Sportkomplex Stromovka steht vor dem Wiederaufbau
Ahoi und herzlich willkommen zum Sportreport von Radio Prag. Mittlerweile ist schon wieder ein Jahr her, als das verheerende Jahrhunderthochwasser in Mitteleuropa begann, alles davon zu spülen und zu zerstören, was den Flussläufen der Moldau, der Elbe oder der Salzach im Wege stand. Beginnend von ihrem südböhmischen Oberlauf verwüstete die Moldau nicht nur Flur und Hain, sondern auch Gebäude und Anlagen quer durch Böhmen. Die Elbe, die Berounka und die Flüsse in Pilsen taten ein Übriges. Wir haben Sie von einem Jahr zusammenfassend darüber informiert, welche Sportstätten davon betroffen waren. Heute nun wollen wir berichten, was aus einer der bedeutendsten Sportanlagen unter ihnen geworden ist und welche Konsequenzen ihre Zerstörung für die sie einst nutzenden Sportler hatte. Wenn auch Sie es wissen wollen, dann bleiben Sie doch einfach dran!
Die Schäden, die dem tschechischen Sport durch das Hochwasser im vergangenen Jahr zugefügt worden sind, gehen in die Milliarden. Allein bei den rund 300 zerstörten Sportstätten des Tschechischen Zentralverbandes für Sport und Körperkultur (CSTV), dem außer Fußball und Eishockey alle großen Sportverbände angehören, wurde die Schadenssumme mit 905 Millionen Tschechischen Kronen (knapp 30 Millionen Euro) angegeben. Von den acht davon betroffenen Landkreisen hat es die Hauptstadt Prag am ärgsten erwischt. Hier wurde ein Gesamtschaden von rund 320 Millionen Kronen aufgelistet. Es folgen der Landkreis Ústí nad Labem/Aussig mit einer Schadenshöhe von 235 Millionen Kronen und der Landkreis Südböhmen mit 159 Millionen Kronen.
Die insgesamt wohl größte Beschädigung unter den hauptstädtischen Sportanlagen hat den einstigen Sportkomplex im Prager Baumgarten (Stromovka) heimgesucht. Der hier entstandene Schaden wird mit 167 Millionen Kronen beziffert. Das ist aber auch kein Wunder, war er doch Wettkampf- und Trainingsstätte für gleich mehrere Sportler: die Leichtathleten, die Gewichtheber, die Ringer, die Tennis- und die Volleyballspieler. Und entsprechend modern war die Sportstätte auch eingerichtet, wie mir der ehemalige Olympiakämpfer und heutige Chef des tschechischen Ringerverbandes, Petr Kment, zu berichten wusste:
"Im Sportkomplex Stromovka war alles vorhanden, was im Hochleistungssport benötigt wird: dort waren Unterkünfte, es gab einen Speisesaal, ärztliche Praxen und jede Menge Möglichkeiten der Rehabilitation. Das war also ein Komplex, wie man sich ihn nur wünschen kann."
Bereits ein Jahr mussten die Ringer und die anderen Sportler nun ohne ihre geliebte Wirkungsstätte auskommen. Wie es ihnen dabei ergangen ist und wie ihre Zukunftsvision aussieht, das verraten wir Ihnen gleich.
Das erschreckende Bild des Sportkomplexes Stromovka, wie er sich seinen Betreibern nach der Flut dargeboten hat, dies hat Ringerchef Petr Kment wie folgt beschrieben:
"Im letzten Jahr hat uns das Hochwasser gehörig überrascht und bestürzt. Ja in Anführungszeichen lässt es sich sogar sagen, dass es uns quasi wieder dem Erdboden gleichgemacht hat. Denn der Komplex stand nicht weniger als sieben Meter unter Wasser, das heißt, dass selbst unsere Ringerhalle, die sich im ersten Stock befand, noch bis zu zwei Meter hoch vollkommen überschwemmt war."
