Machtvakuum auf der Prager Burg? Was nach Havels Abgang passiert

Prager Burg, Foto: CTK

Wenige Tage nach dem abermals fehlgeschlagenen Versuch, einen neuen tschechischen Präsidenten zu wählen, gibt es zu den weiteren Vorgangsweisen der politischen Parteien nur Spekulationen. Gewiss ist nur eines: nämlich dass die Amtszeit von Vaclav Havel am 2. Februar endet. Wenn aber kein politisches Wunder geschieht, dann wird es bis dahin kein neues Staatsoberhaupt geben. Was die Verfassung für diesen Fall vorsieht, das analysiert nun Gerald Schubert:

Prager Burg,  Foto: CTK
Die Regelung der Wahl des tschechischen Staatsoberhaupts lässt sich so zusammenfassen: Der tschechische Präsident wird von beiden Kammern des Parlaments gewählt. Die einzelnen Wahlgänge weisen einige strukturelle Unterschiede auf, immer jedoch gilt, dass es am Ende fünfzig Prozent plus eine Stimme für einen Kandidaten geben muss. Und da auch ungültige Stimmen und Stimmenthaltungen mitgezählt werden, kann es sein, dass die Wahl ergebnislos bleibt. So geschehen auf der Prager Burg am 15. und am 24. Januar.

Doch die Verfassung sieht auch vor, was zu geschehen hat, wenn nach dem Ablauf der Amtszeit des amtierenden Präsidenten noch immer kein neuer Präsident gefunden ist. Die Vollmachten des Staatsoberhauptes gehen dann auf den Premierminister und auf den Vorsitzenden der Abgeordnetenkammer über. Im konkreten Fall sind dies also Vladimir Spidla und Lubomir Zaoralek, beide von der Sozialdemokratischen Partei CSSD.

Die Aufteilung der Kompetenzen: Der Premierminister, also Spidla, wird Oberbefehlshaber der Streitkräfte, kann staatliche Auszeichnungen erteilen, Richter ernennen, Amnestien aussprechen sowie Botschafter berufen und auch wieder abberufen. Der Vorsitzende der Abgeordnetenkammer, gegenwärtig Zaoralek, kann zu gegebenem Zeitpunkt die Mitglieder des Verfassungsgerichts sowie des Bankenrates der Tschechischen Nationalbank ernennen, und Referenden ausrufen, wie etwa das über den EU-Beitritt Tschechiens. Außerdem würde im Ernstfall auch die Ernennung der Regierung und ihres Vorsitzenden in seine Kompetenz fallen.

Dass eine solche Ansammlung von Macht also voraussichtlich für eine gewisse Zeit in den Händen von zwei CSSD-Politikern liegen wird, das ist bei Vertretern der Opposition, allen voran der Demokratischen Bürgerpartei ODS, naturgemäß kein Anlass zur Freude. Die ODS-Abgeordnete Eva Dundackova wies außerdem auf die Konflikte hin, die in der Sozialdemokratischen Partei nach den zwei fehlgeschlagenen Präsidentschaftswahlen momentan zu herrschen scheinen:

"Ich glaube, zurzeit fühlen wir alle, dass das keine besonders glückliche Lösung ist. Denn allem Anschein nach gibt es dort intern eine große Krise, und es kann auch zu einem ernsten Konflikt zwischen den beiden politischen Repräsentanten kommen, die die Funktionen des Präsidenten der Republik nun ausüben werden."

Zusammenfassend kann man also sagen: Eine ernsthafte Verfassungskrise droht durch das Machtvakuum auf der Prager Burg, dem Sitz der tschechischen Präsidenten, nicht. Zur Beruhigung der momentan doch eher aufgeheizten innenpolitischen Stimmung aber wäre eine baldige Lösung der Causa "Präsidentschaftswahl" sicher günstig. Ob man diese jedoch durch die Suche nach einem Kandidaten mit Chancen auf eine breite Mehrheit im Parlament anstrebt, wie dies Außenminister Svoboda jüngst gefordert hat, oder ob doch noch die Verfassung zugunsten einer Direktwahl geändert wird, das ist zurzeit wieder einmal Gegenstand von parteistrategischen Auseinandersetzungen.