Nachrichten Sonntag, 31. Dezember, 2000
Von Martina Schneibergova
Radio Prag Nachrichten 31.12. 2000
Willkommen zu diesem halbstündigen Programm von Radio Prag, am Mikrofon begrüßt Sie MS. Einleitend bringen wir die Nachrichten, dann folgen die regelmäßigen Sendereihen -- das Regionaljournal und der Spaziergang durch Prag. Hier die Nachrichten:
Erben: Hodac wollte zurücktreten, wurde daran jedoch gehindert
Der Generaldirektor des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens Jiri Hodac hat am Freitag auf der Sitzung des Rates des Tschechischen Fernsehens seinen Rücktritt angeboten. Hodac erklärte am Samstag gegenüber der Nachrichtenagentur CTK, er habe gesagt, wenn er von dem Rat nicht unterstützt wird, werde er zurücktreten. Die Haltung des Rates habe -- so Hodac -- jedoch keinen Grund für den Rücktritt geboten. Der Vizevorsitzende des Fernsehrates Vaclav Erben betonte jedoch, Hodac sei entschlossen worden, zurückzutreten, aber einige Mitglieder des Rates, vor allem aber Jana Dedeckova von der Demokratischen Bürgerpartei-ODS, hätten seinen Rücktritt verhindert.
Der Fernsehrat forderte Hodac zur Wiederaufnahme des Sendebetriebs des Tschechischen Fernsehens auf
Der Fernsehrat hat am Samstag den Direktor des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens Jiri Hodac ersucht, dass er mit allen juristischen Mitteln für die Wiederaufnahme des regulären Sendebetriebs sorgt und das Fernsehgesetz einhält. Damit, wie Hodac dem heutigen Beschluss folgen wird, wird sich der Fernsehrat am 2. Januar befassen. Darüber informierte der Vorsitzende des Fernsehrates Miroslav Mares nach einer mehr als zehn Stunden dauernden Sitzung des Rates.
Seit mehreren Tagen lässt Hodac von seinen Gegnern erstellte Beiträge -- vor allem Nachrichtensendungen -- nicht übertragen. Aus Protest gegen Hodacs Ernennung zum Fernsehdirektor halten Fernsehmitarbeiter das Prager Nachrichtenstudio besetzt und arbeiten in Eigenregie. Hodacs sehr schnelle Ernennung halten sie für eine parteipolitische Entscheidung.
90.000 Menschen haben die Petition zur Unterstützung der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens unterzeichnet
Vor dem Gebäude des Prager Nachrichtenstudios des Tschechischen Fernsehens haben sich auch am Samstag ähnlich wie in den vergangenen Tagen Tausende Menschen versammelt, um die protestierenden Redakteure zu unterstützen. Die Meetings, an denen auch viele bekannte tschechische Künstler und Intellektuelle teilnehmen werden von der Bürgerinitiative "Das Tschechische Fernsehen -- eine öffentliche Angelegenheit" organisiert. Die Bürgerinitiative wird auch von der Tschechischen Film- und Fernsehakademie unterstützt, deren Präsidium sich mit der gespannten Lage im Fernsehen am Freitag befasste.
Eine Petition zur Unterstützung der protestierenden Fernsehmitarbeiter haben bis Freitagabend ca. 90.000 Menschen unterzeichnet. Den Informationen der Nachrichtenagentur CTK zufolge bringen die Menschen ihre Solidarität mit den Protestierenden nicht nur in der Petition zum Ausdruck, sondern schicken ihnen auch zahlreiche Briefe, Fax und Mails.
Der Krisenausschuss des Tschechischen Fernsehens: Es tauchen Provokationen auf
Der Krisenausschuss des Tschechischen Fernsehens hat am Samstag den unabhängigen Senator Vaclav Fischer darum gebeten, ob er versuchen kann, den Kreis der Senatoren zu erweitern, die bereit wären, Zeugen der Ereignisse im Prager Fernsehgebäude zu werden. Seinen Antrag begründete der Ausschuss mit immer häufigeren Provokationen und damit, dass die neue Führung des Senders mit Jiri Hodac an der Spitze bereits einige Mal mit Räumung des Gebäudes gedroht hat. Der Antrag betrifft alle im Senat vertretenen Parteien, hieß es der Nachrichtenagentur CTK in dem Brief des Krisenausschusses an Senator Fischer. Die Protestierenden wurden inzwischen vor allem von Politikern der Viererkoalition und von einigen Sozialdemokraten besucht.
Solidaritätserklärungen aus dem Ausland
Die Internationale Journalistenföderation hat am Freitag zur Beendigung der politischen Streitigkeiten um die Zukunft des Tschechischen Fernsehens aufgefordert. Zur Lage im Sender hat sich auch die Europäische Journalistenföderation geäußert. Ihr Präsident Gustl Glattfelder stellte in seiner Erklärung fest, die Disputation im Tschechischen Fernsehen betreffe die Versuche, die Nachrichtensendungen politisch zu beeinflussen. Über den Standpunkt der beiden Organisationen informierte die Vorsitzende des Tschechischen Journalistenverbandes Irena Valova die Nachrichtenagentur ctk. Valova erklärte, sie habe mit Glattfelder über die Möglichkeiten seiner Organisation im Falle der Gefährdung der Sendungen des öffentlichen Diensts als Systems verhandelt. Wenn die Mitarbeiter des Tschechischen Fernsehens streiken werden, sei die Europäische Journalistenföderation bereit, Solidaritätsaktionen unter allen Beschäftigten aller europäischer öffentlich- rechtlicher Sender zu organisieren, informierte Valova.