Nachrichten Montag, 27. September, 1999
Staatspräsident Havel fordert Vollendung der Transformation
Die Frustration sei einer der Hauptgründe für die steigende Beliebtheit der Kommuistischen Partei erklärte der tschechische Staatspräsident Vaclav Havel am Samstag gegenüber dem Tschechischen Rundfunk in einem Gespräch mit dem Chef des Gewerkschaftsdachverbands und Senator Richard Falbr. Havel zufolge müsse die ökonomische Reform zu Ende gebracht, ihre Leistungsfähigkeit verbessert und die Vermögensbeziehungen transparenter gemacht werden. Unternehmen, die die Requalifizierung sicherstellen, sollten mit Steuererleichterungen belohnt werden. Gewerkschaftsboss Falbr konstatierte, die steigende Arbeitslosigkeit rufe Apathie hervor und könne sich bald in massiven Protesten ventilieren . Die Arbeitslosenquote hat dieses Jahr mit rund 9 Prozent einen Rekord in Tschechien erreicht.
Kommunisten im Aufwind, aber ohne Koalitionspartner
Die Partei der Kommunisten Böhmens und Mährens hat noch keine Koalitionspartner gefunden. Dies erklärte Parteichef Miroslav Grebenicek am Samstag auf der Vorstandssitzung in Prag. Die Kommunisten befinden sich jüngsten Meinungsumfragen zufolge nach der ODS auf dem zweiten Platz und haben damit die regierenden Sozialdemokraten überholt. Am Samstag stellte auch deren Vizechef Skromach klar, dass eine Zusammenarbeit zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten ausgeschlossen sei. Wie der kommunistische Fraktionschef Vojtech Filip am Samstag erklärte, sei man bereit, einige von Sozialdemokraten und ODS geplante Verfassungsänderungen , beispielsweise, was das Amnestierecht des Präsidenten betrifft, zu unterstützen. Die Partei bereite jedoch einen eigenen Entwurf zur Änderung der Verfassung vor.
Regierung zur Reform der Selbstverwaltung
Die umfassende Reform der territorialen Selbstverwaltung war Gegenstand der Sondersitzung des Kabinetts am Wochenende. Zwölf Gesetzesvorlagen und -novellen sollen noch in diesem Herbst erarbeitet werden, damit sie dem Parlament auf dessen Plenartagung im Dezember zur Abstimmung vorgelegt werden können. Wie Innenminister Vaclav Grulich erklärte, hatte die Sitzung konsultativen Charakter. Der für legislative Angelegenheiten zuständige Vizepremier Pavel Rychetsky versicherte, dass die Regierung mit einer Abgabe der Kompetenzen an die Verwaltungsorgane auf Bezirksebene rechne. Dem Staat verblieben jedoch Kontrollmöglichkeiten, die seine Desintegration verhindern helfen sollen.
Temelin wird nicht mit EU-Beitritt gekoppelt
Die Inbetriebnahme des südböhmischen Atommeilers Temelin sollte kein Hindernis für den Beitritt der Tschechischen Republik zur EU darstellen. Dies erklärte Albrecht Rothacher von der Europäischen Kommission aus der für Mitteleuropa zuständigen Abteilung und in Bezug auf die von der österreichischen Seite gestellte Forderung einer Kopplung der Einstellung Temelins mit dem EU-Beitritt des Nachbarn. Im Gegensatz dazu aber - so Rothacher - herrsche Übereinstimmung bezüglich der Aufhebung der sog. Benes-Dekrete, auf deren Grundlage die deutschen Einwohner aus der Nachkriegstschechoslowakei ausgesiedelt wurden. Hier halte das Europäische Parlament an seiner Resolution fest. Ähnliche Einwände waren auch vom österreichischen Aussenministerium eingebracht worden. Der tschechische Senat hat für Oktober eine öffentliche Diskussion zu den Benes-Dekreten initiiert.
Visegrader Gruppe will Zusammenarbeit verbessern
Eine Verbesserung der bi- und multilateralen Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Technik streben die Mitgliedsstaaten der sog. Visegrader Gruppe an, der neben Tschechien auch Polen, Ungarn und die Slowakei angehört. Dies wurde am Wochenende bei einem Treffen auf Ebene der zuständigen Ressortminister in der Hohen Tatra in der Slowakei beschlossen.
Verteidigungsminister Vetchy fährt in die Türkei
Am Montag wird der tschechische Verteidigungsminister Vladimir Vetchy die Arbeit des im Erdbebengebiet in der Türkei eingesetzten tschechischen Feldlazaretts inspizieren und damit seinen zweitägigen Aufenthalt in der Türkei einleiten. Am Dienstag wird er im Rahmen der Messe für Militärtechnik auch mit seinem türkischen Amtskollegen in Ankara zusammenkommen.
Landsmannschaftstreffen in Sachsen
Mehr als eintausend ehemalige Landsleute aus Liberec in der Tschechischen Republik trafen sich am Wochenende im sächsischen Grenzstädtchen Zittau, um Erinnerungen auszutauschen. Obwohl die Veranstaltung an die tschechisch-deutschen Tage - die zur Zeit in Liberec stattfinden - anknüpfen, wussten die Liberecer so gut wie nichts von der Veranstaltung auf der deutschen Seite der Grenze - schreibt die tschechische Nachrichtenagentur ctk. Trotz der tragischen Nachkriegsereignisse seien die ehemaligen Landsleute zum Dialog und zur Versöhnung mit den Tschechen bereit, heisst es weiter.