In Deutschland wird das "tschechische Eishockey" besonders in Dresden geschätzt

In unserer Sendung vor vier Wochen haben wir Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, eine nahe der tschechisch-deutschen Grenze spielende Eishockeymannschaft vorgestellt - die im nordböhmischen Liberec/Reichenberg "zubeißenden" Weißen Tiger bzw. das in der Landessprache als Bílí Tygri Liberec bezeichnete Team. Da sich Liberec in der Tat nur unweit von der Nordböhmen mit Ostsachsen verbindenden Grenze befindet, kann der Reichenberger Club nicht selten auch deutsche Zuschauer bei seinen Heimspielen begrüßen. Andererseits ist es aber auch so, dass das in Tschechien äußerst populäre und erfolgreiche Eishockey quasi auch nach Deutschland importiert wurde und wird, denn in den beiden höchsten deutschen Spielklassen mischen auch 20 tschechische Cracks mit, in den darunter liegenden Ligen sogar noch weitaus mehr, wobei nicht wenige tschechische Spieler inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft erlangt haben und somit bereits eingebürgert wurden. Bei den Dresdner Eislöwen, dem jenseits der Grenze in der sächsischen Landeshauptstadt beheimateten Drittligaclub, ist das in einem ganz besonderen Maße der Fall. Welche Spieler und auch Clubverantwortlichen hier demzufolge sozusagen die tschechische Handschrift tragen, darüber informieren wir Sie in den nachfolgenden Minuten!

Die Dresdner Eislöwen spielen seit 1999 in der dritthöchsten deutschen Spielklasse - der einstigen Oberliga-Nord, die inzwischen zur Oberliga Südost mutiert ist. Der Weg dorthin war nicht einfach, da ein im Jahre 1970 von der ehemaligen DDR-Sportführung gefasster, das Eishockey diskriminierender Beschluss die Auflösung dieser Sportart in allen ihn in der DDR betreibenden Sportclubs - mit Ausnahme von Ostberlin und Weißwasser - zur Folge hatte, so auch in Dresden. Nach der politischen Wende 1989 wollte der neu gegründete ESC Dresden zwar schnell wieder an die in der Elbmetropole vorhandene gute Eishockeytradition anknüpfen, doch dies war alles andere als leicht. In dem Bestreben, überregionales Eishockey zu organisieren, gründeten die Dresdner 1994/95 gemeinsam mit neun tschechischen Mannschaften die 1. Sächsisch-Böhmische Liga und spielten ein Jahr später in der Regionalliga Nordost. Mittlerweile sind die Dresdner, wie bereits erwähnt, zwar ganz gut im deutschen Spielbetrieb integriert, doch ohne tschechische Hilfe wäre dies sicher nicht so ohne weiteres möglich gewesen. Nur knapp 40 Kilometer von der Grenze zu Tschechien entfernt setzt der Club aus der Landeshauptstadt nicht zufällig auch ganz bewusst auf die so genannte tschechische Eishockeysschule. In der vom tschechischen Manager mit deutschen Pass Jan Tábor weitgehend zusammengestellten und vom in München lebenden tschechischen Coach Jirí Kochta trainierten Mannschaft spielen nicht weniger als vier Tschechen und drei weitere Landsleute von ihnen, die inzwischen in Deutschland eingebürgert sind. Zur letzteren Gruppe gehören neben Petr Hrubý auch Georg Güttler und Zdenek Trávnícek, mit denen ich vor Ort sprechen konnte und die vornehmlich aufgrund ihrer deutschen Vorfahren bzw. ihrer deutschen Ehegattin vor 13 bzw. 12 Jahren in die Bundesrepublik gekommen sind. Dabei bestätigte mir der aus dem mährischen Sumperk stammende Güttler, dass er gerade wegen der auch zwischen Nordsee und Alpen anerkannten tschechischen Eishockeyschule gute Voraussetzungen für seine bereits zwölf Jahre währende Karriere in Deutschland mitgebracht habe:

"Ja, gerade die tschechische Eishockeyschule wird hier ganz gut aufgenommen, weil die Nachwuchsarbeit in Tschechien sehr gut ist. Also ich bin hierher gekommen mit 18 Jahren, ich war ein sehr guter Schlittschuhläufer, was die Grundvoraussetzung für ein gutes Eishockey ist, und ich kann sagen, dass mir die tschechische Eishockeyschule hier in Deutschland viel geholfen hat."

Dass das tschechische bzw. das europäische Eishockey es aber mitunter noch schwer hat, sich in Deutschland vollends Geltung zu verschaffen, darüber sprach ich vor allem mit Jirí Kochta, dem 57-jährigen Trainer der Dresdner Eislöwen. Was mir der gestandene Eishockeyfachmann dabei zu sagen hatte, das erfahren Sie gleich!

