Portrait: Jan Kren - Bemühung um Verständigung
Über Konflikte in den tschechisch-deutschen Beziehungen ist schon viel Papier beschrieben worden. Da die aber vor allem in der Vergangenheit wurzeln, ist es nur folgerichtig, dass sich in erster Linie Historiker um eine Verbesserung und Vertiefung des gegenseitigen Verhältnisses bemühen. Einer von ihnen, Jan Kren, empfing dafür vergangene Woche in der deutschen Botschaft in Prag eine der höchsten Auszeichnungen des deutschen Staates: das Grosse Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Wie sich Kren um die tschechisch-deutschen Beziehungen verdient gemacht und was er über dieselben zu sagen hat, erfahren sie nun von Bettina Schlener und Katrin Schröder. Und damit willkommen zu einer neuen Ausgabe unserer Sendereihe Schauplatz.
Was können Historiker für die Aussöhnung zwischen Völkern leisten? Jan Kren, Jahrgang 1930, gibt sich da bescheiden:
Die Geschichte ist nicht nur sein Beruf, sondern sie veränderte auch sein persönliches Schicksal. Nach Gymnasium und Studium der Geschichte an der Karluniversität in Prag lehrte Kren an der Prager Parteihochschule, deren Leiter er schliesslich wurde. Zu Anfang der sechziger Jahre beschäftigte er sich gemeinsam mit einem Autorenkollektiv mit der tschechoslowakischen Widerstandsbewegung während des 2.Weltkrieges - das daraus entstandene Buch konnte aber nach dem Einmarsch der sowjetischen Panzer im August 1968 nicht erscheinen. Auch Kren selbst, der zum Reformflügel der Kommunistischen Partei ( KSC ) gehörte, bekam die Folgen der anschliessenden sogenannten "Normalisierung" zu spüren. 1970 musste er seinen Posten an der Philosophischen Fakultät räumen. Die nächsten zwanzig Jahre verbrachte er als Arbeiter bei den Wasserwerken und lebte mit den beiden ebenfalls degradierten Kollegen Vaclav Kural und Karel Pichlik in einer legendär gewordenen Wohngemeinschaft in einem Bauarbeiterwagen im Wald ausserhalb von Prag.
Erst nach der Revolution 1990 konnte er als Professor wieder an die Universität zurückkehren, 1994 wurde er Rektor des neugegründeten Instituts für internationale Beziehungen. Zur wissenschaftlichen Diskussion hat Jan Kren viele bedeutsame Beiträge geleistet, so mit seinem Buch "Konfliktgemeinschaft. Tschechen und Deutsche 1780-1918" - ein "grosser Wurf", so die Einschätzung seines Freundes und Kollegen Ferdinand Seibt, die in Fachkreisen allgemein geteilt wird. Ebenfalls vielbeachtet wurde sein Band "Weisse Flecken in unserer Geschichte" aus dem Jahr 1990. Dort entwirft er ein Bild dessen, was die linientreuen Geschichtsschreiber durch ihre kommunistische Brille bisher nicht sehen wollten oder konnten.
Einem dieser "weissen Flecke" hat Kren schon sehr früh seine Aufmerksamkeit gewidmet: Der Vertreibung der Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei. Er war 1967 einer der ersten, der dieses Thema auf die Tagesordnung setzte und auch davon sprach, dass sich auch die tschechische Seite mit den damals von Tschechen an Sudetendeutschen begangenen Verbrechen auseinandersetzen müsse.
Das, was sich Deutsche und Tschechen in den letzten 200 Jahren angetan haben, wird seit 1990 ausführlich in der gemeinsamen Historikerkommission besprochen. Seit ihrer Gründung ist Kren ihr tschechischer Vorsitzender. Wir fragten ihn: Gibt es Unterschiede zwischen tschechischen und deutschen Historikern in der Auffassung der gemeinsamen Geschichte?
Dass in der Kommission im Laufe der Jahre eine Annäherung erreicht wurde, ist nicht zuletzt ein Verdienst des Geehrten. In langem Ringen einigte man sich 1996 zum Beispiel auf einen gemeinsamen Text, bescheiden "Skizze" genannt, der die tschechisch-deutsche Geschichte des 19. und 20.Jahrhunderts kurz zusammenfasst. Nachzulesen ist er in einer auf Deutsch und Tschechisch erschienenen Broschüre, der deutsche Titel lautet " Deutsch-tschechische Beziehungen". Zur gleichen Zeit wie die Historiker arbeiteten Politiker und Diplomaten auf beiden Seiten an der 1997 verabschiedeten Tschechisch-Deutschen Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung. Die soll dazu beitragen, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und nach vorn zu schauen. In der Deklaration sieht auch Jan Kren einen Schritt in die Zukunft:
Aus seiner offiziellen Funktion als Vorsitzender will Jan Kren sich nun, mit 70 Jahren, zugunsten eines jüngeren zurückziehen. Als sein Nachfolger ist Jiri Pesek im Gespräch, der ihm auch auf den Direktorsstuhl des Institutes für internationale Beziehungen nachgefolgt ist.