Nachrichten Dienstag, 24. Oktober, 2000
Von Lothar Martin
Kavan und Schüssel werden in Wien vermutlich auch über Temelin sprechen
Der tschechische Außenminister Jan Kavan wird am Dienstag in Wien mit dem österreichischen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und dem Vorsitzenden des Nationalrates des österreichischen Parlaments Heinz Fischer zusammen treffen. Obwohl diese Begegnungen am Rande des Vertragsabschlusses über die Entschädigung der während des zweiten Weltkriegs in Österreich tätigen tschechischen Zwangsarbeiter stattfinden wird, lässt sich davon ausgehen, das auch Gespräche über die bilateralen tschechisch-österreichischen Beziehungen geführt werden, sagte der Sprecher des tschechischen Außenministeriums Ales Pospisil am Montag der Nachrichtenagentur CTK in Belgrad. Vornehmlich werde es dabei um das umstrittene südböhmische Kernkraftwerk Temelin gehen, gegen dessen endgültige Inbetriebnahme sich nicht zuletzt die Untere Kammer des österreichischen Parlaments in einer Resolution ausgesprochen hat.
Am österreichischen Staatsfeiertag, dem 26. Oktober, wird es überdies am österreichisch-tschechischen Grenzübergang Neu-Nagelberg/Halamky zu einer Protestversammlung und einer ökomenischen Messe gegen den Atommeiler kommen. Das teilte am Montag die Nachrichtenagentur APA unter Berufung auf den Arbeitskreis gegen Atome "Waldviertel" und die überparteiliche Plattform "Stopp Temelin" mit.
Derweil hat eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts IVVM ergeben, dass innerhalb der tschechischen Bevölkerung 71 Prozent der Bürger f ü r und nur 16 Prozent g e g e n die Inbetriebnahme von Temelin sind. 16 Prozent der Befragten hatten keine Meinung. Aus der im Oktober durchgeführten Umfrage geht des weiteren hervor, dass 58 Prozent der Befragten die ausländischen Proteste gegen das AKW für unbegründet, und sie 21 Prozent für begründet hielten. Ebenfalls 21 Prozent hatten auch hierzu keine Meinung.
Kostunica: Tschechische Dipolmatie kann uns auf Weg nach Europa helfen
Die tschechische Diplomatie kann den Worten des neuen jugoslawischen Präsidenten Vojislav Kostunica zufolge der Jugoslawischen Bundesrepublik helfen, die Beziehungen des Landes zu den Staaten Westeuropas zu verbessern. Dies erklärte Kostunica am Montag in Belgrad vor tschechischen Journalisten unmittelbar nach seinem Treffen mit dem tschechischen Außenminister Jan Kavan. Kavan war in die serbischen Hauptstadt gereist, um mit der neuen jugoslawischen Führung über die Wiederaufnahme der politischen Beziehungen zwischen beiden Ländern nach dem Fall des Milosevic-Regimes zu beraten.
Tschechischer Ministerpräsident Zeman begann Staatsbesuch in Italien
Der tschechische Ministerpräsident Milos Zeman hat nach seinem sonntäglichen Besuch im Vatikan, wo er mit Papst Johannes Paul II. zusammentraf, am Montag seinen offiziellen Besuch in Italien begonnen. Die erste Station seiner Reise führte ihn dabei in das Zentrum der lombardischen Industrieregion, nach Mailand. Zeman erklärte vor Journalisten, dass er am Dienstag in Rom mit führenden italienischen Politikern nicht nur über die bilateralen Beziehungen beider Länder, sondern vor allem auch über die italienische Unterstützung für den Beitritt der Tschechischen Republik in die EU sprechen werde. Dabei erhoffe er sich - so Zeman -, dass diese Unterstützung ebenso massiv ausfallen werde, wie sie neulich der britische Premier Tony Blair ihm gegenüber bei ihrem Treffen in London geäußert habe.
