Nachrichten Dienstag, 19. Oktober, 1999

Minderheiten in Tschechien unzufrieden mit Beitrittsvorbereitungen

Die in der Tschechischen Repüublik lebende polnische Minderheit äusserte ihre Unzufriedenheit über den Stand der Vorbereitungen der Tschechischen Republik auf den Beitritt zur Europäischen Union. Wie die Nachrichtenagentur ctk am Montag den Vorsitzenden des Rates der Polen in Tschechien, Vavrinec Fojcek zitierte, vergrösserten sich die Unterschiede in den Vorbereitungen zwischen Tschechien und Polen. Er könne sich nicht vorstellen - dass die Oder einmal Grenzfluss im Rahmen des Schengener Abkommens werde. Es liege im Interesse der rund 50.000 Bürger polnischer Nationalität und der Entwicklung der ganzen Region, das der tschechisch-polnische Personen-, Dienst und Kapitalverkehr in Schlesien so frei wie möglich sei. Ausserdem garantiere die gemeinsame zukünftige Mitgliedschaft Polens und Tschechiens der polnischen Minderheit den Zugang zur polnischen Kultur und Sprache. Fojcek zufolge seien auch die anderen nationalen Minderheiten über die "laue Einstellung" der Tschechischen Republik zu ihrem EU-Beitritt unzufrieden.

Visegrader Treffen befasst sich mit Minderheiten- und Menschenrechtsfragen

Die Slowakei will für Dezember ein Treffen alle Länder der Visegrader Gruppe - deren Mitglieder neben Tschechien und der Slowakei auch Polen und Ungarn sind, initiieren, auf dem man sich gemeinsam mit der Problematik der nationalen Minderheiten, der Menschenrechte und speziell der Frage der Roma- Minderheit befassen will. Dies erklärte am Montag auf einer Pressekonferenz der slowakische Vizepremier Pal Csaky. Für die tschechische Seite versprach der für die Legislative zuständige Vizepremier Pavel Rychetsky seine Teilnahme.

Protestaktionen gegen "Mauer" in Usti n.L. (Aussig an der Elbe)

Eine Serie von Protestaktionen gegen die Mauer in der Maticni-Strassse im nordböhmischem Usti nad Labem, die nichtzahlende Mieter - zumeist Roma - von den anderen Anwohnern trennt - haben verschiedene Roma-Organisationen im ganzen Land für Oktober und November angekündigt. Die erste soll am Freitag im ostböhmischen Pardubice stattfinden. Wie der Sprecher der regionalen Roma-Organisation - Ondrej Gina - erklärte - sei die Situation der Roma in Tschechien hoffnungslos. Nicht einmal internationale Institutionen könnten zu einer Änderung der Situation beitragen. Es bliebe nur die Ausreise der Roma. Den Bau der Keramikmauer hatte vergangene Woche auch EU- Kommissar Günther Verheugen kritisiert. Allerdings teilte sein Kollege Jürgen Schröder vom Europa-Parlament nach seinem Besuch der Stadt Usti nicht die Ansicht, dass es sich um eine rein rassistische Angelegenheit handle. Hier sei Schröder zufolge vor allem ein soziales Problem zu lösen.

Tschechische Bürger bei tschechischer Fluggesellschaft intern als "Roma" registriert

Wie am Montag von einem Angestellten der Londoner Zweigstelle der tschechischen Fluggesellschaft CSA bestätigt wurde, wurden tschechische Bürger, die einen Flug nach England gebucht haben und entweder einen roma- klingenden Namen hatten bzw. wie Roma aussehen, intern als solche registriert. Dies sollte angeblich den britischen Behörden die Abfertigung derjenigen Passagiere, die keinen Asylantrag stellen, erleichtern. Der Chef der Londoner Zweigstelle versicherte, dass diese Methode nicht mehr zur Anwendung kommen soll. Zu Beginn des Asylverfahrens muss sich die tschechische Fluggesellschaft britischen Gesetzen zufolge an den Kosten des Aufenthalts der Asylantragsteller bzw. derjenigen, deren Dokumente nicht in Ordnung sind beteiligen. Die Zahl der Asylanträge von Roma ist in diesem Sommer wieder gestiegen und erreichte eine Rekord von 255 Roma-Familien, wobei diese sehr gross sind.

