Nachrichten Donnerstag, 18. Februar, 1999
Kabinettssitzung
Die Sicherheitsstrategie des Staates und die Richtlinien für die Aussenpolitik waren die Hauptprogrammpunkte der Kabinettssitzung am Mittwoch. Die Regierung billigte eine Gesetzesnovelle über den Erwerb und Verlust der Staatsbürgerschaft sowie einen Entwurf über die Staatsbürgerschaft einiger ehemaliger Staatsangehöriger. Wie Regierungssprecher Libor Roucek erklärte, habe das Kabinett den Personenkreis derjenigen erweitert, die von einer Doppelstaatsbürgerschaft betroffen wären. Dazu gehören beispielsweise auch Bürger aus Teschin, die sich zur polnischen Nationalität bekennen. Weiter betroffen sind Emigranten, denen die Staatsbürgerscahft abgesprochen worden war. In den nächsten Wochen wird der Novellierungsentwurf des Staatsbürgerschaftsgesetzes dem Parlament vorgelegt.
Parlament koordiniert Tätigkeit zwischen beiden Kammern
Erstmals im neuen Jahr werden sich am Mittwoch Abend die führenden Vertreter beider Kammern des tschechischen Parlaments treffen. Man geht davon aus, dass die Kommunikation zwischen beiden Kammern sowie die Gesetze, mit denen man sich in der nächsten Zukunft befassen wird, Gegenstand der Gespräche sind. In der oberen Kammer treten zuvor die Senatsausschüsse zu ihren Sitzungen zusammen. So sprach im Ausschuss für europäische Integration der Hauptunterhändler für den EU-Beitritt Tschechiens, Pavel Telicka vom Aussenministerium, zur Problematik des EU-Rechts. Er forderte die Parlamentarier zu noch stärkerer Kontrolle bei den Vorbereitungen der für den EU-Beitritt erforderlichen Rechtsnormen und des Legislativ-Plans der Regierung auf. Telecka zufolge sei die diesjährige Beurteilung der Tschechischen Republik durch die EU von zentraler Bedeutung.
Vor der griechischen und türkischen Botschaft in Prag herrsche Polizeiberichten zufolge bisher Ruhe. Der Polizeisprecherin Ivana Moosova zufolge sind die Sicherheitsmassnahmen im Zusammenhang mit der Festnahme des Kurdenführers Ocalan verstärkt worden. Die Polizei arbeitet ausserdem mit Spezialeinheiten des tschechischen Geheimdienst BIS zusammen.
Slowakischer Geheimnis wollte Nato-Beitritt Tschechiens erschweren
Der tschechische Aussenminister Jan Kavan soll am Dienstag gegenüber dem slowakischen Rundfunksender Twist die Information des slowakischen Geheimdienstchefs Mitra von vergangener Woche bestätigt haben, nach der der slowakische Geheimdienst unter Führung des ehemaligen Chefs Lexa Schritte gegen die Integration der Tschechischen Republik in die euroatlantischen Strukturen unternommen haben soll.
Der tschechische Aussenminister hat es jedoch gegenüber der tschechischen Nachrichtenagentur ctk abgelehnt, sich dazu zu äussern und begründete dies damit, dass der Geheimdienst nicht Gegenstand der öffentlichen Diskussion sei.
Presse über slowakischen Geheimdienst
Der einzige bekannte Fall einer feindlichen Operation gegen die tschechische Republik, der die Handschrift des slowakischen Geheimdienstes trägt - so die tschechische Tageszeitung Mlada fronta dnes am Mittwoch - sei der der untergeschobenen Dokumente, die die angebliche Verschwörung zwischen der Prager Burg, Jan Ruml, dem damaligen Innneminister und der Abwehr aus dem Jahre 1997 dokumentieren.
Dem Material zufolge sollen Personen um Staatspräsident Havel herum den Fall der Regierung Klaus vorbereitet haben. Der heute amtierende Regierungschef Milos Zeman brachte Anfang 1998 die Dokumente an die Öffentlichkeit, die kurz darauf jedoch als Fälschungen enttarnt wurden. Der Mlada fronta dnes zufolge wurden diese Fälle bekannt, nachdem die neue Führung des slowakischen Geheimdienstes den Abgeordenten einen Bericht vorgelegt hatte, dem zufolge in Tschechien rassistisch motivierte Übergriffe sowie Skandale um den tschechischen Geheimdienst provoziert werden sollten, um damit den Nato-Beitritt Tschechiens zu erschweren.
