Neues Zentralbankgesetz in Tschechien
Herzlich willkommen bei einer weiteren Ausgabe von Wirtschaft und Wissenschaft von Rudi Hermann. Kaum ein Gesetz im Bereich der Wirtschaft hat in der letzten Zeit so viel zu reden gegeben wie das neue Zentralbankgesetz, das Anfang Juli von der Abgeorndetenkammer verabschiedet worden ist. Als harmlose Gesetzesnovelle zur Harmonisierung der Normen im Hinblick auf den tschechischen EU-Beitritt in den Legislativplan aufgenommen, wuchs sich die Vorlage zur hochpolitischen Diskussion aus. Für uns Grund genug, das Thema auch hier aufzunehmen. Wir wünschen guten Empfang.
Geldwertstabilität statt Währungsstabilität - so heisst die Vorgabe für die Zentralbanken der Länder, die zur Europäischen Union beitreten wollen, im Hinblick auf diesen Beitritt. Damit ist die Zielsetzung gegenüber dem jetztigen Stand etwas enger, und zwar auf Grund der in der Praxis gemachten Erfahrung, dass es für Zentralbanken längerfristig schwierig ist, auf den Wechselkurs Einfluss zu nehmen, da sie mit Interventionen ihre Devisenreserven erschöpfen könnten. Da im tschechischen Nationalbankgesetz allerdings noch die Wechselkurspflege als vorrangige Aufgabe der Nationalbank festgeschrieben ist, gilt es, diese eigentlich mehr technisch als politisch anmutende Änderung vorzunehmen.
Dass aus der Zentralbankvorlage dennoch eine hochpolitische Angelegenheit wurde, ist der politischen Atmosphäre in Tschechien der letzten Jahre zuzuschreiben. Blenden wir zurück: Im Frühling 1997, in einer Phase des Wirtschaftswachstums, aber auch eines wachsenden Aussenhandelsdefizits und Schwierigkeiten der Regierung mit der Haushaltsdisziplin, beschliesst die Nationalbank, die unter Druck gekommene Währung dem Spiel der Marktkräfte freizugeben. Der Regierung, damals unter Ministerpräsident Vaclav Klaus, bleibt nichts anderes übrig, als zwei schmerzhafte Sparpakete durchzusetzen, um einem Abdriften der Währung auf dem freien Markt und schwindendem Anlegervertrauen in Tschechien entgegenzuwirken. Im November dann stürzt die Regierung Klaus über einen Parteispendenskandal, und interimistisch wird der bisherige Nationalbankgouverneur Josef Tosovsky bis zu vorgezogenen Parlamentswahlen Regierungschef. Dies sind zwei Elemente, die wesentlich verantwortlich sind dafür, dass die Zentralbank seit Jahren von der Demokratischen Bürgerpartei ODS, deren Chef Klaus ist, vehement angegriffen wird. Einerseits macht die ODS die Zentralbank für die Rezession der letzten Jahre verantwortlich, weil sie eine zu restriktive Währungspolitik verfolgt habe, und andrerseits hat Klaus Tosovsky wohl nicht verziehen, dass er nach ihm den Posten des Regierungschefs einnahm.
Als deshalb die sozialdemokratische Regierung zwecks der Rechtsharmonisierung mit der EU das Thema Zentralbank aufs parlamentarische Tapet brachte, verspürte die ODS offensichtlich einige Lust, offene Rechnungen zu begleichen. Die zahlreichen Abänderungsanträge, die für die Debatte zum Zentralbankgesetz eingegeben wurden, zielten in eine klare Richtung: mehr politische Kontrolle für die Bank. Zusammen mit den Sozialdemokraten, ihren Partnern im sogenannten Oppositionsvertrag zur Teilung der Macht, erreichte die ODS die Verabschiedung der folgenden Neuerungen:
Die Zentralbank muss mit der Regierung Inflationsziel und Wechsekurspolitik konsultieren, der Staatspräsident kann den Bankrat nicht mehr in eigener Regie ernennen, sondern auf Antrag der Regierung, die Höchste Kontrollkammer hat das Recht, die Jahresrechnung der Bank zu kontrollieren, und das betriebliche Budget der Nationalbank wird von der Abgeordnetenkammer des Parlaments genehmigt. Alles in allem: eine klare Tendenz zur Einschränkung der bisherigen weitgehenden Unabhängigkeit der Zentralbank. Die Begründung für diese Schritte lautete, die Unabhängigkeit der tschechischen Zentralbank gehe in ihrer jetztigen Form zu weit und mache die Bank quasi zu einem unkontrollierbaren Staat im Staat.
