Nachrichten Donnerstag, 13. August, 1998
Nachrichten 13.8.1998
Kohl - Zeman - Dissonanzen
Zum zweiten Mal inerhalb einer Woche haben Äusserungen des deutschen Bundeskanzlers Helmut Kohl an die Adresse des tschechischen Premiers Milos Zeman für Spannungen im tschechisch- deutschen Verhältnis gesorgt. Kohl warf dem Premier am Mittwoch vor, sich "ganz unmöglich über die Sudetendeutschen geäussert" und sich in einer "völlig inakzeptablen Weise in den deutschen Wahlkampf eingemischt" zu haben. Eine solche Form der Einmischung eines Regierrungschefs habe es in Europa bislang noch nicht gegeben. Dies sei "keine sehr positive Entwicklung". Der Bundeskanzler reagierte damit auf die Äusserung Zemans im Privatsender Prima, eine von den Sozialdemokraten geführte deutsche Regierung werde verstehen, dass es sich positiv auf das glatte Funktionieren des Diskussionsforums auswirke, wenn eiserne Gegner der deutsch-tschechischen Erklärung nicht in diesem Forum vertreten sein würden. Im übrigen hatte sich Zeman überzeugt gezeigt, dass die deutschen Sozialdemokraten die Bundestgaswahlen im September gewinnen werden. Zu den neuesten Vorwürfen aus Bonn liegt bislang noch keine offizielle Stellungsnahme der tschechischen Regierung vor. Wie Vize-Premier Pavel Rychetsky am Mittwochabend auf einer Pressekonferenz sagte, wolle man diese Angelegenheit zunächst mit dem Aussenministerium konsultieren.
Temelin - Österreich
Die tschechische Regierung hat am Mittwoch über die Zusammensetzung des internationalen Expertenteams entschieden, das die Fertigstellung des südböhmischen Kernkraftwerks Temelin begutachten soll. Vertreten sein sollen in dieser Kommsission: drei Vertreter der EU, ein Vertreter der OECD, sodann Repräsentanten des Finanz-, Industrie- und Handels- sowie des Arbeitsministeriums, des Umweltamtes und des regierungsunabhängigen Zentrums für effektive Energienutzung. Kritisiert wurde der Regierungsbeschluss u.a. von der Umweltorganisation Regenbogen. Die Art der Zusammensetzung des Expertenteams bedeute einen Sieg des Industrie- und Handelsministers. Kritisiert wird vor allem, dass sich die Kommission nicht mit der Analyse des Strommarktes befassen werde. Vorausgesetzt werde beispielsweise eine Zunahme des Stromverbrauchs bis zum Jahre 2005 um 25 Prozent, doch in Wirklichkeit sei der Stromverbrauch der Haushalte etwa im ersten Halbjahr 1998 um sieben Prozent zurückgegangen. In Wien wurde unterdessen bereits bemängelt, dass keine östrerichischen Vertreter in die Kommission geladen wurden. In diesem Zusammenhang sagte der tschechische Vize-Premier Vladimir Spidla am Mitwoch, diese Tatsache werde beim Aufnahmeprozess der Tschechischen Republik in die EU kein Problem darstellen. Österreich ist grundsätzlich gegen die Fertigstellung von Temelin.
Vetchy - Hochwassergebiete
Verteidigunsgminister Vladimir Vetchy besucht heute das 25.Infanteriekommando in Hradec-Kralove, dass in den letzten Wochen die Unterstützung der Armee in den vom Juli-Hochwasser betroffenen Gebieten Ostböhmens sicherstellte. Erörtert werden sollen weitere Hilfsmassnahmen für die betroffenen Gemeinden. Bereits gestern hatte die Regierung beschlossen, für die Hochwasergebiete Haushaltsreserven in Höhe von 900 Mio. Kronen freizumachen. Die Gesamtschäden belaufen sich nach bisherigen Schätzungen auf 1,8 Mrd. Kronen - rund 100 Mio. D-Mark.
Aktion "Saubere Hand"
Der von den Sozaildemokraten bereits vor den Wahlen anvisierten Aktion "Saubere Hand" steht nichts mehr im Wege. Die Regierung billigte am Mittwoch die Bedingungen, unter denen beispielsweise in zwiespältigen Privatisierungsfällen ermittelt werden kann. Das Manipulieren mit Staatsbesitz, die Privatisierungsprojekte sowie die Vergabe öffentlicher Aufträge sollen künftig schärferen Kontrollen unterliegen.
Arbeitsminister empfängt Vorsitzenden der Agrargewerkschaften
Vize-Premier udn Arbeitsminister Vladimir Spidla trifft heute mit dem Vorsitzenden der Agragewerkschaften, Bohumir Dufek, zusammen. Im Vorfeld des Treffens hatte Dufek das Agrarprogramm der sozialdemokratischen Regierung als "in vielerlei Hinsicht unrealistisch" bezeichnet.
Havel - Gesundheitszustand
Der Gesundheitszustand von Präsident Vaclav Havel ist stabilisiert. Havel ist fieberfrei, Herzrhythmusstörungen werden zur Zeit nicht registriert. Einstweilen jedoch erwägen die behandelnden Ärzte noch keine Entfernung der Tracheostomie.
Am Mittwoch übersandte das tschechische Kabinett dem Präsidenten herzliche Genesungsgrüsse. "Wir wünschen baldige Genesung und freuen uns auf eine weitere Zusammenarbeit", hiess es in dem Schreiben.
Hungerstreik gegen Kavan
Hungerstreik aus Protest gegen die Ernennung von Jan Kavan zum tschechischen Aussenminister! Julius Tomin, ein in England lebender ehemaliger Dissident, ist in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag in einen zehnstündigen Hungerstreik getreten. Grund ist ein Beschluss der tschechischen Kommission für Beschwerden beim Rundfunk und Fernsehen, der besagt, dass Kavan Anfang der 80er Jahre gegenüber einem Journalisten falsch ausgesagt hatte, der eine Reportage über die Einschleusung von verbotener Literatur in die Tschechoslowakei gedreht hatte. Kavan könne - so der Philosoph Tomin - ein idealer Aussenminister sein. Es sei aber die Frage, ob man einen Aussenminister wolle, der die Macht habe, Lüge in Wahrheit zu verwandeln.
Sie hörten die Nachrichten von Radio Prag.