Nachrichten Donnerstag, 09. November, 2000

Von Lothar Martin

Präsident Havel unzufrieden mit der Einstufung Tschechiens im EU-Bericht

Der tschechische Präsident Vaclav Havel zeigte sich unzufrieden damit, dass die Europäische Kommission die Tschechische Republik erst in die dritte Gruppe der Kandidatenländer anhand des Vorbereitungsstandes ihrer Wirtschaft auf den EU-Beitritt eingestuft hat. "Das sind unangenehme Signale, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen kann," konstatierte Havel am Mittwoch gegenüber der Nachrichtenagentur CTK in einer ersten Reaktion auf den Bericht der Europäischen Kommission. Der Vorsitzende des Senatsausschusses für auswärtige Angelegenheiten Michael Zantovsky sieht die Einstufung Tschechiens in einem gewissen Maß als eine Niederlage der tschechischen Diplomatie an.

Der von der Europäischen Kommission am Mittwoch veröffentlichte Bericht über die von der Tschechischen Republik im letzten Jahr erzielten Fortschritte auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft fällt andererseits jedoch wesentlich besser aus als der vorjährige Bericht. Einen rasanten Sprung nach vorn sieht die Kommission vor allem bei der Angleichung bzw. Übernahme der EU-Legislative in einzelnen Bereichen. Ein anhaltender Schatten falle jedoch nach wie vor auf die tschechische Wirtschaft, wo es trotz einer Stabilisierung der Makroökonomie, trotz des neuerlichen Wirtschaftswachstums, der Aufrechterhaltung einer niedrigen Inflation und der Fortsetzung von Restrukturalisierungen und Privatisierungen in der Industrie und im Bankwesen noch zu keinem entscheidenden Durchbruch gekommen sei. Der Finanzsektor sei weiterhin zu schwach ausgeprägt, die Reformen verliefen wenig systematisch, hieß es in dem Bericht.

Roucek: US-Wahlergebnis wird bilaterale Beziehungen nicht beeinflussen

In einer ersten Reaktion auf das vorläufige Ergebnis der Präsidentschaftswahlen in den USA, erklärte der Sprecher der tschechischen Regierung Libor Roucek, er glaube, dass der vermutliche Wechsel im Weißen Haus die tschechisch-amerikanischen Beziehungen nicht beeinflussen werde. Diese Äußerung gab Roucek unmittelbar nach den ersten Nachrichten über den wahrscheinlichen Wahlsieger, den Republikaner George Bush jun., am Mittwoch von sich. Er sei überzeugt davon, dass der neue amerikanische Präsident die Zusammenarbeit zwischen der Tschechischen Republik und den USA sowohl auf bilateraler Grundlage als auch im Rahmen der NATO-Allianz fortsetzen wird, ergänzte Roucek. Meldungen von Presseagenturen am Mittwoch zufolge habe George Bush jun. zwar die Mehrheit der Wahlmänner auf sich vereint, doch für den offiziellen Ausgang der Präsidentschaftswahl müssten zumindest die im US-Bundesstaat Florida abgegebenen Stimmzettel noch einmal ausgezählt werden.

Ministerpräsident Zeman sagt zweiten "Temelin-Gipfel" in Wien ab

Der tschechische Ministerpräsident Milos Zeman hat am Mittwoch den für Ende November in Wien geplanten "Temelin-Gipfel" mit dem österreichischen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel abgesagt. Grund dafür seien die seit Tagen andauernden Blockaden tschechischer Grenzübergänge durch österreichische Gegner des Atomkraftwerks Temelin, teilte Außenamtssprecher Ales Pospisil in Prag mit.

Zeman-Kabinett beschließt Staatsprogramm zur Energieeinsparung

Die tschechische Regierung hat am Mittwoch das Staatliche Programm zur Unterstützung von Energieeinsparung und zur Nutzung von wiederverwertbaren Energiequellen für das Jahr 2001 verabschiedet. Für dieses Programm soll im kommenden Jahr rund eine Milliarde Kronen ausgegeben werden, was um 300 Millionen Kronen mehr sind als in diesem Jahr. Gleichzeitig beschloss das Kabinett den Beginn der Liquidierung der Urangrube Rozna bei Dolni Rozinka, die spätestens bis zum 1. Januar 2004 stillgelegt werden soll. Ursprünglich sollte der Uranabbau in dieser Grube schon bis zum 1. Januar 2002 beendet werden.

Randzio-Plath: Nationalbank-Gesetz im Widerspruch zur EU-Legislative

Die Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschafts- und Währungsangelegenheiten des Europa-Parlaments Christa Randzio-Plath hat am Mittwoch in Brüssel ihre Unzufriedenheit über die Novelle zum Gesetz über die Tschechische Nationalbank geäußert, die ihrer Meinung nach die Unabhängigkeit der Bank gefährde und damit im Widerspruch zur Legislative der Europäischen Union stehe. Die Inkompatibilität der Gesetzesnovelle zur Tschechischen Nationalbank mit dem europäischen Recht ist auch ein Kritikpunkt des Berichtes der Europäischen Kommission über die Fortschritte der Tschechischen Republik bei der Vorbereitung auf ihre EU-Mitgliedschaft, der am Mittwoch veröffentlicht wurde.

Tschechien: Arbeitslosenquote im Oktober gesunken und Inflation gestiegen

In Tschechien ist die Arbeitslosenquote auf 8,5 Prozent gesunken. Ende Oktober seien etwa 445.000 Menschen ohne Beschäftigung gewesen, teilte das Arbeitsministerium in Prag heute mit. Dies seien 13.000 weniger als Ende September. Damals hatte die Quote 8,8 Prozent betragen. Demgegenüber ist die Inflationsrate im Vergleich zum Vormonat im Oktober um 0,3 Prozent auf nunmehr 4,4 Prozent gestiegen. Im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres ist die Inflationsrate in den letzten zwölf Monaten um 3,6 Prozent angewachsen.

Öko-Aktivisten protestierten gegen "Begräbnis der Demokratie"

Vertreter der ökologischen Organisation "Deti Zeme" haben am Mittwoch in Prag Trauerkränze vor dem jeweiligen Sitz der durch ein Tolerierungsabkommen miteinander verbandelten regierenden Tschechischen Sozialdemokratischen Partei (CSSD) und der oppositionellen Demokratischen Bürgerpartei (ODS) niedergelegt. Mit einem Happening unter dem Motto "Das Begräbnis der Demokratie" wollten sie zugleich gegen die in überarbeiteter Fassung in Vorbereitung stehenden Gesetze zur Bewertung von Umweltfragen protestieren. "Die Gesetzesänderungen der durch ODS- und CSSD-Vertreter gebildeten Kommission sind gleichzusetzen mit dem Begräbnis der demokratischen Prinzipien in den Gesetzen zur Bewertung von Umweltfragen," erklärte der Vorsitzende der Organisation "Deti Zeme" am Mittwoch gegenüber der Nachrichtenagentur CTK.

Leichtathletik-Legende Emil Zatopek erneut schwer erkrankt

Der Gesundheitszustand des legendären tschechischen Leichtathleten Emil Zatopek (78) ist nach Auskunft seiner Frau Dana Zatopkova weiter "ernst". Der vierfache Olympiasieger war in der vergangenen Woche mit einem Gehirnschlag auf die Intensivstation des Prager Militärkrankenhauses gebracht worden. "Er wird künstlich beatmet, weil eine Lungenentzündung dazugekommen ist", wurde die 78-jährige am Mittwoch von Prager Zeitungen zitiert. Ihr Mann reagiere kaum auf Besuch oder Ansprache, sagte Dana Zatopkova.