Nachrichten Sonntag, 10. Dezember, 2000

Von Lothar Martin

AKW Temelin wird vor Treffen Zeman-Schüssel nicht ans Netz gehen

Das tschechische Außenministerium hat die Information, das südböhmische Atomkraftwerk Temelin könnte noch vor dem für Dienstag in Melk an der Donau anberaumten Treffen von Premier Milos Zeman mit dem österreichischen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel ans Netz gehen, am Samstag energisch zurück gewiesen. Wie der Sprecher des Ministeriums, Ales Pospisíl, gegenüber der Nachrichtenagentur CTK äußerte, hat die Staatliche Behörde für atomare Sicherheit (SÚJB) keine Erlaubnis zur Änderung des Regimes im AKW erteilt und wird sie auch bis Dienstag nicht erteilen. Die Spekulation darüber, dass die Behörde dem Atommeiler die Erhöhung seiner Leistung und letztlich die Inbetriebnahme noch vor dem 12. Dezember genehmigen könnte, hatte die linksliberale Tageszeitung "Pravo" in ihrer Samstagausgabe verbreitet.

Doppelmörder Kajínek nach 40-tägiger Fahndung endlich gefasst

Am Samstag Vormittag ist der einen Tag zuvor gefasste Doppelmörder Jirí Kajínek in das im ostböhmischen Kreis Jicín gelegene Gefängnis Valdice überführt worden. Kajínek, der am 29. Oktober aus dem Gefängnis im nordmährischen Mírov ausgebrochen und seitdem flüchtig war, wurde am Freitag gegen 18 Uhr von der schnellen Eingreiftruppe der tschechischen Polizei in einer Plattenbauwohnung im 13. Prager Stadtbezirk gestellt. Obwohl Kajínek mit einer Pistole bewaffnet war, erfolgte der Eingriff derart schnell und professionell, dass der gesuchte Verbrecher ohne Schusswechsel überwältigt werden konnte. Die Wohnung in der Prager Kurzova-Straße, in der sich Kajínek vermutlich die längere Zeit der 40 Tage, in denen er flüchtig war, aufgehalten hat, gehörte nach Angaben der Hausbewohner der Gattin des zu lebenslanger Haftstrafe verurteilten Mörders Ludvík Cerný, der zusammen mit Kajínek in Mírov eingesessen hat. Cerný war im April 1997 zu lebenslangem Freiheitsentzug verurteilt worden, nachdem ihm und vier weiteren Personen fünf Morde zur Last gelegt wurden, bei denen drei als "Orlík-Morde" berühmt- berüchtigte Aufmerksamkeit erlangt hatten. Die Opfer waren in Fässern eingeschweißt und in der Orlík-Talsperre versenkt worden.

Sieben Mitglieder der Verbrecherorganisation Luhansk-Brigaden gefasst

Sieben hochgestellte Mitglieder der sogenannten Luhansk-Brigaden, einer der größten auf tschechischem Territorium operierenden russisch-sprechenden Verbrecherorganisationen, sind zu Wochenbeginn der tschechischen Polizei ins Netz gegangen. Unter ihnen befanden sich vier tragende Köpfe der Organisation, von denen zwei in Südmähren und zwei in Prag wohnhaft waren. Dies gab Polizeisprecherin Ivana Zelenáková am Samstag der Nachrichtenagentur CTK bekannt.

Tschechien äußerte sich zufrieden mit bisherigem Verlauf des EU-Gipfels

Das tschechische Außenministerium hat die nach dem ersten Verhandlungstag auf dem EU-Gipfel in Nizza vorliegenden Zwischenergebnisse begrüßt. Es betrachtet sie als positiv und ist der guten Hoffnung, dass auch die Verhandlung des Europa-Rates über die institutionellen Reformen erfolgreich verlaufen werde, teilte die Presseabteilung des Ministeriums der Nachrichtenagentur CTK am Freitag Abend mit. Die Vertreter der EU-Mitgliedsländer hatten am Freitag die Hoffnung ausgesprochen, dass die ersten Nachbarländer aus Mittel- und Osteuropa der Europäischen Union zeitlich so beitreten werden, dass sie bereits an den Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 2004 teilnehmen könnten.

