Tschechische Fußballclubs scheiterten in der Qualifikation zur Champions League
Ahoi und herzlich willkommen zum Sportreport von Radio Prag. Am Mikrofon begrüßen Sie Gerald Schubert und Lothar Martin.
Der tschechische Fußball durchläuft gerade ein Wellental. Oder um es genauer auszudrücken: die untere Kurve davon. Noch vor zwei Jahren - im Frühjahr 2000 - wurde Tschechien in der FIFA-Rangliste als Nummer 2 hinter Brasilien geführt! Da schlug vor allem die makellose Bilanz von zehn Siegen aus zehn Spielen in der Qualifikation zur EM-Endrunde in Belgien und den Niederlanden zu Buche. Heute aber liegt die Tschechische Republik in dieser Rangliste auf dem kaum beachteten 21. Rang. Das Scheitern der Nationalmannschaft in der WM-Qualifikation gegen Belgien und die immer wieder nur durchwachsenen Leistungen der Clubvertretungen in den europäischen Wettbewerben sind verantwortlich dafür. Und das in seinen Ausmaßen ebenso kleine Belgien entwickelt sich dabei immer mehr zum Schreckgespenst für die tschechischen Kicker. Warum das so ist, auch darüber geben wir Ihnen Auskunft in den nachfolgenden Minuten. Also bleiben Sie dran!
Nach der großen Enttäuschung in der tschechischen Fußballgemeinde, bei der diesjährigen Weltmeisterschaft nun schon zum dritten Mal in Folge nur Zaungast gewesen zu sein, sollte das angeknackste Selbstwertgefühl der hiesigen Kickerschar zumindest auf Clubebene wieder gestärkt werden. Dazu schickten sich mit Titelträger Slovan Liberec und Vizemeister Sparta Prag gleich zwei Vereine an, um über die Qualifikation in die heißbegehrte, weil finanziell lukrative Champions League zu gelangen. Allerdings, um es vorweg zu nehmen: Hätten die tschechischen Vertreter in den zurückliegenden fünf Jahren den einen oder anderen Punkt mehr eingefahren in den europäischen Clubkonkurrenzen, dann wäre dem Landesmeister der Platz an der Sonne, sprich: die Teilnahme an der Champions League bereits sicher gewesen. So aber musste Slovan Liberec in Qualifikationsrunde 3 zumindest einen Kontrahenten und Sparta Prag in den Runden zwei und drei sogar zwei Gegner eliminieren, um das erklärte Ziel, die Champions League, zu erreichen.
Für Sparta Prag sprach die reich gesammelte Erfahrung aus den letzten drei Jahren, in denen der tschechische Rekordmeister stets zu den 32 Protagonisten der europäischen Königsklasse gehörte. So war es denn kein Wunder, dass die Schützlinge des neuen Cheftrainers Jozef Jarabinský die Auftakthürde Torpedo Kutaissi aus Grusinien nahezu mühelos übersprangen. Und auch der Widersacher in Runde 3, der belgische Meister KRC Genk, erschien den Pragern eine lösbare Aufgabe. Mit der laschen Einstellung, mit der sie das Hinspiel in Genk bestritten und es prompt mit 0:2 verloren, hatten sich die national siegverwöhnten Sparta-Kicker allerdings einen Bärendienst erwiesen. Denn der vermeintlich kleine belgische Stolperstein erwuchs zum großen Brocken, den es nun zu bezwingen galt. Im Prager Rückspiel fehlte es den Mannen um die Heimkehrer Karel Poborský und Miroslav Baránek nicht am Willen, doch die Fahrlässigkeit, mit der Letzterer klare Chancen nahezu reihenweise versiebte, ließ nichts Gutes ahnen. Und so kam es wie es kommen musste: Selbst die famose zweite Halbzeit mit vier erzielten Toren reichte den Blau-Gelb-Roten nicht, um die Champions League zu erklimmen. Zwei weitere Gegentore der Belgier hatten ihnen den Weg dorthin verbaut. So konnte ich als Beobachter dieser Begegnung auch nur dieses Fazit ziehen:Als ob es noch eines Beweises der unkritischen Selbsteinschätzung bedurft hätte, gab Sparta-Coach Jarabinský auf die Frage, wie er den Verlauf der Qualifikation bewerte, zur Antwort: "Ich denke, die zweite Vorrunde haben wir ohne jegliche Probleme gemeistert. In der 3. Runde haben wir aber zum Teil Tribut gezollt für unser dichtgedrängtes Programm und dafür, dass wir vor dem Hinspiel in einer für den Fußball ungünstigen Zeit - nachmittags halb drei - bei großer Hitze das TV-Spiel in der tschechischen Liga bestreiten mussten. Daher gingen wir nicht in bestem Zustand in die Partie von Genk, zumal einige Spieler nach der Begegnung in Kutaissi angeschlagen waren. Das hat sich auf die Leistung niedergeschlagen. Dennoch: Ein völlig anderes Bild bot das Rückspiel gegen Genk im eigenen Stadion, und ich denke, dass wir nur einen kleinen Schritt vom Weiterkommen entfernt waren. Uns hat ein wenig das Glück gefehlt, um weiterzukommen."