Sozialdemokraten über "Superkoalition"

Die regionale Parteiorganisation der Sozialdemokraten aus dem nordböhmischen Decin hat sich am Wochenende gegen die von der ODS angekündigte Superkoalition aller demokratischen Parlamentsparteien mit Ausnahme der Kommunisten ausgesprochen. Darüber informierte der Chef des Kreisverbands der CSSD Jaroslav Foldyn mit der Begründung, dass eine solche Koalition nicht funktionstüchtig und unfähig sei, auf die wahren Bedürfnisse des Grossteils der einfachen Leute einzugehen. Über die sog. Superkoalition zwischen den regierenden Sozaidlemokraten und den restlichen konservativen- liberalen Parlamentsparteien sollen Montag abend die Vertreter der beiden stärksten Parteien - der Sozialdemokraten und der ODS - verhandeln. Die sog. Viererkoalition aus Christdemokraten und Freiheitsunion sowie der Senatspartei ODA und der ausserparlamentarischen DEU machen die Auflösung des sog. Oppositionsvertrags zwischen Sozaildemokraten und ODS zur Bedingung für den Verhandlungsbeginn über eine Regierungsumbildung bzw. eine Superkoalition.

"Verfassungsänderung" letzter Trumpf gegen Superkoalition

Die Änderung der Verfassung und des Wahlgesetzes stellen Worten des Vorsitzenden der mittelböhmische Organisation der Sozialdemokraten Milan Urban zufolge zur Zeit keine Priorität der Sozialdemokraten dar. Der zwischen den Sozialdemokraten und der ODS nach den letzten Parlamentswahlen abgeschlossene Oppositionsvertrag sieht diese jedoch vor. Urban bestätigte damit den Standpunkt des sozialdemokratischen Fraktionschefs Stanislav Gross vom Wochenende. Durch die Forderung der ODS über eine Regierungsneubildung mittels einer Superkoalition sei nämlich - so Urban - die Existenz des Oppositionsvertrags gefährdet.

Präsident erteilt Gnade

Der tschechische Präsident Vaclav Havel erteilte einer Frau, die sich und ihre Kinder umbringen wollte und zu einer Gefängnisstrafe von fünf Jahre verurteilt worden war, auf Empfehlung eines Psychologen und einer Sozialarbeiterin die Gnade unter Bewährung auf 5 Jahre. In der Begründung heisst es, das sich die Frau sehr gut um die Kinder sorge und diese emotional stark an die Mutter gebunden seien. Die psychischen Probleme der Frau waren vor allem in ihrer Ehe begründet. Präsident Havel sah sich in der Vergangenheit immer wieder seiner Entscheidungen über die Erteilung der Gnade wegen der Kritik von allen Seiten ausgesetzt. Sie ist auch ein umstrittener Punkt in dem gemeinsamen Bemühen der Sozaildemokraten und der ODS um eine Beschneidung der Kompetenzen des Präsidenten im Rahmen einer Verfassungsänderung. In diesem Fall ist sogar die Zustimmung der Kommunisten sicher.

Irland-Tschechien

Zu einem ersten offiziellen Besuch der Tschechischen Republik kommt am Montag nachmittag die irische Präsidentin Mary McAleese nach Prag . Zu Beginn des viertägigen Aufenthalts triffts sich McAlees am Dienstag mit ihrem tschechischem Amtskollegen Vaclav Havel sowie mit Regierungschef Milos Zeman und Abgeordnetenchef Vaclav Klaus. Bei den Besuch der iriischen Präsidentin handelt es sich um einen Gegenbesuch zu dem des tschechischen Präsidenten und damaligen Premiers Klaus vor drei Jahren in Irland.

Tschechien-Montenegro

Mit dem Präsidenten von Montenegro - Milo Djukanovitsch - wird am Mittwoch ein weiterer politischer Gegner von Milosewitsch in diesem Jahr in der Tschechischen fRepublik erwartet. Vor Djukanovitsch, der - so die tschechischen Nachrichtenagentur ctk - schon seit Jahren eine Rückkehr seiner kleinen Republik in die zivilisierte Welt versucht - waren in Prag bereits der Chef der Oppositionspartei von Montenegro Zoran Djinditsch, Ende September eine weiteres Oppositionsmitglied der Chef der serbischen Bewegung für Erneuerung, Vuk Draskovitsch und vor wenigen Tagen auf dem von Havel initiierten Forum 2000 der Chef der liberalen in Montenegro - Slavko Perovitsch.

Bombendrohung verhinderte Gerichtsverhandlung

Die für Montag geplante Gerichtsverhandlung zum Streitfall zwischen dem amtierenden Minister Jaroslav Basta und dem von ihm der Zusammenarbeit mit der Staatspolizei (StB) beschuldigte ehemalige Direktor des nachrevolutionären zivilen Geheimdienstes (BIS) Lubos Dolezal musste heute wegen einer anonymen Bombendrohung verlegt werden. Minister Basta hatte Dolezal im vergangenen Mai beschuldigt, an den Polizeieinsätzen von November 1989 beteiligt gewesen zu sein. Dieser stritt das ab und verlangte eine finanzielle Entschädigung in Höhe von einer Million Kronen sowie eine Entschuldigung.