tschechien lebenden Ausländern bei einer polizeilichen Kontrolle in ihrem Heimatland nicht der ursprüngliche Führerschein verlangt wird, da sie in ihrem Pass den längerfristigen Aufenthalt in Tschechien vermerkt haben. Und in Verbindung mit diesem Vermerk besitzt der tschechische Führerschein auch in den Ländern der EU seine Gültigkeit."

Über diese Aussage des stellvertretenden tschechischen Verkehrsministers können die Betroffenen nur verwundert die Stirn runzeln. Denn auf meine Frage, ob man dieser Regelung Glauben schenken darf, erwiderte Olaf Barth:

Silja Schultheis wiederum konnte ihre Empörung über diese Anordnung nicht verbergen: