Nachrichten Montag, 16. November, 1998

DIE WAHLEN ZEIGEN ERFOLGE DER KONSERVATIVEN OPPOSITION

Bei den zweitägigen Kommunal- und Senatswahlen in Tschechien haben die regierenden Sozialdemokraten eine Niederlage hinnehmen müssen. Dagegen verbuchte die bürgerlich-konservative Opposition überraschende Erfolge, meldete die Nachrichtenagentur CTK am Sonntag. Jedoch konnte in keinem der 27 Senatswahlkreise ein Kandidat im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erringen. Hier kommt es am 20. und 21. November zur Stichwahl zwischen den beiden aussichtsreichsten Bewerbern. Bei der Kommunalwahl haben sich in vielen Kreisen unabhängige Kandidaten durchgesetzt. Die Beteiligung lag nach Angaben der Wahlkommission bei 42,37 Prozent.

KANDIDATEN FÜR DIE ZWEITE SENATSWAHLRUNDE

Die grössten Chancen auf einen Sieg im zweiten Wahlgang der Senatswahlen hat die Demokratische Bürgerpartei ODS mit 22 erfolgreichen Kandidaten. Von der regierenden CSSD werden sich in der zweiten Wahlrunde 15 Kandidaten um die Wählerstimmen bewerben. Die Koaliton der vier kleineren konservativen Parteien wird 14 Repräsentanten in der zweiten Runde haben, und die Kommunisten sind noch in drei Wahlbezirken mit einem Kandidaten vertreten.

CSSD UND ODS HABEN DIE MEHRHEIT IM SENAT

Die beiden stärksten politischen Parteien - CSSD und ODS, die der sog. Oppositionsvertrag vereinigt, haben sich schon in der ersten Wahlrunde die Mehrheit in der oberen Parlamentskammer gesichert. Diese ermöglicht ihnen u.a. über die Wahl des Senatsvorsitzenden zu entscheiden.

ERFOLG DER VIER-KOALITION IN PRAG

Einen grossen Erfolg verzeichnete die Viererkoalition bei den Senatswahlen in einem der Prager Wahlbezirke. Der Parteivorsitzende der Freiheitsunion Jan Ruml erhielt dort 40,7 Prozent der Stimmen und schlug damit seinen stärksten Widersacher, den Prager Oberbürgermeister Jan Koukal von der ODS. Dieser erhielt nur 24,5 Prozent der Wählerstimmen. Vor zwei Jahren war gerade es Koukal gewesen, der mit 54 Prozent der Stimmen bereits im ersten Wahlgang in den Senat gewählt worden war.

ZEMAN WIRD DIE ERFOLGLOSEN KANDIDATEN BESTRAFEN

Die erfolglosen sozialdemokratischen Kandidaten, die ihre Senatssitze behaupten sollten, müssen mit dem Verlust ihrer Parteipositionen rechnen. Dies sagte der tschechische Premier und Chef der Sozialdemokraten, Milos Zeman, gegenüber dem Tschechischen Rundfunk. Dasselbe Schicksal erwarte auch die Funktionäre der Parteiorganisationen, die diese Kandidaten nominiert haben. Dort, wo der Erfolg quasi auf der Strasse gelegen hat, und wir nicht fähig gewesen sind, ihn aufzuheben, müssten Köpfe rollen, sagte Zeman.

HAVEL FORDERT ZUR TEILNAHME AM ZWEITEN WAHLGANG AUF

Präsident Václav Havel bedankte sich trotz der mässigen Wahlbeteiligung bei allen Bürgern, die zur Wahl gegangen sind. Er forderte des weiteren alle Wähler auf, am kommenden Wochenende am zweiten Senatswahlgang teilzunehmen. Präsident Havel werde sich momentan zu den Wahlergebnissen nicht äussern, weil die Wahlen noch nicht zu Ende seien, sagte sein Pressesprecher Ladislav Spacek.

SITZUNG DES PARTEIVORSTANDS DER CSSD

Die Wahlergebnisse und deren Ursachen waren Hauptgegenstand der Sonntagssitzung des Vorstands der Tschechischen Sozialdemokratischen Partei. Der Vorstand konnte sich nicht darauf einigen, ob die Ergebnisse als Erfolg oder Misserfolg zu werten seien, und verschob deren Auswertung auf die ordentliche Sitzung am 13. Dezember. Die Parteiführung befasste sich auch mit weiteren Themen. So wurde der Standpunkt der Sozialdemokraten bezüglich ihrer Vertretung im Koordinierungsrat des tschechisch-deutschen Diskussionsforums geändert. Zum Vertreter der sozialdemokratischen Partei wurde der Abgeordnete Vladimír Lastuvka gewählt, der bereits an der nächsten Sitzung des Rates Anfang Dezember in Dresden teilnehmen wird.

STREIT ZWISCHEN REGIERUNG UND KIRCHE

Die sozialdemokratische Parteiführung bezichtigte am Sonntag das Oberhaupt der tschechischen katholischen Kirche, Kardinal Miloslav Vlk, eines "verantwortungslosen Versuchs um die Störung des Dialogs zwischen Staat und Kirche". Zum Streit zwischen der Regierung und der Kirche kam es nach der Äusserung Vlks, dass die Regierung kein Vertrauen bei den Kirchen erwecke und ihre früher geäusserte Bereitschaft zum seriösen Dialog in Zweifel stelle.