Existierte nicht der politische Hintergrund der Invektiven namentlich der ODS gegen die Zentralbank, hätten die politischen und ökonomischen Kommentatoren wohl hinter den beantragten Änderungen nicht auch primär politische Motive gesehen. Auch in der Fachwelt gab es nämlich Stimmen, die die Position der tschechischen Nationalbank als allzu unabhängig und zu wenig kontrollierbar ansehen. Das Problem besteht allerdings darin, dass in der tschechischen Politik, in der seit zwei Jahren sehr vieles im Zeichen der Machtabsprache von Sozialdemokraten und ODS steht, naturgemäss der Verdacht schnell auftaucht, bei einer Massnahme handle es sich lediglich um den Versuch der zwei Grossparteien, mehr Einfluss auf ein weiteres Feld des öffentlichen Lebens zu gewinnen. Zu sagen ist ferner, dass einige der beschlossenen Änderungen offensichtlich gegen die Verfassung verstossen, da die Novellierung des Zentralbankgesetzes nicht gleichzeitig von entsprechenden Anpassungen des Grundgesetzes begleitet wurde. Einen differenzierten Kommentar zum Problem publizierte in der Tageszeitung Lidove noviny der renommierte Ökonom Miroslav Singer. Folgende Passagen daraus möchten wir nachfolgend zitieren:
Das vom Parlamen genehmigte Gesetz über die Nationalbank zieht mehr Aufmerksamkeit der Medien auf sich, als es eigentlich verdient. Erstens durch die Geschwindigkeit, mit der ein Fachproblem politisiert und medialisiert wurde, und zwar nicht nur durch die politische Öffentlichkeit, sondern auch einige Vertreter der Zentralbank und der Fachwelt. Zweitens durch den Willen von Sozialdemokraten und ODS, eine Gesetzesnorm zu schaffen, die zwar sachlich vertretbar ist, aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegen die Verfassung verstösst. Und drittens - paradoxerweise ist dies der am wenigsten bedeutsame Aspekt - durch die Tatsache, dass das Abgeordnetenhaus in der Lage war, eine seltsame Mischung aus vernünftigen, widersinnigen und vagen Bestimmungen zusammenzustellen. Es ist offensichtlich, dass Geschichte und politische Interessen die Positionen der Akteure weit mehr bestimmten als ein nüchterner Blick in die Zukunft. Was die Politisierung des Problems anbelangt, so sei daran erinnert, dass die Vorschläge für die Ernennung des Bankrats und die Kontrolle der Bank durch die Oberste Kontrollkammer keineswegs unvernünftig waren. Der jetztige Zustand, in dem der Präsident allein den ganzen Bankrat ernennt, ist im Kontext entwickelter Volkswirtschaften aussergewöhnlich. Zudem bietet er keine Stabilität, sollte es zu plötzlichen Wechseln auf dem Posten des Staatschefs kommen. Auch die Kontrolle der Bank durch die Oberste Kontrollkammer, die sich in der Vergangenheit als wirklich unabhängig erwiesen hat, ist nichts aussergewöhnliches und entspricht durchaus dem Trend zu Transparenz nicht nur bei der Entscheidungsfindung, sondern auch bei der Verwendung der Mittel. Zu den widersinnigen Bestimmungen gehört auf der anderen Seite das Recht des Parlaments, der Nationalbank ihren Betriebskredit zu genehmigen und die Gehälter der Nationalbankexperten zu begrenzen, statt sie zu veröffentlichen. Zu den vagen Bestimmungen sind schliesslich diejenigen zu zählen, die breiten Interpretationsspielraum ermöglichen, ohne dass sich letztlich aber daran etwas ändert, dass vor allem Regierung und Nationalbank miteinander kommunizieren müssen. Solche Resultate sind das Produkt eines Umfelds, in welchem die Positionen der Mehrzahl der Akteure aus den Reihen der ODS durch eine übertriebene Reflexion der Vergangenheit bestimmt sind. Auf der anderen Seite haben aber auch die Nationalbank und die Prager Burg sich dazu entschlossen, jegliche Änderungen a priori anzuprangern. In jedem Fall kann man nur hoffen, dass früher oder später entweder die jetztigen Akteure dieser politischen Debatte aus der Politik ausscheiden oder aber dass die tschechische Währung im Euro aufgeht. Der Blick in die Zukunft kann uns deshalb durchaus gewisse Hoffnung geben.