Entschuldigung
Die slowakische Regierung sollte sich bei der tschechischen für die Aktivitäten des slowakischen Geheimdienstes, die gegen die Nato-Integration der Tschechen gerichtet waren, entschuldigen, erklärte am Mittwoch der slowakische Vizepremier für europäische Integration, Pavel Hamzík. Vorher muss jedoch der Anschuldigung nachgegangen werden, die vergangene Woche der neue slowakische Geheimdienstchef im Parlament vorgetragen hatte und in deren Zusammenhang auch eine Reihe von Geheimdokumenten untersucht werden soll.
Wie der Chef des tschechischen Parlaments-Ausschusses zur Kontrolle des Geheimdienstes Jan Klas am Mittwoch erklärte, haben mit Zerfall der tschechoslowakischen Föderation slowakische Agenten auch weiter im BIS gearbeitet, die bis heute Familienkontakte zur Slowakei pflegen. Interne personelle Überprüfungsmassnahmen auf die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten hin sind dem Pressesprecher des BIS zufolge geplant.
Südböhmischer Atommeiler Temelin
Mit dem Weiterbau am südböhmischen Atommeiler Temelin sind die Verluste in Höhe von 30 bis 80 Milliarden Kronen entstanden, die noch nicht einmal die 70 Milliarden Kronen umfassen, die bereits investiert worden sind. Dies erklärte am Mittwoch der von der oberösterreichischen Landesregierung Beauftragte für Fragen atomarer Einrichtungen in Prag mit Verweis auf eine Studie über die Mindestkosten.
Tschechien will bei EU mitentscheiden
Tschechien habe sich der EU schon sehr genähert, übernehme sämtliche Normen und gleiche die Legislative auch in der Praxis an. Es sollte die Möglichkeit haben, sich auch an Entscheidungen der EU beteiligen zu dürfen, erklärte der tschechische EU- Botschafter Josef Kreuter am Dienstag auf dem Forum, das im Forschungszentrum für Europa-Politik in Brüssel stattfand. Der Grund für den kritischen Bericht der EU-Kommissare sei in den politischen Erschütterungen des vorletzten Jahres zu suchen, gab Kreuter zu. Die neue tschechische Regierung habe aber in konstruktiver Weise auf die Kritik reagiert, die Aktualisierung des nationalen Programms zur Übernahme der EU-Legislative sei aber schon in Vorbereitung und wird im April Gegenstand der Verhandlungen mit der EU-Kommission.
Schweden-Tschechien
Der Staatssekretär des schwedischen Aussenministeriums, Pierr Schor, traf sich bei seinem Prag-Besuch mit tschechischen Regierungsvertretern. Der tschechische Vizepremier Pavel Rychetsky fand Worte der Wertschätzung für Schwedens Engagement im Bereich der Durchsetzung der Menschenrechte in Krisengebieten und dankte der schwedischen Regierung für die Hilfe, die sie in der Vergangenheit tschechischen Emigranten erteilt hat. Gleichzeitig erinnerte er an die moralische Pflicht der europäischen Länder,die sich mit dem Erbe des Holocoust auseinanderzusetzen. Vizepremier Egon Lansky wiederum informierte im Zusammenhang mit der Kosovo- Krise über seine kürzlichen Verhandlungen in skandinavischen Ländern und der Nato. Der schwedische Diplomat traf sich auch mit Staatspräsident Vaclav Havel.
Tschechien-Türkei
Die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Tschechischen Republik und der Türkei sind Gegenstand der Gespräche, die der türkische Aussenminister Isamil Cem während seines Prag-Besuches am Donnerstag mit führenden tschechischen Politikern führen wird, darunter mit dem tschechischen Aussenminister Jan Kavan, der für Auswärtiges zuständige Vizepremier Egon Lánsky sowie die Vorsitzenden beider Kammern des tschechischen Parlaments, Vaclav Klaus 'Abgeordnetenhaus) und Libuse Benesova 'Senat)
Landwirte gegen EU-Importe
Die tschischen Landwirte haben ab 1. März mit landesweiten Protesten gegen subventionierte EU-Importe gedroht. Zur solidarischen Teilnahme haben die Chefs aller Agrarkammern und Fleischproduzenten auf ihrer Tagung am Mittwoch im ostböhmischen Havlickuv Brod aufgerufen.
Das waren die Nachrichten.