Ein Tscheche in bayerischen Bierzelten - Zbyšek Brůj über die etwas andere Musik
„Co Čech, to muzikant“, auf Deutsch „Jeder Tscheche ist ein Musiker“. Ein geflügeltes Wort, das doch einiges an Wahrheit beinhaltet. Zbyšek Brůj, berichtet über sein Hobby: die Musik. Brůj hat nämlich in Bierzelten, auf Hochzeiten, Firmenpartys und bei Tanzveranstaltungen sein Geld verdient – und das meistens in Bayern. Im Interview erklärt er, wie und warum er zu dieser Art der Musik gekommen ist.
„Also mit der Musik bin ich groß geworden. Seit ich sechs Jahre alt bin habe ich Musikschulen besucht. Meine Mutter wollte immer, dass ich ein Musiker werde, weil mein Vater Motocross gefahren ist. Das wollte meine Mutter nicht, dass ich das auch mache. Deswegen habe ich Klarinette in Pilsen am Konservatorium studiert. Das war eine klassische Musikrichtung.“
Hast du nur Klarinette gelernt oder auch andere Musikinstrumente?
„Im Rahmen dieses Studiums muss man auch Saxofon und Bassklarinette als Nebeninstrumente studieren, aber der Schwerpunkt lag auf der Klassik. Das hat mir aber nicht wirklich Spaß gemacht. So bald es ging habe ich mir dann ein Saxofon gekauft und habe begonnen, mehr Jazz, Funky und Tanzmusik zu spielen.“
Du hast aber dann einen interessanten Weg gefunden, dass Studium zu finanzieren?„Ich habe die Gelegenheit gehabt, als ich 19 oder 20 Jahre alt war, ganz am Ende meines Studiums am Konservatorium, mit einer bayerischen Band zu spielen. Das war eine Tanzband aus Furth im Wald, die hießen „Die Wilderer“. Das war eine typische Bierzeltband. Wir haben lauter solche, die Musiker sagen `Mucke` gespielt. Wir haben auf Hochzeiten, in Bierzelten und auf verschiedenen anderen Festen gespielt, zum Beispiel bei der Freiwilligen Feuerwehr und bei Schützenfesten.“
Was spielt man da für Musik?„Überwiegend war das Volksmusik, Tanzmusik und manchmal ein bisschen Swing. Vor allem aber haben wir so Schlagermusik gespielt von diesen ganzen bekannten Interpreten wie Wolfgang Petri, Udo Jürgens, Andrea Berg oder DJ Ötzi. Also solche Musik hört man im Bierzelt.“
Wie viele Leute spielen in solch einer Band?
„Ich habe dann später auch in anderen deutschen Bands gespielt, aber in dieser Band waren wir zu siebt. Wir hatten zwei Bläser, zwei Gitarren, Schlagzeug, Keyboard, also eine Rhythmusgruppe und zwei Bläser und natürlich muss man singen. Zwei- oder dreistimmiger Gesang ist immer erwünscht.“
Hast du auch gesungen?„Ich habe nur dritte oder vierte Stimme im Hintergrund gesungen, wenn ich Zeit hatte. Der Klang ist dann voller und die Leute mögen es, wenn man singt, sie können dann mitsingen.“
Wie ist es, als Tscheche in einer deutschen Bierzelt-Band zu spielen? Ist es jemandem aufgefallen?
Ein Kumpel von mir hat da bereits Schlagzeug gespielt und noch ein Tscheche hat am Keyboard gespielt. Also das war eher eine gemischte Band. Drei Tschechen und vier Deutsche. Zuerst habe ich gedacht: Toll, ich kann neue musikalische Erfahrungen sammeln, weil ich mit einer Band noch keine Erfahrungen gehabt hatte und ich dachte, ich könnte dabei auch noch Deutsch lernen und natürlich bessere Honorare bekommen als in Tschechien. Aber mit dem Sprachlernen, dass war ein Kapitel für sich. Die Menschen haben auf dem Land gewohnt und als ich das erste Mal in dem Proberaum war habe ich überhaupt nichts verstanden. Die haben Sachen gesagt wie: `Hob die Ehre, hie scho ma` und solche Sprüche. Das war sehr anstrengend, die haben bayerisch gesprochen und nahmen natürlich keine Rücksicht: `Wenn du mit uns spielen willst, dann musst du uns verstehen`. Das war sehr anstrengend, aber für meine passiven Deutschkenntnisse sehr hilfreich.“
Wie ist es, wenn man klassische Musik studiert hat und dann den Kommilitonen erzählt, man spielt in Bierzelten und auf Hochzeiten. Sind die vielleicht ein bisschen hochnäsig oder skeptisch, und denken sich: Wie kann der sich bloß auf einem solchen Niveau bewegen?„Natürlich gibt es viele Vorurteile in Tschechien und ich glaube, solche Vorurteile haben auch die Kollegen, die so etwas noch nicht erlebt haben. Die haben dann meistens nur im Fernsehen einen Bericht gesehen: Da stehen dann tausend Leute in einem großen Bierzelt an der Bank sitzen, aus Maßkrügen Bier trinken und Trachten anhaben. Ich habe nicht überall gesagt, dass ich in Bayern in Bierzelten spiele. Meine Freunde haben das gewusst und die haben das nicht hochnäsig gesehen oder gesagt: Wie kannst du so was machen? Die Musiker sagen: Geschäft ist Geschäft. Wenn du eine solche Gelegenheit bekommt hast, warum nicht. Aber natürlich gab es Leute, die die klassische Musik hochgehalten haben. Aber mit solchen Leuten konnte man darüber auch nicht diskutieren. Es ist auch eine ganz andere Kultur, diese Bierzeltkultur. Am Anfang musste ich auch immer ein bisschen lachen, als ich gesehen habe, wie sich die Leute von der Band steuern lassen. Das die Menschen auf Befehl mitklatschen oder mitsingen, das habe ich wirklich lustig gefunden. Aber dann habe ich langsam verstanden: das gehört zur Kultur. Das ist eigentlich schön, dass sich die Menschen aus einem Dorf im Bierzelt treffen. Sie können sich dort unterhalten und zusammen feiern.“
War das für dich jetzt nur Geschäft oder auch Spaß?„Anfangs war das für mich hauptsächlich Geschäft und ich wollte auch Erfahrungen sammeln. Ich habe ja vorher nie in einer Band gespielt. Aber dann habe ich begonnen, es zu mögen. Wir haben in einer Gruppe zum Beispiel auch Volksmusik von Slavko Avsenik gespielt. Das ist die so genannte Oberkrainer Musik. Das ist ein Fachbegriff für eine 5-Mann-Besetzung und das ist wirklich sehr anspruchsvolle und virtuose Musik, die wirklich ein bestimmtes Niveau der Instrumentenbeherrschung verlangt und das hat mir wirklich Spaß gemacht, so etwas habe ich wirklich gerne gespielt.
Dieser Beitrag wurde am 3. Januar 2012 gesendet. Heute konnten Sie seine Wiederholung hören.