Spam!

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Spam! Das Wort bezeichnet unverlangt eingesandte und meist auf elektronischem Weg übermittelte Nachrichten. Ein allzu dankbares Thema für ein Feuilleton. Zu der Masse der Glossen über Spam, die immer wieder in diversen Medien auftauchen, kommt nun eine Weitere hinzu. Sie ist gleichzeitig ein Einblick in die alltägliche journalistische Praxis.

An einem normalen Wochentag gehen auf dem elektronischen Postfach eines gewöhnlichen Rundfunkredakteurs wie mir geschätzte 50 Emails ein – im Durchschnitt. Weniger als die Hälfte davon hat direkt oder indirekt mit der Arbeit zu tun und ist mehr oder weniger interessant. Der größere Rest spricht menschliche Grundbedürfnisse an, wie zum Beispiel das nach Zuneigung. Vergangene Woche schrieb mir eine gewisse Miss Faith:

„Ich habe deinen Kontakt im Internet gefunden und ich fühle, dass Du eine interessante Person bist. Bitte antworte bald! Und denk daran: Die Entfernung zwischen uns spielt keine Rolle. Nur unsere Liebe ist von Bedeutung.“

Wie nett! Es geht aber auch etwas praktischer. Stört der Staub im Büro? Kein Problem! Herr Stachs hat einen 2000-Watt-Spezialsauger für mich:

„Elektronische Filterwechselanzeige, Metall-Rasterteleskoprohr mit ergonomisch geformtem Handgriff, Saugrohr mit Aufhängevorrichtung, 360 Grad drehbarer Saugrohranschluss, 16 Meter Aktionsdurchmesser, mit wieder verwendbarem Textilstaubbeutel! Innovative Neuheit: Komfort-Infrarot-Fernbedienungseinheit mit allen Schaltmöglichkeiten am Handgriff!“

Preis: Statt 399 nur noch 136 Euro und 10 Cent! Ich nehme einen. Beim Blick auf den sauberen Boden stelle ich beschämt fest: Meine Schuhe sind dreckig. Macht nichts! Tom Greitner kann aushelfen:

„Wir bedanken uns für Ihre Anfrage und senden Ihnen unser Angebot bezüglich der angefragten Schuhputz-Maschine.“

Preis: Statt 799 nur noch 119 Euro. Das ist ein Angebot! Ich nehme eine für mich und kaufe allen meinen Kollegen auch eine. Das Geld dafür treibe ich schon auf. Schließlich habe ich Kontakte – zu zwielichtigen Bankern in Nigeria oder Milliardärswitwen in der Elfenbeinküste. Ich werde schnell fündig. Mrs. Saara Mattin aus Abidjan ist todkrank und hat 8,5 Millionen US Dollar zu viel. Für sechs Millionen soll ich ein Waisenhaus gründen. Den Rest darf ich behalten. Spitze! Das reicht für blitzeblanke Schuhe für mich und die gesamte Belegschaft des Tschechischen Rundfunks. Alles was ich tun muss, ist Mrs. Mattins Anwalt in Kuwait zu kontaktieren. Wenn wir dann alle saubere Schuhe aber ich schon wieder kein Geld mehr habe, frage ich einfach mal nach bei Kojo Jones oder bei Susan Najao oder bei Ahmed Ibrahim oder bei… Reiche Leute kenne ich genug. Sie schreiben mir täglich Emails.

Meine Geldnot scheint sich herumgesprochen zu haben. Nicht herumgesprochen hat sich aber offenbar, was eigentlich mein Beruf ist. Um Dateiverlusten vorzubeugen habe ich mir vor wenigen Tagen selbst eine Email geschickt - mit einem Skript für einen Beitrag. Seit einem Computerabsturz während meiner Abschlussarbeit traue ich den Geräten nicht mehr. Die Email kam mit mehrstündiger Verzögerung an. Dazu die Warnung: „Achtung! Vulgär!“ Der rundfunkinterne Spam-Filter nahm Anstoß an dem Wort „Sexualkunde-Unterricht“ in meinem Beitrag. Was für ein Glück, dass er die wirklich wichtigen Emails anstandslos passieren lässt.