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Topolánek hat heute den Rücktritt seines Kabinetts eingereicht
Der am Dienstag gestürzte Premierminister Mirek Topolánek hat heute Nachmittag bei Staatspräsident Václav Klaus den Rücktritt seines Kabinetts eingereicht. Die Regierung bleibt aber bis auf weiteres geschäftsführend im Amt. Nun muss der Präsident über die weitere Vorgangsweise entscheiden. Er hat dabei freie Hand und ist an keine Fristen gebunden. Den bisherigen Gepflogenheiten nach wird der Vorsitzende der stimmenstärksten Partei mit der Bildung eines neuen Kabinetts beauftragt. Politische Beobachter halten dies wegen des belasteten persönlichen Verhältnisses zwischen Klaus und Topolánek allerdings für unwahrscheinlich. Spekuliert wird etwa über die Bildung einer Expertenregierung oder einen Regierungsauftrag für den Prager Oberbürgermeister Pavel Bém.
Präsident Klaus will neue Regierung noch vor Ende der EU-Ratspräsidentschaft
Präsident Klaus erklärte nach einem Treffen mit dem abgewählten Premierminister Mirek Topolánek, er wolle nicht, dass die abgewählte Regierung noch lange im Amt bleibe. Noch vor Ende der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft und noch vor Neuwahlen würde er den Regierungsauftrag jedem erteilen, der die absolute Mehrheit der Parlamentsabgeordneten hinter sich weiß, sagte Klaus. Wegen der Finanzkrise und des EU-Vorsitzes brauche Tschechien eine Regierung mit einem vollwertigen Mandat. Die neue Regierung soll nach Klaus’ Meinung auf einer politischen Einigung im Abgeordnetenhaus basieren. Eine Regierung, die sich auf so genannte Überläufer im Parlament stützt, lehnt Klaus ab. Auch Premier Topolánek sagte, die Zeit dränge. Er glaube aber nicht, dass die neue Regierung ein ausreichendes Mandat haben werde. Er trete daher für Neuwahlen zum schnellstmöglichen Zeitpunkt ein, sagte Topolánek.
Grünen-Chef Bursík nennt Klaus’ Bedingungen für Regierungsbildung unerfüllbar
Der Vorsitzende der Grünen und geschäftsführende Vizepremier Martin Bursík hat die Bedingungen, die Präsident Klaus an die Bildung einer neuen Regierung knüpft, für unerfüllbar. Bursík interpretierte diese Bedingungen heute Nachmittag als einen Versuch des Präsidenten, auf eine große Koalition aus Bürgerdemokraten und Sozialdemokraten hinzuwirken. Auch Sozialdemokraten-Chef Jiří Paroubek erklärte, die Bedingungen von Klaus seien schwer zu erfüllen. Gerade mit der Unterstützung durch so genannte Überläufer müsse man rechnen, sagte Paroubek. Präsident Klaus hat für Freitag Paroubek und den Chef der Christdemokraten, Jiří Cunek, zu Gesprächen auf die Prager Burg eingeladen. Grünen-Chef Bursík hat bislang noch keine Einladung erhalten.
Sozialdemokraten wollen Regierung vorerst bis zum Ende der EU-Ratspräsidentschaft unterstützen
Die größte tschechische Oppositionspartei, die Sozialdemokraten, wollen die abgewählte Regierung bis zum Ende des tschechischen EU-Vorsitzes im Juni unterstützen. Dies sagte heute der Vorsitzende der Partei, Jiří Paroubek. Er halte es nicht für schlau, nun sofort die Regierung auszutauschen. Die Unterstützung seiner Partei gelte aber nur für EU-Angelegenheiten. Die Sozialdemokraten seien bereit, die Regierung bis zum Ende der EU-Ratspräsidentschaft zu „ertragen“, so Paroubek wörtlich. Danach solle bis zu Neuwahlen eine Expertenregierung die Amtsgeschäfte leiten. Eine Beteiligung seiner Partei an einer Übergangsregierung mit Topoláneks Bürgerdemokraten bis zu vorgezogenen Neuwahlen lehnte Paroubek ab.
Gegenseitige Schuldzuweisungen für das Scheitern der Regierung
Der abgewählte Premierminister Mirek Topolánek ist überzeugt, dass Präsident Václav Klaus und der Prager Oberbürgermeister Pavel Bém mitverantwortlich am Scheitern der Regierung sind. Sie hätten die abtrünnigen Abgeordneten der Regierungskoalition überredet, gegen das Kabinett zu stimmen. Dies sagte Topolánek gestern Abend im Tschechischen Fernsehen.
