Wie der Sommer in Tschechien zu Ende geht
Nun folgt im Programm von Radio Prag, verehrte Damen und Herren, eine weitere Ausgabe des Regionaljournals. Der lange und warme Sommer ist nun langsam vorbei, einige freuen sich darüber ebenso wie auf den Winter, viele fürchten schon jetzt den grauen Winter. Egal, zu welcher der beiden Gruppen Sie sich zählen, wird Sie wahrscheinlich interessieren, dass in Tschechien der Sommer ein bisschen anders zu Ende ging als im restlichen Europa. Wie, das erfahren sie in den folgenden Minuten, zu denen ich Sie herzlich einlade. Durch die Sendung führen Sie Lothar Martin und Dagmar Keberlova.
In ganz Europa ist am 22. September der Sommer zu Ende gegangen. Tschechien richtet sich zwar nach demselben Kalender wie das übrige Europa, allerdings wurde hier der Sommer nicht einfach durch den Herbst abgelöst, sondern in den Norden transportiert. Wie das möglich ist? In Tschechien fehlt es nicht an satirischen Veranstaltungen, so kennen viele von Ihnen vielleicht schon das sog. Wallachische Königreich, das sich im Nordosten Tschechiens befindet. Der "Sommertransport" ist auch so eine Sache. Im Norden Tschechiens gibt es hierzu sogar eine eigenständige Gesellschaft, die sich mit dem "Transport" nicht nur des Sommers, sondern auch des Frühjahrs beschäftigt. Die in Decin/Tetschen angesiedelte Gesellschaft für den Transport der Jahreszeiten auf dem Wasserwege hat sich die Aufgabe gestellt, den Sommer jedes Jahr von Tschechien aus in das angrenzende Sachsen weiterzuleiten. Aber beginnen wir von vorne. Den Gründervater dieser Veranstaltung und Leiter der Gesellschaft, Milan Rosenkranc, fragte ich einleitend, wie diese Idee eigentlich entstanden ist:
"Anfang der 90er Jahre haben wir, ein Kreis von Freunden, uns immer wieder getroffen und davon gesprochen, wer welche Flüsse befährt. Dabei kamen wir darauf, dass auf der Elbe nur wenige fahren, weil sie für die Wassersportarten kein wirklich attraktiver Fluss ist. So haben wir entschieden, eines zu probieren: auf der Elbe von Usti/Aussig nach Decin/Tetschen zu fahren. Dieser Idee folgte sehr bald noch eine weitere: Damit wir nicht umsonst fahren, beschlossen wir, den Frühling von Usti nach Decin mitzunehmen. Also um den 21. März sind wir immer gefahren und daraus ist eine Tradition entstanden. Gleichzeitig ist auch unsere Gesellschaft gegründet worden, die folgendermaßen heißt: "Gesellschaft für den Transport der Jahreszeiten auf dem Wasserwege Decin". Zu dieser ersten Veranstaltung kamen dann im Laufe der Jahre weitere interessante dazu: ein Linienmarsch, wo wir am 8. März - an dem während des Kommunismus gefeierten Frauentags - den Grenzsteinen nach entlang laufen, dann die Fukov - Aktion, wo wir im Juli in die nördlichste, nicht mehr existierende Gemeinde Tschechiens fahren und im September findet dann die größte Veranstaltung statt."
Dieses Jahr war dies besonders schmerzhaft, da der Sommer so wunderschön, sonnig und warm wie sonst selten war, erzählte uns weiter Milan Rosenkranz:
"Am Samstag vor zwei Wochen hat die Tour de Schmilka stattgefunden, das ist ein Radausflug zwischen Decin und Bad Schandau. Wir sind auf dem Radweg gefahren und es haben an die 70 Menschen teilgenommen. Die Beteiligung war niedriger als in vergangenen Jahren, da waren es auch schon mal an die 170. Gleichzeitig sind Leute mit unserem Schiff und dem Sommer darauf ebenfalls nach Bad Schandau gefahren, wo wir uns dann alle getroffen haben. Wir warfen dann gemeinsam einen Kranz in die Elbe, womit wir uns von dem wunderschönen Sommer verabschiedet haben."
Auch wenn sie es Übergabe des Sommers nennen, sei diese Übergabe eine anonyme, fügt Herr Rosenkranc hinzu, weil der Sommer an niemand persönlich in Sachsen übergeben werde. Das Schiff ankert im Hafen für Privatschiffe und dort werfen dann die versammelten Sportler aus Tschechien einen Sommerkranz ins Wasser. Die Zusammenarbeit mit Sachsen muss hier verbessert und offiziell werden, erzählt uns lachend Herr Rosenkranc. Die Gesellschaft ist in Decin bereits ziemlich bekannt und ihre Veranstaltungen sind bei den Menschen aus der Region beliebt. Durchschnittlich nehmen so an die 100 Menschen teil und es sei eine angenehme Art und Weise, wie man den Jahresverlauf amüsanter gestalten kann, sagt Herr Rosenkranc weiter. Das sind aber noch lange nicht alle Aktionen, hinter denen die Gesellschaft steht. Dazu veranstalten sie noch weitere Fahrten auf der Elbe, zu denen sie dann das 9 Meter lange Schiff, was die Gesellschaft besitzt, verwendet. Herr Rosenkranc ist aus Decin, ist dort Leiter des regionalen Museums und hat Interesse an der Geschichte seiner Region sowie an dem dortigen Geschehen. Und dass sie dies alles machen, um sich nicht nur zu amüsieren, beweist auch, dass sie versuchen, mit Hilfe dieser Aktionen auch zu helfen. Die Gesellschaft erhebt immer eine kleine Teilnahmegebühr und das eingesammelte Geld spendet sie dann für verschiedene Zwecke. Herr Rosenkranc glaubt nämlich, dass jeder Verband neben seinen eigenen Aktivitäten auch öffentlich nützlich sein sollte:
"Ich glaube, dass wir versuchen, ein bisschen die Kultur der Vereine wieder aufleben zu lassen. Jeder Verband soll seinen Mitgliedern neben Spaß und Sport und Tourismus sollte sich für öffentliche Angelegenheiten einsetzten. Im vergangenen Jahr haben wir beispielsweise einen kleinen Betrag, 1500 Kronen, einer von Überschwemmungen geschädigten Gemeinde gespendet. Gleichzeitig leisten wir finanzielle Unterstützung für die Eulen im Zoo von Decin. Und wir haben einigen Gemeinden Geld für neue Kirchenglocken gespendet. Das Geld der letzten Veranstaltung soll zur Renovierung eines kulturellen Denkmals beitragen."
Und wenn man an einer weiteren Veranstaltung im Grenzgebiet teilnehmen will, was bleibt dem potenziellen Interessierten dieses Jahr noch zur Auswahl?
"Bis zum Ende des Jahres machen wir nur noch zwei Aktionen, und zwar am Heiligen Abend, wo wir uns im Schlosspark von Decin treffen werden und Karpfen ins Wasser lassen. Am 26. Dezember bringen wir dann den Winter in die Berge, und unternehmen dazu eine Wanderung auf den Berg Bukova."
Und damit ist, liebe Freunde, eine weitere Ausgabe des Regionaljournals zu Ende. Wir freuen uns auf ein Wiederhören in zwei Wochen.