An ein normales Training war hier also bis auf weiteres nicht zu denken. Daher mussten sich auch die Ringer anderweitig umschauen und fanden zunächst Unterschlupf in einer Halle im Stadtteil Hostivár. Da es hier jedoch Probleme mit deren Beheizung gab, mussten sie schon nach zwei Monaten wieder umziehen. In den Katakomben der Tribüne des Prager Speedwaystadions erhielten sie dann ein Winterquartier. Allerdings ein sehr beengtes, das es ihnen nicht ermöglichte, ihre Ringermatte beim Training komplett auszurollen. Daher wurden zusätzliche Trainingslager in Ungarn und Russland abgehalten, die mit 56 Dollar pro Person und Nacht jedoch arg auf den Geldbeutel schlugen. Doch inzwischen stellt sich die Situation wieder etwas besser dar. Dazu Petr Kment:
"Also gegenwärtig haben wir Verständnis beim Innenministerium gefunden und hier insbesondere bei Frau Dr. Machutová, der Direktorin des Polizeimuseums der Tschechischen Republik in Prag-Karlov. Dort, in einem ehemaligen Kloster mit entsprechenden Räumlichkeiten, sind wir jetzt untergebracht. Einstweilen haben wir die Vorstellung, dort bis zum Ende nächsten Jahres, d.h. also auch bis zu den Olympischen Spielen in Athen bleiben zu können."
Damit ließe sich eine kontinuierliche Vorbereitung des Auswahlkaders auf die Olympiade durchaus bewerkstelligen, ist sich Kment sicher. Er ist sogar verhalten optimistisch, was die Erfolgsaussichten seiner Ringergarde beim Sporthöhepunkt des nächsten Jahres angeht, denn - so auch seine Meinung - all das Negative hat mithin auch etwas Positives:
"Ich bin noch stets der Auffassung, dass man es mit erschwerten Trainingsbedingungen dann etwas leichter im Wettkampf haben sollte. Und für unseren speziellen Fall versuchen wir das auch den Athleten in irgendeiner Art und Weise zu vermitteln."
Jüngsten Berichten zufolge soll in Kürze damit begonnen werden, den einstigen Sportkomplex Stromovka wieder zu rekonstruieren. Untersuchungen hätten nämlich ergeben, dass die Statik des Gebäudes nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde, so dass die Hoffnung besteht, dass es bis Ende 2004/Anfang 2005 wieder in altem Glanz erstehen könnte. Dazu sind laut Jaromír Vodehnal, dem Direktor der Abteilung Sport beim tschechischen Innenministerium, allerdings noch finanzielle Zuwendungen in Höhe von 62 Million Kronen notwendig.
Viel Geld war und ist auch für andere Sportstätten nötig, die das Hochwasser im vergangenen Jahr heimgesucht hat. Ein Bild des Entsetzens bot sich dem Betrachter zum Beispiel vor Jahresfrist auf der Pferderennbahn im Prager Stadtteil Velká Chuchle. Das Geläuf war vollkommen abgesoffen und das Wasser hatte einen Schaden von 25 Millionen Kronen hinterlassen. An Rennen war danach kaum noch zu denken. Doch bereits acht Monate nach der Katastrophe nahm der Turfsport auch dort seine Wettbewerbe wieder auf. Heute hat die Anlage die Hälfte der diesjährigen Saisonrennen schon wieder hinter sich einschließlich das 83. Tschechische Derby. Das große Tennisstadion auf der Prager Hetzinsel (Na Stvanice) konnte bei seiner Rekonstruktion sogar mit etlichen Verbesserungen ausgerüstet werden, denn es war mit 100 Millionen Kronen gegen Witterungseinflüsse versichert.
Und so ist bei den meisten Sportarten und -anlagen inzwischen wieder so etwas wie Normalität eingezogen, auch wenn nichts mehr ist wie es war. Doch auch in Tschechien haben die Menschen bewiesen, dass sie in der Lage sind, das Ausmaß einer solchen Katastrophe Schritt für Schritt zu meistern. Allerdings ebenso in der Hoffnung, dass sie ein solcher Schicksalsschlag so schnell nicht wieder ereilen wird. Und mit diesem Gedanken haben wir für heute auch schon wieder die Ziellinie unseres Sportreports erreicht - auf ein Wiederhören heut in 14 Tagen freut sich Ihr Lothar Martin.