Gegen den Zeitgeist: Porträt der Zeitschrift "Respekt"

Respekt

Liebe Hörerinnen und Hörer bei Radio Prag ist jetzt wieder Zeit für den allwöchentlichen Blick auf die tschechische Medienlandschaft. Zu einer neuen Folge des Medienspiegels begrüßen Sie heute Silja Schultheis und Robert Schuster.

Schon in einigen früheren Sendungen haben wir im Medienspiegel anhand von verschiedenen Beispielen versucht, wichtige Tendenzen aufzuzeigen, die für die gegenwärtige tschechische Medienlandschaft durchaus charakteristisch sind. Dazu gehört insbesondere der Trend zu einer gewissen Vereinheitlichung von Inhalt und Form, der vor allem bei der Tagespresse festzustellen ist. Nicht nur, dass es heute zwischen den fünf überregionalen Zeitungen keine wesentlichen weltanschaulichen Unterschiede gibt, die sich etwa auf den Meinungsseiten dieser Zeitungen niederschlagen würden, aber auch bei der Darstellungsweise der Nachrichten sind die einzelnen Zeitungstitel einander nähergerückt. So begannen etwa alle Tageszeitungen fast gleichzeitig in Farbe zu erscheinen, wobei die immer größer werdenden Farbfotos und verschiedene Grafiken unausweichlich den Textanteil verringern. Für die Aufbereitung von komplexen Zusammenhängen bleibt dann logischerweise wenig Platz.

Eine Ausnahme von dieser Regel bilden vor allem einige Wochenzeitschriften, die sich diesen Trends zu widersetzen scheinen. Zu ihnen gehört auch die Zeitschrift Respekt, die sich nunmehr seit 13 Jahren ihr konservatives Layout, welches vor allem auf Zeichnungen und Karikaturen setzt, beibehalten hat. Hat diese Linie überhaupt Zukunft?, war unsere erste ein wenig provokante Frage an Tomas Nemecek, den Chefredakteur von Respekt?

"Also wir sind fest davon überzeugt, sonst würden wir Respekt nicht mehr herausgeben. Wir glauben daran, dass es uns gelingt, in diesem Land 30 000 Leser zu finden, die von ihrem Medium seriöse Informationen erwarten und diese Meßlatte entspricht ungefähr die Zahl, ab der wir rentabel wären. Derzeit sind wir jedoch von diesem Ziel noch entfernt. Was die Frage angeht, ob auch wir in Zukunft mehr Fotos auf Kosten von Kommentaren und Analysen bringen werden, so ist die Antwort nein. Ebenso wenig werden wir auf unserer Titelseite gut verkäufliche Fotos von verschieden Pop-Größen oder jenen, die sich dafür halten, haben. Also Lucie Bila wird dort wahrscheinlich nie zu finden sein."

Gegründet wurde die Wochenzeitschrift Respekt in den bewegten Tagen des Dezember 1989. Damals versuchten einige Dissidenten, unterstützt von Studenten, mit dem s.g. Unabhängigen Informationszentrum eine Art Parallelinstitution zur amtlichen tschechoslowakischen Nachrichtenagentur CTK aufzubauen. Dieses Informationszentrum gab regelmäßig ein Bulletin mit Berichten und kritischen Kommentaren heraus. Im Frühjahr 1990 benannte sich dann diesen Mitteilungsblatt in Respekt um und erschien seither als eigenständige Wochenzeitschrift. Seinen kritischen Geist konnte sich Respekt bis in die Gegenwart bewahren und gewann besonders auf dem Feld des Enthüllungsjournalismus Profil, in einem Bereich also, der in Tschechien, im Vergleich zu anderen Ländern immer noch nicht ausreichend entwickelt ist. Warum eigentlich?, fragten wir den Chefredakteur von Respekt Tomas Nemecek:

"Wir sind Realisten, wir wissen, dass z.B. auch in Deutschland alles seine Zeit brauchte und oft auch heute noch braucht, wie z.B. die immer noch nicht ganz geklärte Affäre mit den schwarzen Konten der CDU beweist. Aber es stimmt wirklich, dass die Macht der Medien in diesem Bereich immer noch unterentwickelt ist. Aber auch wir konnten schon einige schöne Erfolgserlebnisse verzeichnen, so veröffentlichten wir vergangene Sommer eine Reihe von Artikeln über Korruption bei der Vergabe von staatlichen Wohnungen in Prag, wobei die von uns kritisierten Beamten kurz nach Erscheinen unserer Beiträge entlassen wurden. Das heißt, die Lage ist nicht ganz so aussichtslos und sie bessert sich."