Jirí Kochta gehört der so genannten ersten "goldenen Generation" des tschechischen bzw. tschechoslowakischen Eishockeys an, nämlich jener, die in den 70er Jahren insgesamt dreimal den Weltmeistertitel holte und die zusammen mit der damaligen UdSSR und den Schweden das Weltniveau im schnellsten Mannschaftssport unseres Planeten klar bestimmte. Kochta selbst war zwar "nur" beim Gewinn des WM-Titels 1972 in Prag mit von der Partie, wegen seiner Verdienste um das hiesige Eishockey durfte er jedoch auch eine zeitlang in der deutschen Bundesliga für harte D-Mark spielen. Allerdings wurde ihm von den damals amtierenden Sportfunktionären eine problemlose Rückkehr in die CSSR verwehrt:

"In Deutschland habe ich damals in Landshut angefangen, im Jahre 1979, und ich habe hier bis 1981 gespielt. Dann habe ich verlängert und in München gespielt. Ich wollte aber noch ein viertes Jahr haben, weil es damals schon so ausgemacht war, dass ich danach Sparta Prag übernehme. Aber aufgrund der politischen Verhältnisse, vor allem aufgrund der Tatsache, dass ich weder in der Partei noch im sozialistischen Jugendverband SSM gewesen war, wurde es mir nicht erlaubt, länger im Ausland zu bleiben. Ganz im Gegensatz zu Spielern, die in der Partei waren und vier und mehr Jahre im Ausland spielen durften. Das war der Grund, warum ich in Deutschland geblieben bin. Ich wollte es nie, aber es ist so passiert und ich bereue diese Sache überhaupt nicht. Die Entscheidung war spontan und die Frau kam mit den Kindern nach. So sind wir in München geblieben und dort leben wir bis heute noch."

Kochta, der also die Entscheidung "pro Deutschland" getroffen hatte, musste sich demnach schnell in der alten Bundesrepublik zurechtfinden. Doch hierbei halfen ihm sein guter Ruf und seine profunden Eishockeyfachkenntnisse:

"Na sicher kam mir das zu Gute, denn ich habe nicht nur im Verein gearbeitet, sondern wurde auch vom Deutschen Eishockey-Bund beschäftigt. Die Eishockeyschule in Füssen habe ich ebenso mit aufgebaut wie ich auch die deutsche Nationalmannschaft der Junioren trainiert habe. Ich habe z.B. mitgeholfen ein Trainingslager in Frankreich für sie zu organisieren. Also es war schon eine schöne Zeit."

Mit der Zeit aber - besonders ab den 90er Jahren - zeigte sich, dass zunehmend Kanadier und US-Amerikaner die Szene in den obersten deutschen Eishockeyligen zu beherrschen begannen, was Kochta so begründet:

"Das ist ja leichter aus Kanada hierher zu kommen als aus Tschechien. Damals gab es ja noch Ablösesummen zwischen den Vereinen, doch die Kanadier und Amerikaner kommen in dieser Hinsicht völlig unentgeltlich nach Deutschland, die müssen weder an die Vereine noch an die Verbände zahlen. Aber das Eishockey in Deutschland war seit jeher kanadisch geprägt, also kämpfen bis zum Umfallen - das war das deutsche Eishockey. Sicherlich haben hier früher viele tschechische Trainer gearbeitet, aber mit der Zeit sind hier alle verschwunden aus der höchsten Klasse, sie trainieren nur noch in der zweiten Liga und darunter. Die DEL wird heutzutage vom kanadischen Einfluss beherrscht, ab und zu gibt es ein paar Schweden, aber ansonsten ist die DEL eine kanadische Eliteliga in Deutschland."

Die Überflutung der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) mit Kanadiern und Amerikanern hatte jedoch auch zur Folge, dass sich der deutsche Nachwuchs kaum entwickeln konnte und ihm bisweilen auch andere, vor alle spielerisch-technische Elemente des beliebten Kufensports beinahe verborgen blieben. Einer, der gerade dieses Missverhältnis etwas beheben sollte, war und ist auch Jirí Kochta, der mir zu dieser Problematik folgendes sagte:

"Der Verein hat damals von mir verlangt, den Spielern so etwas beizubringen, denn das waren ganz neue Sachen für sie. Was z.B. in Kanada verlangt wird, ist nur: Über die Bande Scheibe raus, alles ganz gerade und nicht zu kompliziert. Die hiesigen Spieler kennen nur dies von Anfang an, und so wollen sie auch das ´andere´ Eishockey von mir lernen. Und sie haben es auch gelernt, haben dann auch so gespielt und die Zuschauer waren begeistert von diesem Eishockey. Also nicht nur Scheibe rein, hinterher und Scheibe wieder raus - das ist nur das einfache Eishockey. Man muss aber versuchen, den Spielern etwas weiterzugeben und ihnen vermitteln, mehr mit dem Kopf zu spielen, denn das kreative Spiel ist nicht vorhanden in Deutschland. Langsam aber sicher will man hierzulande etwas machen in dieser Richtung, doch das ist sehr schwer. Man muss mit den jungen Leuten anfangen, ihnen die Kreativität beizubringen, also dass man nicht nur lernt, zu kämpfen und zu "beißen". Denn das ist ja vorhanden, das muss jeder machen, der gewinnen will. Aber am Ende entscheiden zumeist die Technik bzw. die technischen Fertigkeiten das Spiel, aber das ist hier in Deutschland momentan nicht vorhanden."

Sie hörten Auszüge des Gesprächs, das ich mit dem tschechischen Eishockeytrainer der Dresdner Eislöwen, Jirí Kochta, in Elbflorenz führen konnte. Und damit sind sowohl unser heutiger Sportreport auch schon wieder beendet.