Oster- und Frühjahrsfeierlichkeiten in Tschechien
Das Osterfest ist mehr als nur ein christlicher Brauch. Meistens geht es einher mit dem einsetzenden oder zumindest langsam nahenden Frühling. So ist die Osterzeit eben auch eine begehrte Gelegenheit die verschiedensten Feste und Feierlichkeiten zu begehen. So ist es auch in einer von den Böhmen und insbesondere von den Pragern häufig etwas stiefmütterlich behandelten Gegend im mährisch-schlesischen Hochland. Von zwei interessanten Veranstaltungen aus dieser Region berichtet Olaf Barth im folgenden Schauplatz.
Rund 200 Kilometer nordöstlich der tschechischen Hauptstadt Prag, direkt an der Grenze zu Polen, liegen die Jesenicke Hory - zu deutsch, das Altvatergebirge. Mitten in dessen malerischer Berglandschaft umgeben von einem grünen Vorhang aus Wäldern, findet man den Kurort Jesenik/ Freiwaldau mit dem auf einer Anhöhe über der Stadt gelegenen Kurgebiet Gräfenberg. Nicht nur die gute Luft, die besonders zur Linderung von Atemwegsleiden geeignet ist, sondern vor allem auch das reine Bergwasser dient der Heilung verschiedener Gebrechen. Und so ist es auch kein Zufall, dass Vincenz Priessnitz in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gerade hier seine berühmten Heiltherapien entwickelte, die im wesentlichen auf kalten Umschlägen und Bädern mit jenem Jeseniker Wasser beruhen.
Doch wir wollen weggehen von jenen Vorgängen, die vor beinahe 200 Jahren ihren Anfang nahmen und uns zwei besonderen Ereignissen zuwenden, die sich rund um das diesjährige die Osterfest in diesem beschaulichen Städtchen abspielen und mit Sicherheit unsere Aufmerksamkeit verdienen.
Zunächst einmal die sogenannte Oster-Gastrorevue, die hier vor wenigen Tagen, nämlich am 26. März, stattfand. Die Schüler und Schülerinnen der Integrierten Gastronomiefachschule in Jesenik, die eine Art berufsvorbereitendes Gymnasium ist, sind die Organisatoren dieser besonderen vorosterlichen Veranstaltung.
Mehr dazu verraten uns die 5 Mitglieder des Organisationskomitees:
"Wir sind Schülerinnen der 4. Jahrgangsstufe der Gastronomieschule. Wir haben mit der Organisation dieser Gastrorevue bereits im Dezember begonnen. Das ganze war sehr anstrengend, denn wir haben ein ausführliches Programm vorbereitet. Es finden z.B. Vorführungen im Flambieren von Palatschinken, Mixen von Getränken statt oder auch die sogenannte "Barkeepershow". Dann haben wir einen Wettbewerb im Ostereierbemalen und Auftritte des örtlichen Spielmannszugs sowie eines Zimbalorchesters und noch einiges mehr. Es sollte also für jeden Geschmack etwas dabei sein."
Natürlich können alle von den Schülern und Schülerinnen produzierten Leckereien gekostet werden, Rezepte gibt es allerdings nur auf ausdrücklichen Wunsch. Wie eine Lehrerin ergänzt, handelt es sich um den bereits 5. Jahrgang der Gastrorevue. Das Organisieren dieser Veranstaltung stellt einen Teil des praktischen Abiturs an der Gastronomieschule dar.
"Das ist eigentlich jedes Jahr eine riesige Aktion für die Öffentlichkeit, also für ganz Jesenik. Wir erwarten aber auch einige Gäste von unserer Partnerschule in Polen. Die Schüler des ersten Jahrgangs malen für uns sehr schöne und bunte Plakate, die wir überall in der Stadt aufhängen. In den vergangenen Jahren war die Veranstaltung immer sehr gut besucht. Die Leute kommen gern, weil sie hier gute Anregungen für ihr eigenes Osterfest finden und darüber hinaus noch mit leckeren Speisen und Getränken versorgt werden."
Und so war die Gastrorevue auch dieses Jahr wieder ein voller Erfolg. Eine begeisterte Besucherin kleidet das wie folgt in Worte:
"Also ich finde diese Gastrorevue einfach toll. Es ist schön zu sehen, wie kreativ die Schülerinnen und Schüler sind. Was hier geboten wird, das sind z.T. echte Kunstwerke. Und all die Köstlichkeiten hier... also mir persönlich schmecken ja die flambierten Palatschinken am besten, aber auch die Frühlingssalate sind erstklassig."