Zu den größten Erfolgen, die Respekt bisher für sich verbuchen konnte, zählt Nemecek u.a. eine Serie von Artikeln über illegale Panzerlieferungen Tschechiens an Syrien, welche der Zeitschrift seinerzeit zahlreiche ausländische Preise und Auszeichnungen einbrachte. Der Chefredakteur gesteht aber ein, dass weitaus öfter, als mit der Anerkennung für die geleistete Arbeit die Zeitschrift mit verschiedenen Klagen "belohnt" wird. Aber auch lässt sich ab und zu von einigen Erfolgerlebnissen sprechen, wie Tomas Nemecek des weiteren erläutert:

"Gerade gestern teilte mir einer meiner Kollegen mit, dass wir beim Prager Oberlandesgericht ein Recht bekamen. Es ging um eine Klage von zwei Polizisten gegen Respekt, die wir der Korruption beschuldigten, wobei das Gericht feststellte, dass wir über dieses Thema objektiv und ausgewogen berichteten. In den vergangenen 13 Jahren wurde unzählige Male gegen Respekt geklagt, aber vielleicht nur in drei Fällen hatten wir das Nachsehen. Dazu gehört ein Prozess, den gegen uns der frühere Chefberater von Premier Milos Zeman, Miroslav Slouf einleitete. Wir haben aber leider deshalb verloren, weil einige wichtige Zeugen ihre ursprünglichen Aussagen über die Machenschaften Sloufs zurückzogen. Wir hatten dann wegen Mangels an Beweisen verloren."

Mit der Regierung von Milos Zeman legte sich die Zeitschrift übrigens mehrmals an. Seinen Höhepunkt erreichte dieser schwelende Konflikt wohl im November 2001, als die damalige Regierung ihre Absicht ankündigte, die Zeitschrift mit einer Flut von Einzelklagen in den wirtschaftlichen Ruin treiben zu wollen. Sie nahm zwar später davon Abstand, aber auch Tomas Nemecek gibt heute zu, dass Respekt im entgegengesetzten Fall große Schwierigkeiten bekommen hätte.

Der kritische Geist von Respekt legt den Schluss nahe, dass sich dessen Leserschaft vor allem aus dem Bereich der gebildeten Mittelschichten der großen Städten rekrutiert. Stimmt diese Einschätzung?

"Das stimmt, es sind vor allem Leute in den großen Städten, die uns lesen. In den kleineren sind es aber dann oft diejenigen, die man schon als Meinungsführer bezeichnen könnte, also örtliche Lehrer, Ärzte, wir haben unter unseren Abonnenten sogar einige Geistliche, aber es stimmt natürlich, dass sich der Hauptteil unserer Leserschaft aus den großen Städten rekrutiert. In Prag verkaufen wir etwa ein Drittel der gesamten Auflage. Gut liegen wir auch in den übrigen Universitätsstädten."

Seit 4 Jahren wird Respekt vom ehemaligen Kanzler Präsident Vaclav Havels, Karl Schwarzenberg, herausgeben, den viele als eine graue Eminenz der tschechischen Politik bezeichnen. Im vergangenen Sommer kündigte jedoch Schwarzenberg an, einen strategischen Partner für Respekt suchen zu wollen, der die weitere Entwicklung der Zeitschrift gewährleisten könnte. Wird nun also Respekt in absehbarer Zukunft einen neuen Eigentümer haben? Tomas Nemecek meint dazu abschließend:

"Das ist eine Frage von weiteren Verhandlungen, aber Schwarzenberg sagte klar, dass er Respekt nicht ganz aufgeben wolle und er sagte ebenfalls, dass er für den Fall, dass der künftige Partner nicht seinen Erwartungen entspreche, Respekt bis an sein Lebensende herausgeben werde."