Nachrichten Freitag, 15. Oktober, 1999

ZEUGNIS DER EU-KOMMISSION

Der Botschafter der Europäischen Komission in Prag Ramiro Cibrian hat am Donnerstag den tschechischen Premier Milos Zeman über die kritische Beurteilung der tschechischen Vorbereitung auf den EU-Beitritt informiert. Weder Zeman noch Cibrian teilten zu ihrem Gespräch nähere Informationen mit. Laut Nachrichtenagentur ctk soll Cibrian einige Erfolge der Tschechischen Republik, aber auch die Notwendigkeit erwähnt haben, die Vorbereitungsarbeiten, und zwar nicht nur im legislativen Bereich, zu beschleunigen. Dem halbstündigen Gespräch mit dem Premier folgte ein Treffen Cibrians mit Außenminister Jan Kavan.

HAVEL WÜNSCHT EINE MEHRHEITSREGIERUNG

Die Tschechische Republik braucht eine Mehrheitsregierung und eine stärkere Bereitschaft der Politiker und der Öffentlichkeit, um an der Annährung an die EU zu arbeiten. Dies sagte Präsident Vaclav Havel vor Journalisten, nachdem ihn der Botschafter der Europäischen Kommission in Prag, Ramiro Cibrian, mit dem Bericht der Kommission bekannt gemacht hatte.

ABBERUFUNG VON VIZEPREMIER LANSKY BLEIBT OFFEN

Vizepremier Egon Lansky, der für die Koordinierung des Integrationsprozesses verantwortlich ist, wird mindestens noch eine Woche Mitglied des Regierungsteams sein. Nachdem er sich von seinen momentanen Gesundheitsschwierigkeiten erholt, will Premier Zeman mit ihm über die Resignation sprechen. Der Regierungsvorsitzende sagte jedoch nicht eindeutig, ob er den Minister abberufen wird.

KABINETTSSITZUNG

Der EU-Bericht wurde am Donnerstag auf einer Sondersitzung der tschechischen Regierung erörtert. Die sozialdemokratischen Minister sehen die Ursache in einer langsamen Durchsetzung der Ergebnisse der Tätigkeit der Regierung in die Praxis. Nähere Informationen über die Ergebnisse der Kabniettssitzung wurden nicht bekanntegegeben.

KAVAN ZUM BERICHT DER EU-KOMMISSION

Der tschechische Außenminister Jan Kavan ist der Meinung, dass die Tschechische Republik ebenso wie die anderen fünf Beitrittskandidaten immer noch die Chance hat, Mitglied der EU in der ersten Welle der EU-Erweiterung zu werden. Er räumte jedoch ein, dass man in einigen Bereichen mehr zulegen müsste. "Niemand ist aus der ersten Gruppe herausgefallen, es wird mit jedem von uns gerechnet, wenn wir das Tempo der Annährung beibehalten, hat jeder von uns Chance, unter den ersten zu sein," sagte Kavan in Reaktion auf den Bericht der Kommission.

DIE MAUER IN USTI IST FERTIG

Trotz internationaler Kritik hat die nordböhmische Stadt Usti nad Labem (Aussig) am Mittwoch eine 1,80 Meter hohe Mauer zwischen einem mehrheitlich von Roma bewohnten Viertel und einer Wohnsiedlung errichtet. Dies geschah trotz der Tatsache, dass das Abgeordnetenhaus am Mittwoch- abend entschied, dass der Beschluss des Stadtrates für den Mauerbau von September 1998 ungültig ist. Der Vorsitzende des Kreisamtes in Usti nad Labem (Aussig), Leos Nergl, wird über das weitere Vorgehen seines Amtes in dieser Angelegenheit innerhalb von 14 Tagen entscheiden. Der stellvertretende Ministerpräsident Pavel Rychetsky kritisierte das Vorgehen der Stadtverwaltung. Die Mauer von Usti könne Tschechiens Weg in die EU verbauen, sagte er im Rundfunk. Auch Roma-Initiativen verurteilten den Bau und kündigten Protestdemonstrationen an. Etwa 200 Roma aus Ostrava (Mährisch Ostrau) sind bereit, die Mauer niederzureißen.

EU-KOMMISSION REAGIERT AUF DEN BAU DER "MAUER VON USTI"

Nach dem Bau der umstrittenen Mauer in der nordböhmischen Stadt Usti nad Labem (Aussig) zum Schutz vor Roma hat die EU-Kommission Tschechien die Verletzung von Menschenrechten vorgeworfen. "Ich sehe dies als eine Verletzung der Menschenrechte an, deren Einhaltung von ihrem Land erwartet wird", erklärte der EU-Kommissar Günter Verheugen am Donnerstag nach einem Gespräch mit dem tschechischen Botschafter in Brüssel. Die EU erwarte von der Regierung in Prag "sofortiges Handeln".

TREFFEN ODS - CSSD

Keinen konkreten Beschluss brachte das Treffen der Vertreter der Demokratischen Bürgerpartei ODS und der Tschechischen Sozialdemokratischen Partei CSSD. Der Wechsel einiger Minister stellte kein Gesprächsthema dar. Die beiden stärksten Parteien des Landes wollen am kommenden Montag erneut über eine intensivere Zusammenarbeit sprechen. Am Freitag wird sich ODS-Chef Klaus auch mit den Repräsentanten der Vierer- Koalition zu Verhandlungen über die aktuelle politische Lage treffen.

INTERNATIONALE KONFERENZ ZUM JAHR 1989

In Prag wurde am Donnerstag eine internationale Konferenz eröffnet, die sich mit der Wende in der Tschechoslowakei 1989 und den Ereignissen befasst, die in den 80er Jahren vorausgegangen waren. Die Konferenz wolle die öffentliche Debatte anlässlich des zehnten Jubiläums der "samtenen Revolution" mit historischen Fakten unterlegen, sagte dazu der Historiker Vilem Precan. Ähnliche Konferenzen finden auch in Polen und Ungarn statt. An ihrer Vorbereitung beteiligte sich das Nationale Sicherheitsarchiv aus den USA. Am Symposium nehmen Historiker und Experten aus den Ländern Mitteleuropas und den USA teil. An der Diskussion wird sich auch Präsident Vaclav Havel beteiligen.

LE PEN BESUCHT TSCHECHIEN

Der Chef der französischen Nationalen Front Jean-Marie Le Pen besucht Tschechien. Er kommt auf Einladung des Vorsitzenden der extremistischen Republikaner-Partei, Miroslav Sladek. Sladek zufolge soll Le Pen, der auch Abgeordneter des Europa-Parlaments ist, die öffentliche Diskussion über den EU-Beitritt Tschechiens eröffnen. Sowohl die tschechischen Republikaner als auch die französische Nationale Front sind entschiedene Gegner der Europäischen Union.

WETTER

Zum Schluss der Wetterbericht. Am Freitag soll es heiter sein, vereinzelt muss mit Schauern, in den höheren Berglagen mit Schneeschauern gerechnet werden. Die Nachttemperaturen liegen zwischen 5 Grad und Null, die Tageshöchstwerte erreichen 8 bis 12 Grad Celsius.