Nachrichten Samstag, 18. November, 2000
Von Martina Schneibergova
In Tschechien wurde des Jahrestags des Kampfes der Studenten für die Freiheit gedacht
In der Tschechischen Republik wurde der 17. November zum ersten Mal als Staatsfeiertag begangen. Dabei der Ereignisse gedacht, die mit dem Datum des 17. Novembers verbunden sind - der Verfolgung der tschechischen Hochschulstudenten durch die Nazis im Jahre 1939 und des brutalen Eingreifens der Polizei gegen eine friedliche Studentendemonstration im Jahre 1989.
Präsident Havel traf mit ehemaligen Studentenführern zusammen
Der tschechische Staatspräsident Vaclav Havel hat am Freitag während seines Treffens mit den ehemaligen Studentenführern von 1989 der Novemberereignisse vor elf Jahren gedacht. Der Präsident lehnte es vorläufig ab, den wachsenden Einfluss der Kommunisten sowie deren angebliche Annäherung an die regierenden Sozialdemokraten, wie es in den vergangenen Tagen angedeutet wurde, zu kommentieren. Vaclav Havel legte am Freitag Blumen am Mahnmal in der Nationalstrasse in Prag nieder. Der Ereignisse des 17. Novembers haben auch der Vorsitzende des Abgeordnetenhauses Vaclav Klaus und Senatspräsidentin Libuse Benesova gedacht. Mit den ehemaligen Studentenführern trafen neben Präsident Vaclav Havel auch Senator Jan Ruml, Mitglied der oppositionellen Viererkoalition, und Publizist Pavel Tigrid zusammen.
Die Viererkoalition will sich mit dem Erfolg der Kommunisten nicht abfinden
Jan Ruml und weitere Vertreter der Viererkoalition ehrten das Andenken des 17. Novembers auch auf dem Prager Wenzelsplatz. Die Viererkoalition will sich - elf Jahre nach der samtenen Revolution - nicht damit abfinden, dass in den bevorstehenden Senatswahlen die Kandidaten der Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens-KSCM gewinnen könnten, erklärte der Sprecher der Freiheitsunion Patrik Nacher. Die Ursachen des Einflusses der Kommunisten sieht er in dem zwischen den regierenden Sozialdemokraten und den Bürgerdemokraten geschlossenen Tolerierungsabkommen.
Premier Zeman: Die CSSD ist keine bolschewistische Partei
Premier Milos Zeman hat bereits am Donnerstag Blumen an dem Mahnmal in der Nationalstraße niedergelegt. Er erklärte, er werde an den offiziellen Feierlichkeiten anlässlich des 17. Novembers nicht teilnehmen. Zeman begründete seine Entscheidung damit, dass er es nicht gern sieht, wenn ehemalige kommunistische Führer den 17. November 1989 feiern. Er bezeichnete sich selbst als den offensichtlich einzigen hohen Politiker, der 1989 auf der Nationalstraße wirklich dabei war. Auf eine Journalistenfrage bezüglich der eventuellen Koalitionen der Sozialdemokraten mit den Kommunisten auf kommunaler Ebene antwortete der Premier, dass über Koalitionen in den Landkreisen Vertreter der Sozialdemokraten in den einzelnen Landkreisen verhandeln. Der Premier fügte hinzu, seine Partei sei keine bolschewistische Partei.
Kommunisten in Prostejov: Zeman versprach uns Unterstützung
Die gegenseitige Unterstützung und Zusammenarbeit hat der Premier und CSSD-Chef Milos Zeman den Worten des Vorsitzenden der Kommunisten im mährischen Prostejov Ivan Kopecny zufolge bereits vor seinem Treffen mit dem KSCM-Chef Miroslav Grebenicek versprochen. Am Dienstag hätten - so Kopecny - die Kommunisten ihre Unterstützung für den sozialdemokratischen Kandidaten in den Senatswahlen Jan Kavan bestätigt und Zeman habe danach eine Gegenleistung für diese Unterstützung versprochen.
Ehemalige Studentenführer: Änderungen der Politik immer noch aktuell
Die Forderung nach Änderungen in der tschechischen Politik war zwar vor einem Jahr im Zusammenhang mit dem Aufruf "Danke, ihr könnt gehen!" viel öfter zu hören, aber die Notwendigkeit die tschechische Politik zu ändern, ist auch weiterhin aktuell. Dies erklärte einer der ehemaligen Studentenführer von 1989, Josef Broz, der am Freitag an dem Treffen mit Präsident Valcav Havel im Prager Rock Cafe teilnahm.
