Nachrichten Samstag, 09. Oktober, 1999
DZURINDA IN PRAG : EINFÜHRUNG DER DOPPELBÜRGERSCHAFT
Die slowakische Regierung hat einen Beschluss gefasst, der es künftig ermöglicht, das 251 000 tschechische Bürger ihre Staatsbürgerschaft in der Slowakei erneuern können. Dies gab am Freitag der slowakische Premier Mikulas Dzurinda im Rahmen seines Tschechien Besuches nach einem Treffen mit dem Parlamentsvorsitzenden Vaclav Kalus vor der Presse bekannt. Das tschechische Parlament habe das Gesetz einer Doppelbürgerschaft angenommen und aus slowakischer Seite seien keine legislativen Normen, sondern vor allem organisatorische Massnahmen notwendig, welche vom slowakischen Innenministerium gutgeheissen wurden, sagte Dzurinda zur Problematik der doppelten Staatsbürgerschaft. Im Gespräch mit Parlamentspräsident Vaclav Klaus habe man unter anderem auch Sber die Erweiterung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen beider Länder gesprochen, da es zu einem dramatischen Rückgang in diesem Bereich gekommen sei. Klaus dementierte im Gespräch mit Dzurinda zudem, dass er der heutigen slowakischen Regierung reservierter gegenüberstehe als der Regierung unter Ex u Premier Meciar. Der slowakische Premier Dzurinda kam am Freitag auch mit der Senatspräsidentin Libuse Benesova zusammen, die ihm versicherte, dass Tschechien der Slowakischen Republik ihre volle Unterstützung hinsichtlich des NATO u Beitritts zusage.
AKTIENTAUSCH ZWISCHEN CR UND SR
Der Privatisierung der tschechischen Grossbank Komercni banka steht offensichtlich nichts mehr im Weg. Der tschechische Premier Milos Zeman verständigte sich mit seinem slowakischen Amtskollegen Dzurinda auf einen Aktientausch. Danach erhält Tschechien den slowakischen KB u Anteil von 13,6 Prozent. Im Gegenzug gibt Prag seine 17 Prozent an der slowakischen VUB Bank ab. Die Frage war seit der Teilung der Tschechoslowakei im Jahre 1993 ungelöst und hatte bisher die Privatisierung der Komercni banka verhindert. Am Rande der Gespräche verlautete, dass die Slowakei wegen des Wertunterschiedes der Aktien möglicherweise eine Kompensationszahlung erhält. Zeman und Dzurinda wollen am 24. November in Bratislava die Frage der Eigentums - Teilung abschliessend lösen. Insbesondere geht es um etwa vier Tonnen Gold in Prag, die von der Slowakei beansprucht werden.
PHÄNOMEN HOLOCAUST KONFERENZ IN TEREZIN
In Tschechien haben Teilnehmer der internationalen Konferenz Phänomen Holocaust die Ermordung von Sinti und Roma während des Zweiten Weltkrieges als weissen Fleck der Geschichte bezeichnet. Es sei dringend notwendig, weiteres Material über diesen Völkermord zu sammeln, weil das ganze Ausmass auch Historikern immer noch nicht bekannt sei, betonten die Fachleute am Freitag zum Schluss der dreitägigen Konferenz in der mittelböhmischen Stadt Terezin Theresiensatdt. An der Veranstaltung nahmen rund 120 Experten teil. Der Vorsitzende des Zentralrates deutscher Sinti und Romas, Romani Rose, sprach sich für die Errichtung eines Mahnmals im südböhmischen Ort Lety aus. Dort waren während des Zweiten Weltkrieges in einem Arbeitslager zahlreiche Roma ums Leben gekommen. Die tschechische Regierung zögert aus Kostengründen, ein grosses Mahnmal zu errichten. Dies sei ein politischer Skandal, sagte Rose. Die Konferenz Phänomen Holocaust war vom tschechischen Präsidenten Vaclav Havel einberufen worden. Mehr zu diesem Thema gleich im anschliessenden Beitragsblock.
ÖSTERREICH ZUR OSTERWEITERUNG
Die EU u Erweiterung bleibt für Österreich ein wichtiges Moment u ungeachtet dessen, was für eine Regierung nach den Parlamentswahlen gebildet werde. Dies erklärte die stellvertretende österreichische Aussenministerin Benita Ferrero u Waldner am Donnerstag auf einer Pressekonfernz in Prag. Zum Problem des südböhmischen Kernkraftwerkes Temelin bemerkte die Vizeaussenministerin, dass Österreich vor der Inbetriebnahme des Atommeilers die Einhaltung der allerstrengsten Normen verlangen werde. Auch zu diesem Thema mehr im nachfolgenden Beitragsblock.
VERHEUGEN ZU TSCHECHIENS EU CHANCEN
Die Tschechische Republik hat immer noch die Chance, der EU unter den ersten Beitrittskandidaten beizutreten. Die EU u Kommission bewertet den Fortschritt Tschechiens zwar kritisch, aus ihrer Bewertung wird nächste Woche jedoch nicht resultieren, dass Tschechien von den sechs Beitrittskandidaten am schlechtesten vorbereitet wäre. Dies erklärte, der Nachrichtenagentur ctk zufolge, der für die Erweiterung zuständige EU u Kommissar Günther Verheugen am Donnerstag in Brüssel nach einem Treffen mit dem tschechsichen Aussenminister Jan Kavan. Verheugen machte Kavan mit den wichtigsten Beschlüssen des Berichts der EU u Kommission zum Stand der Vorbereitungen Tschechiens auf den EU u Beitritt bekannt. Verheugen deutete an, das sich der EU - Bericht unter anderem zur tschechischen innenpolitischen Lage äussere. Er stellte fest, dass bestimmte Probleme des tschechischen Kabinetts nicht mit der Machtausübung, sondern eher mit dem politischen System zusammenhingen. Kavan stimmte Verheugen darin überein, dass die EU - Kommission für die am besten vorbereiteten Beitrittskandidaten das Datum der Beendigung der Beitrittsgespräche vorschlagen sollte.
POE IN PRAG
Am 150. Todestag von Edgar Allen Poe hat eine tschechisch u amerikanische Theatergruppe in der Nacht zu Freitag im Keller der Prager Burg zwei Stücke des amerikanischen Dichters aufgeführt. Das romanische Gewölbe im Amtssitz von Präsident Vaclav Havel ist normalerweise nicht für die Öffentlichkeit zugänglich.