Nachrichten Mittwoch, 27. September, 2000
Von Marketa Maurova
Jahrestagung des IWF und der Weltbank wird fortgesetzt
In Prag hat wird heute die Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank mit dem zweiten Tag fortgesetzt. Auf dem heutigen Programm des Treffens von Finanzministern und Notenbankchefs der 182 Mitgliedsländer sowie von etwa 18 Tausend weiteren offiziellen Gästen steht die Jahresdiskussion über die Lage der Weltwirtschaft und Entwicklungen auf den internationalen Finanzmärkten. Die Veranstaltung wurde am Dienstag vom tschechischen Präsidenten Vaclav Havel eröffnet. Er forderte in seiner Rede eine Neubesinnung auf die grundlegenden Werte in den Beziehungen zwischen den Staaten. Noch wichtiger als die Hilfe für die Wirtschaft der Entwicklungsländer sei die Umstrukturierung des Wertesystems, auf das sich unsere heutige Zivilisation stütze, sagte Havel. Eine Zusammenfassung der Rede Vaclav Havels bringen wir im Tagesecho, im Anschluss an die Nachrichten.
Protestaktionen der Globalisierungsgegner
Die Jahrestagung der Weltfinanzierer wurde den ganzen Tag von Protesten der Globalisierungsgegner aus der ganzen Welt begleitet. Diese haben sich in den Abendstunden vom Tagungsort in das Prager Stadtzentrum ausgeweitet. Während zahlreiche Demonstranten am Abend noch viele Ausfahrten des Kongresszentrums blockierten und die Teilnehmer zwangen, das Kongresszentrum in U-Bahn-Sonderzügen zu verlassen, begannen an mehreren Stellen der Stadt kleinere Kundgebungen, die sich später in Straßenschlachten verwandelten. Die Polizei griff ein, nachdem die Demonstranten die Schaufenster zahlreicher Geschäfte zerschlagen hatten. Bei der anschließenden Auseinandersetzung bewarfen die Randalierer die Polizisten mit Pflastersteinen. Die Polizei setzte verstärkt Tränengas ein und nahm zahlreiche Personen fest. Der Nachrichtenagentur CTK zufolge wurden bei Zusammenstößen mehrere Duzend Personen verletzt, darunter 64 Polizisten. Behörden äußerten die Befürchtung, dass die Proteste auch am Mittwoch andauern.
Präsident Havel verurteilt die Gewaltäußerungen
Der tschechische Präsident Vaclav Havel verurteilte am Nachmittag die Gewaltäußerungen, die radikale Demonstranten entfesselt haben. Er forderte von den Protestierenden, auf gewalttätige Protestformen zu verzichten.
Innenminister Gross lobt die Polizei
Die Brutalität einiger Demonstranten in Prag hat die Erwartungen des tschechischen Innenministers Stanislav Gross übertroffen. Der Innenminister äußerte seine Überzeugung, dass die Polizei, deren Nachsicht kritisiert wurde, eine perfekte Arbeit abgeliefert hat. In den Prager Straßen wurden rund 11 Tausend Polizisten eingesetzt, von den etwa 1300 voll bewaffnet waren. Wie Minister Gross informierte, wurden 420 Personen festgenommen, davon 130 Ausländer.
Teilnehmer des Diskussionsforums distanzieren sich scharf von der Gewalt
Die Organisatoren des Diskussionsforums "Ein anderer Bericht" unterstützen Forderungen nach einer schnellen Reform der Weltfinanzinstitutionen und sind davon überzeugt, dass man Recht hat, mittels Demonstrationen die Meinung frei zu äußern. Sie verurteilen jedoch scharf den Missbrauch der Protestaktionen durch Gruppen, die diese zu Straßenkämpfen mit der Polizei nutzten. Dies steht in der Erklärung der Vereinigungen, die dieses Diskussionsforum in Prag veranstalten. Ein solches gewalttätiges Verhalten kompliziere die Bemühung um eine positive Reform der beiden Finanzinstitutionen sowie etwa um die Entschuldung der Entwicklungsländer, heißt es weiter in der Erklärung.
Italienischer Sonderzug verließ Tschechien
Ein Sonderzug der italienischen Bahn mit italienischen Globalisierungsgegnern, der - bewacht von zahlreichen Polizisten - in der Nacht aus Prag nach Rom abgefertigt wurde, hat kurz nach 6 Uhr morgen auf dem Grenzübergang Horni Dvoriste die Tschechische Republik verlassen. Die Tschechische Eisenbahn meldete in diesem Zusammenhang keine größeren Probleme oder Zwischenfälle. Der Zug war mit italienischen Demonstranten, hauptsächlich mit Radikalen aus der Organisation Ya basta! voll besetzt, die in Prag gegen die Sitzung des IWF und der Weltbank protestierten.