Falls Sie nächstes Jahr um die Osterzeit im Raum Jesenik weilen, dann sollten Sie sich die Gastrorevue auf keinen Fall entgehen lassen.
Das zweite Ereignis in Jesenik, von dem ich Ihnen heute berichten möchte, geht auf eine Jahrhunderte alte Tradition zurück, die hier in den 80er Jahren wiederbelebt wurde. Mehr erzählt uns Ludmila Liberdova, eine der Organisatorinnen:
"Die sog. Eröffnung der Quellen findet alljährlich statt - bereits seit 12 oder 15 Jahren - jeweils zu Frühlingsbeginn. Ein festes Datum für das Fest gibt es zwar nicht, es findet jedoch immer an einem Samstag um den 22. April - den Tag der Erde - herum statt. Zu diesem Ereignis haben wir jedes Jahr eine Aktion für Kinder - und auch deren Eltern - in der freien Natur.
Der Höhepunkt ist ein Umzug vom Stadtplatz aus. Am Kopf unseres Umzuges befindet sich die slawische Todesgöttin "Morena" - die wir aus der Stadt heraus tragen, anzünden und in den Fluss werfen. Die sog. Austreibung des Todes oder der Morena ist ein volkstümlicher Brauch, der das Ende des Winters symbolisieren soll."
Frau Liberdova betont, dass dieses Ritual auf eine jahrhundertealte Tradition zurückgeht, die im gesamten mährisch-schlesischen Raum verbreitet war. Die Figur ist eine auf einen Holzstab aufgesteckte Stroh- oder Heupuppe, die eine alte und hässliche Frau darstellen soll - ein Symbol des unangenehmen Winters. Sie trägt einen langen dunklen Rock und zerrissene Lumpen von denen viele lange Bänder herunter hängen. Sie wird von einer Person an der Spitze des Zuges, hoch über den Köpfen der Menschen getragen und an jedem herunter hängenden Band hält sich ein Kind fest. Diese Zeremonie soll symbolisieren, dass der Winter keine Kraft mehr hat, um zu fliehen. Die Puppe wird also zum Fluss getragen, wo sie entkleidet, angezündet und schließlich ins Wasser geworfen wird.
Doch das Jeseniker Ritual geht noch weiter:
"Nachdem die Morena also weggespült wurde, zieht die Prozession in die Natur. Der Weg führt von einer Wasserquelle zur nächsten und bei jeder dieser Quellen - ob sie funktionsfähig ist oder nicht - wird jeweils ein Lied über Wasser gesungen. Immer, wenn wir eine Quelle finden, die verschlammt oder versandet ist, aus der also kein Wasser entspringt, findet die feierliche Zeremonie der Eröffnung statt.
Hier muss ich anmerken, dass die Organisatoren am Vortag die harte Vorarbeit der eigentlichen Reinigung bereits geleistet haben, so dass am Tag der Eröffnung die Teilnehmer - meist Kinder - nur den feierlichen Teil übernehmen. Es sieht also so aus: An der versandeten Quelle sitzt eine traurige Wasserkönigin. Die Kinder - und andere - versuchen vergeblich sie zum Lächeln zu bringen. Wenn dies nicht gelingt, fangen sie an, die Blätter, Hölzer, den Sand und andere Unreinheiten aus der Quelle zu entfernen, so dass das Wasser wieder hervorsprudeln kann. endlich lächelt die kleine Königin wieder und trägt ein Gedicht zur Ehre des Wassers vor: Auf dass das Wasser den Menschen das ganze Jahr über wohl gesonnen sei...."
Nachdem jeder einen Schluck des Quellwassers getrunken hat, zieht die Prozession weiter - nur die kleine Königin bleibt noch eine Weile an der Quelle zurück. Wenn dann alle Quellen zu neuem Leben erweckt wurden geht es zu einem vorbereiteten Festplatz. Dort wird dann fleißig gegrillt und man lässt das Fest am Lagerfeuer gemütlich ausklingen.
Und ausklingen lassen werden wir nun auch unseren Osterschauplatz. Wir hoffen, unsere Stippvisite ins Altvatergebirge hat Ihnen ein wenig Vergnügen bereitet. Ein frohes Osterfest wünschen Ludmila Clauss und Olaf Barth.