Jaroslav Kopriva zum Kandidaten für Vorsitz der Viererkoalition gewählt

Zum Kandidaten der Christdemokratischen Volksunion (KDU-CSL) für die Funktion des Leaders der Viererkoaltion, die als Zweckbündnis vierer liberal orientierter Parteien als Sieger bei den jüngsten Wahlen zum tschechischen Senat hervor gegangen war, ist am Freitag der ehemalige stellvertretende Innenminister Jaroslav Kopriva ernannt worden. Diese Entscheidung fiel am Freitag Abend kurz vor Mitternacht auf der Gesamtstaatlichen Konferenz der KDU-CSL in Prag, nachdem sich Kopriva in einer Stichwahl mit insgesamt 42 Stimmen gegen den Vizevorsitzenden der Partei, Cyril Svoboda, durchgesetzt hatte. Svoboda hatte nur 32 der abgegebenen 74 Stimmen erhalten.

Prager gedachten des 20. Todestages von John Lennon

Am Freitag haben auch die Prager und ihre Gäste des 20. Todestages des legendären Musikers John Lennon gedacht. Den ganzen Tag über zog es Hunderte von Leuten zur sogenannten John-Lennon-Wand auf die Prager Kampa-Insel, wo sie des tragischen Ablebens des einstigen Mitglieds der berühmten Beatles gedachten. Lennon war am 8. Dezember 1980 in New York durch Mark Chapman erschossen worden. Anhänger des Musikers trafen sich zudem am Samstag Abend im Theater des Prager Stadtteils Branik, wo ein weiterer Jahrgang der "Lennoniáde" stattgefunden hat.

"LN": Tschechischer Honorarkonsul wegen Roma-Schmähe unter Druck

Wegen abfälliger Äußerungen über Angehörige der Roma-Minderheit ist der tschechische Honorarkonsul in Neuseeland, Miroslav Paulik, unter Druck geraten. Das berichtete die tschechische Tageszeitung "Lidové noviny" in ihrer Samstag-Ausgabe. Paulik hatte im Zusammenhang mit der zum 1. Januar angekündigten Visumspflicht für Tschechen in Neuseeland vor allem Roma für den Missbrauch des Asylrechts verantwortlich gemacht. "Das sind eigentlich gar keine Tschechen," hatte der Honorarkonsul gegenüber der Tageszeitung "The New Zealand Herald" geäußert. In einer ersten Reaktion distanzierte sich das tschechische Außenministerium von der Äußerung Pauliks.

Euroregionale Bibliothek in Liberec wohl ab Februar 2001 geöffnet

Die deutsch-tschechische Bibliothek mit jüdischem Gebetshaus in der nordböhmischen Stadt Liberec/Reichenberg soll ab Februar 2001 der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Bis dahin sei der Umzug der etwa 1,2 Millionen Bände aus einem früheren Gebäude vermutlich abgeschlossen, sagte ein Behördensprecher dieser Tage der Nachrichtenagentur CTK. Die "Euroregionale Bibliothek" mit Computeranlagen, Videoboxen und Ruhezonen sei für alle Bewohner der böhmisch-sächsisch-bayerischen Region reizvoll, sagte der Sprecher.

Über 1000 Besucher kamen zur Adventsfeier auf die Burg Krivoklat

Mehr als 1000 Besucher fanden sich am Samstag auf der Burg Krivoklat nahe der mittelböhmischen Kreisstadt Rakovník ein, um hier den Advent zu feiern. Es war bereits die achte Feier dieser Art in diesem Jahr. An allen drei Dezember- Wochenenden vor Heilig Abend treten insgesamt acht Musikkapellen und vier Theaterensembles aus ganz Böhmen vor den Gästen auf.