Havel: "Skeptischer Ton zur EU in Tschechien ist Erblast der Vergangenheit"
Der in der letzten Zeit in der tschechischen Gesellschaft vorherrschende skeptischere Ton gegenüber der Europäischen Union lässt sich als eine Erblast auf die vorangegangenen "bequemlicheren Zeiten", auf das ruhige Leben ohne die Notwendigkeit Leistungen vollbringen zu müssen, zurück führen; der Beitritt zur EU erfordert aber die Notwendigkeit sich mehr anzustrengen, was nicht wenige stört. Dieses Urteil fällte der tschechische Präsident Vaclav Havel in einem Gespräch für die belgische Tageszeitung "Le Soir", dass er dem Blatt am Vorabend des Besuchs des belgischen Königspaares in der Tschechischen Republik gewährte. Das proeuropäische Empfinden überwiege aber weiterhin in der tschechischen Gesellschaft und keine politische Partei sträubt sich gegen den EU-Beitritt, ergänzte Havel.
Als "perfekt" bezeichnete am Montag der belgische Außenminister Louis Michel die Beziehungen seines Landes zur Tschechischen Republik. Michel wird das belgische Königspaar bei dessem ab Dienstag stattfindenden Besuch in der Tschechischen Republik begleiten. Diese Reise - so Michel - sei Ausdruck der großen Bedeutung, die man den Beziehungen zu Tschechien in Brüssel beimesse.
IVVM-Umfrage: Wahlbeteiligung wird im November bei 55 % liegen
Etwas mehr als die Hälfte der Bürger der Tschechischen Republik, genau 55 Prozent, hat ihre Bereitschaft bekundet, an den im November stattfindenden Wahlen zu den regionalen Vertretungen teilzunehmen. Dies geht aus den Ergebnissen einer Umfrage hervor, die Anfang Oktober durch das Meinungsforschungsinstitut IVVM unter den Einwohnern des Landes mit Ausnahme der Bewohner von Prag durchgeführt hat. In der tschechischen Hauptstadt finden diese Wahlen nicht statt. Laut Umfrage werden 28 Prozent der Bürger nicht an den Wahlen teilnehmen, während sich 17 Prozent noch nicht entschieden haben.
Streikbereitschaft in den tschechischen Schulen ausgerufen
In den tschechischen Schulen ist am Montag Morgen die Streikbereitschaft ausgerufen worden. Wie der Vorstand des Böhmisch-Mährischen Gewerkschaftsverbandes im Schulwesen erklärte, wolle man damit gegen die geplante Gesetzesnovelle zur staatlichen Verwaltung und Selbstverwaltung im Schulwesen protestieren. Laut Gesetzesnovelle sollen die örtlichen Gemeinden die Kompetenz erlangen, die jeweiligen Schulleiter selbst zu ernennen. Ferner würden die Mitarbeiter im Schulwesen laut Gesetzesnovelle in Zukunft als Angestellte der Gemeinden arbeiten.
Wie der Vorsitzende des Gewerkschaftsverbandes Jaroslav Rössler am Montag gegenüber der Nachrichtenagentur CTK deutlich machte, beeinträchtige die Streikbereitschaft den Unterricht an den Schulen nicht. "Mit der Ausrufung der Streikbereitschaft wollen wir hauptsächlich die Eltern informieren, was für Folgen das Gesetz auf die Entwicklung im Schulwesen haben kann," sagte Rössler.
Geringer Anteil von Jung-Studenten an tschechischen Hochschulen
In der Tschechischen Republik sind lediglich 14 Prozent der Hochschüler im Alter von 18 bis 24 Jahren, was sowohl weit unter dem europäischen Durchschnitt von 23 Prozent, als auch unter dem Durchschnitt der EU-Kandidatenländer in Mittel- und Osteuropa von 18 Prozent liegt. Einen schlechteren Wert in dieser Alterskategorie hat lediglich Rumänien mit 11 Prozent. Das geht aus den jüngst veröffentlichten Daten des Statistischen Amtes der EU (Eurostat) für das Schuljahr 1997/98 hervor.
Brünner Firma Zetor hat erneut die Traktorenproduktion aufgenommen
Mit dem Start der Montagelinien von Gangschaltungsgetrieben, Sicherheitskabinen und Hydraulikteilen hat die bekannte Brünner Firma Zetor am Montag nach anderthalbjähriger Unterbrechung die Serienproduktion von Traktoren wieder aufgenommen. Wie der Sprecher der Firma gegenüber CTK erklärte, wird nach einem technologischen Schema nach und nach auch die Arbeit in den anderen Bereichen bis hin zur Endfertigung des Traktors wieder aufgenommen. Mit der Fertigstellung der ersten Landmaschine rechnet die Gesellschaft für November.