Also wieder einmal hat das Glück gefehlt und Pech kam auch noch dazu. Doch wer seine vielen Torchancen nicht nutzt und bei den wenigen des Gegners noch Pate steht, muss zuerst bei sich selbst den Finger in die Wunde legen. Etwas kleinlaut, aber dennoch, gab Jarabinský auf die Frage, wo er die spielerischen Reserven seiner Mannschaft sehe, schließlich zu: "Die spielerischen Reserven liegen ganz sicher darin, dass wir unsere Chancen nicht nutzen und uns in dieser Hinsicht verbessern müssen."
Nach dem Scheitern von Sparta Prag versuchte es Tschechiens Meister Slovan Liberec einen Tag später besser zu machen. Doch die Nordböhmen hatten mit dem fünffachen Cupsieger der Landesmeister und 16-fachen italienischen Titelträger AC Mailand eine weitaus härtere Nuss zu knacken als die Prager. Im Gegensatz zu den Hauptstädtern hatten sie sich bei ihrer Erstauflage in Mailand wesentlich couragierter gezeigt und mit der 0:1-Niederlage auch ein achtbares Ergebnis erzielt. Wie schwer es allerdings ist, gegen die mit allen Wassern gewaschenen Italiener selbst einen solch knappen Rückstand wettzumachen, bewies das zweite Duell im Stadion an der Neiße zu Liberec. Von ihrem phantastischen Anhang nach vorn getrieben, schien es zunächst, als wenn Slovan seinen erfahrenen Gegner zu überrollen drohe. Aber die cleveren Gäste machten aus ihrer zweiten Chance durch Inzaghi nach bereits 20 Minuten das so wichtige Auswärtstor, welches - wie sich später zeigen sollte - die Entscheidung brachte. Denn die unermüdlich anrennenden Reichenberger erzielten zwar noch zwei Tore, die den Sieg bedeuteten, nicht aber das Weiterkommen. Bei Torgleichheit entscheiden nun einmal die Auswärtstore, und hier hatte Milan mit 1:0 die Nase vorn.
Von der Dramatik her hatte das Match den knapp 9.000 Zuschauern jedoch einiges geboten, und auch der Chef des Böhmisch-Mährischen Fußballverbandes (CMFS), Jan Obst, zeigte sich angetan von der Partie: "Das Spiel hat mir sehr gut gefallen. Es war eine ausgezeichnete Begegnung in einer prächtigen Atmosphäre."
Etwas hektisch und voller Emotionen verlief allerdings die Schlussphase der Auseinandersetzung. Slovan hatte nach dem Führungstreffer in der 87. Minute noch einmal alles auf eine Karte gesetzt, doch der spanische Schiedsrichter Ibanez unterband nun fast jeden Zweikampf zugunsten der Italiener und pfiff die Partie zudem knapp eine Minute zu früh ab. Deshalb kam auch CMFS-Boss Obst nicht umhin, den Referee in sein Fazit einzubeziehen: "Ganz sicher ein verdienter Sieg von Liberec und ich meine, er hätte auch um das eine Tor höher ausfallen und damit das Weiterkommen bedeuten können. Leider waren Slovan heute nicht alle Umstände gewogen, ich denke dabei auch an die Leistung des Schiedsrichters."
Schiedsrichterleistung hin, Schiedsrichterleistung her. Unter dem Strich bleibt stehen, dass der tschechische Clubfußball in dieser Saison nicht in der Champions League vertreten und damit nur zweitklassig ist. Sparta Prag hat den Kontrahenten unter- und seine eigenen Fähigkeiten überschätzt, Slovan Liberec hat nach dem Abgang seiner besten Spieler ins Ausland nicht mehr das Potenzial, um wie im Vorjahr in Europa vorn mitzumischen. Für beide Clubs war das Scheitern in der CL-Qualifikation gleichbedeutend mit dem Verlust von 120 Millionen Kronen. Ein Betrag, den vor allem die Prager fest eingeplant hatten. Was bleibt, ist die Teilnahme am UEFA Cup. Hier sollten Sparta gegen Siroki Brijeg aus Bosnien und Slovan gegen Dinamo Tbilissi durchaus eine Runde weiter kommen. Schwieriger dagegen sind die Aufgaben für die beiden anderen tschechischen Vertreter in diesem Cup. Der Hauptstadtclub Viktoria Zizkov ist gegen die Glasgow Rangers nur Außenseiter, und Slavia Prag, der dritte Verein aus der Moldaumetropole, hat es - man will es gar nicht glauben - wieder mit einem belgischen Verein zu tun. Klar, dass Slavia-Trainer Miroslav Beránek schon vorsichtig geworden ist bei der Bewertung der Erfolgsaussichten: "Der belgische Fußball ist bekannt für seine Zähigkeit und Unerbittlichkeit in den Zweikämpfen. Das Nationalteam ist gegen Belgien ebenso gescheitert wie Sparta gegen Genk, und so denke ich, dass dies für uns eine große Warnung sein sollte. Aber wir wollen so spielen, dass wir in die zweite Runde einziehen."
Wir allerdings ziehen uns nun zurück, denn unsere Sendezeit ist schon wieder zu Ende. Vom Mikrofon verabschieden sich Gerald Schubert und Lothar Martin.