Benesova gedachte der Ereignisse von 1939
Senatspräsidentin Libuse Benesova hat am Freitag die Bedeutung des Kampfes der Studenten gegen totalitäre Regimes im Jahre 1939 und 1989 hervorgehoben. Benesova traf mit dem Vorsitzenden des Tschechischen Verbandes der Freiheitskämpfer Jakub Cermin und mit Rektoren der Karlsuniversität und der Tschechischen Technischen Hochschule, Ivan Wilhelm und Jiri Witzany, vor dem Hlavka-Studentenwohnheim in Prag zusammen, wo sie alle der damaligen Ereignisse gedachten. Benesova bezeichnete die Studentendemonstrationen während der Nazi-Okkupation im Jahre 1939 sowie die 50 Jahre später während des kommunistischen Regimes organisierten Demos als einen Symbol des Widerstands und des Kampfes für Demokratie. Sie betonte, es sei notwendig, nicht zu vergessen.
In Ruzyne wurde der 1939 hingerichteten Studenten gedacht
Am Mahnmal für die Opfer des Nazi-Regimes in den Kasernen im Prager Stadtteil Ruzyne sind am Freitag die Teilnehmer der Novemberereignisse von 1939 mit Vertretern der Hochschulen und der Armee zusammengetroffen. Mit einer Kranzniederlegung ehrten sie das Andenken von neun tschechischen Studenten, die dort vor 61 Jahren hingerichtet wurden.
Am Vorabend des 17. Novembers fand ein ökumenischer Gottesdienst statt
In der katholischen Kirche St. Salvator in Prag sind am Donnerstagabend vorwiegend junge Menschen zusammengetroffen, um während eines ökumenischen Gottesdienstes am Vorabend des Staatsfeiertags an das Vermächtnis der Ereignisse von 1939 und 1989 und an die Bedeutung der Freiheit zu erinnern. Der katholische Priester und Präsident der Tschechischen Christlichen Akademie Tomas Halik wies auf das vor kurzem veröffentlichte Dokument der Tschechischen Bischofskonferenz zur Lage in der tschechischen Gesellschaft hin und erklärte, dass die Christen einräumen, dass der offene Raum der Freiheit nicht genutzt worden sei. Der Professor der Evangelischen theologischen Fakultät der Karlsuniversität Jakub Trojan erinnerte daran, dass die Freiheit keinen grenzenlosen Eigenwillen darstelle.
Außenminister Kavan; Tschechien wird bis zum Jahresende seine Beziehungen zu Österreich lösen
Der tschechische Außenminister Jan Kavan hat am Donnerstagabend erklärt, dass die Tschechische Republik bis zum Ende dieses Jahres ihren Streit mit Österreich um das Atomkraftwerk Temelin lösen wird. Wegen dem AKW Temelin hat die österreichische Diplomatie die Verhandlungen blockiert, die im Rahmen der Beitrittsgespräche der EU mit der Tschechischen Republik über die Energiewirtschaft geführt werden. Kavan stellte fest, es solle ein tschechisch- österreichischer Vertrag geschlossen werden, in dem alle Aspekte der Probleme des AKW Temelin berücksichtigt werden. Das nächste Treffen der führenden tschechischen und österreichischen Politiker sei - so der Außenminister - für den 11. Dezember vereinbart worden.
Das Versprechen des Außenministers, dass die Tschechische Republik ihre gespannten Beziehungen mit Österreich bis zum Ende dieses Jahres lösen wird, wird von tschechischen Politikern für wenig realistisch gehalten. Der Vorsitzende der Christdemokraten Jan Kasal wies darauf hin, dass Kavan vor den Senatswahlen versuche, sich in den Medien durchzusetzen und die Tatsache irgendwie zu vertuschen, dass er die Unterstützung der Kommunisten akzeptiert hatte.
Jindrich-Chalupecky-Preis ging an David Cerny
Am Donnerstagabend wurde vor dem Messepalast in Prag dem bildenden Künstler David Cerny der Jindrich-Chalupecky-Preis verliehen. Den Preis überreichte dem Künstler Präsident Vaclav Havel. Cerny lehnte es ab, den Messepalast, wo eine Feier vorbereitet wurde, wegen dem Streit mit dem Direktor der Nationalgalerie in Prag Milan Knizak zu betreten. Präsident Havel erklärte, Cerny sei ein nonkonformistischer Künstler, zu dessen Nonkonformismus vielleicht auch die Tatsache gehöre, dass er an der Vernisage der Ausstellung im Messepalast nicht teilnahm.
Tschechische Kultur in Ulan Bator
Die mongolische Öffentlichkeit mit der tschechischen Kultur bekannt zu machen, war das Ziel einer zweitägigen Kulturveranstaltung mit dem Titel "Tschechischer Tag", die am Freitag in der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator zu Ende ging. Über die Präsentation der tschechischen Kultur anlässlich des 11. Jahrestags der samtenen Revolution informierte der tschechische Konsul in Ulan Bator Zdenek Okunek.