Pavel Bém nannte heute das Verhalten Topoláneks „unfair und feige“. Der Premier versuche die Verantwortung für das Scheitern seiner Regierung abzuwälzen, so Bém. Ein Interesse am Amt des Regierungschefs dementierte der Prager Oberbürgermeister. Seiner Meinung nach sollte Topolánek als Chef der stärksten Parlamentspartei eine neue Chance bekommen.
Unterdessen äußerte auch der Vorsitzende des tschechischen Senats, der Bürgerdemokrat Přemysl Sobotka, die Vermutung, es müsse noch vor dem Sturz der Regierung eine Vereinbarung zwischen Oppositionsführer Paroubek und Präsident Klaus gegeben haben.
Auch Österreich erwartet reibungslose Fortsetzung der tschechischen Ratspräsidentschaft
Der österreichische Vizekanzler Josef Pröll sagte gestern gegenüber der Presseagentur APA, er sehe in der tschechischen Regierungskrise „kein Problem für die EU“. Der konservative Politiker lobte die bisherige Arbeit der tschechischen Ratspräsidentschaft, die in der aktuellen Wirtschaftskrise „sehr viel Input geliefert“ habe. Er sei überzeugt, dass Tschechien den EU-Vorsitz erfolgreich zu Ende führen werde.
Špidla: Wirtschaftskrise wird EU-Kohäsionspolitik auf Jahre hinaus prägen
Laut dem tschechischen EU-Kommissar für Arbeit und Soziales, Vladimir Špidla, wird die Wirtschaftskrise in den kommenden Jahren die Kohäsionspolitik der EU prägen. Špidla sagte dies heute in Prag auf einer internationalen Konferenz. Der tschechische Minister für Regionalentwicklung, Cyril Svoboda, merkte dazu an, die Kohäsionspolitik habe langfristigere Ziele als nur die Lösung der Wirtschaftskrise. Über die Zukunft der Kohäsionspolitik werden im April auch die EU-Minister für Regionalentwicklung in Mariánské Lázně verhandeln. Sie macht ein Drittel des EU-Etats aus und hat die Verringerung der Unterschiede zwischen den Regionen zum Ziel.
Tschechische 16-Jährige haben mehr Erfahrungen mit Drogen als die Gleichaltrigen in Europa
Die tschechischen 16-Jährigen haben im Vergleich mit Gleichaltrigen in Europa die meisten Erfahrungen mit Drogen. Dies ist das Ergebnis der Studie der europäischen Forschungsgruppe ESPAD. Demnach haben fast die Hälfte aller tschechischen 16-Jährigen schon einmal illegale Drogen konsumiert, vor allem Marihuana. Fast ein Zehntel hat laut der Studie auch Erfahrungen mit härteren Drogen wie Kokain und Heroin gemacht. Die Studie wurde in den letzten 12 Jahren in 26 Ländern durchgeführt. Im Untersuchungszeitraum sei der Drogenkonsum von Minderjährigen in den meisten Ländern zurückgegangen. In Tschechien und der Slowakei habe sich die Situation aber verschlechtert.
Prager Filmmusik-Festival wird 2009 nicht stattfinden
Das Festival MOFFOM, „Music on film – Film on music“, das sich insbesondere dem Einsatz von Musik in Filmen widmet, wird in diesem Jahr nicht stattfinden. Die Organisatoren gaben heute mangelnde finanzielle Unterstützung als Grund für die Absage des diesjährigen Festivals an. MOFFOM fand seit 2003 jedes Jahr im Oktober in Prag statt. Das Festival hat sich zur Aufgabe gemacht, besondere Leistungen auf dem Gebiet der Filmmusik zu fördern.
Neues Buch von Milan Kundera in Frankreich erschienen
In Frankreich ist heue ein neues Buch des französisch-tschechischen Schriftstellers Milan Kundera erschienen. Die Sammlung von Essays trägt den Titel „Une rencontre“, auf Deutsch „Eine Begegnung“ und beschäftigt sich mit existenzialistischen und ästhetischen Aspekten im Werk von Größen der Weltliteratur wie François Rabelais, Fjodor Dostojewski und Gabriel García Márquez. Auch mit der Malerei setzt Kundera sich in „Une rencontre“ auseinander. Französische Literaturkritiker bewerteten das Buch als typische Antwort Kunderas auf die Vorwürfe im vergangenen Herbst, er habe in den 50er Jahren einen Mitstudenten beim kommunistischen Geheimdienst der Tschechoslowakei angezeigt. Milan Kundera wird am 1. April 80 Jahre alt.
Das Wetter am Freitag, 27.3.: bewölkt und Niederschläge
Am Freitag wird es in Tschechien weiterhin bewölkt sein. Mit häufigen Regenschauern ist zu rechnen, über 900 Meter fällt Schnee. Die Tageshöchsttemperaturen liegen bei 6 bis 10 Grad Celsius.