Sportreport
Ahoi und herzlich willkommen zum Sportreport von Radio Prag. Am Mikrofon begrüßt Sie Lothar Martin.
Am vergangenen Wochenende stand der böhmische Riesengebirgsort Harrachov im Blickpunkt des internationalen Skisports. Auf der Mammutschanze am Teufelsberg gab sich die Weltelite der Skispringer ein Stelldichein. Und sie bot begeisternden Sport. Die beiden Weltcupkonkurrenzen im Skifliegen gewann der derzeit überragende Pole Adam Malysz, der Schanzenrekord wurde mehrmals verbessert und am Ende durch den Finnen Jussilainen mit 212,5 Metern fixiert. Aus tschechischer Sicht hatte die tolle Veranstaltung nur einen gravierenden Makel: die einheimischen "Adler" flogen der Konkurrenz wieder einmal um Längen hinterher, waren erneut zweit-, ja drittklassig.
Längst vorbei sind die Zeiten, als ein Mann wie Jirí Raska die internationalen Skisprungwettbewerbe mitbestimmte und seine Klasse mit dem Olympiasieg auf der Normalschanze 1968 in Grenoble krönte. Oder die Zeiten von Lokalmatador Jirí Ploc, der 1983 auf seiner Hausschanze in Harrachov mit 181 Metern den damaligen Weltrekord aufstellte. Ähnlich traurig sieht es für die tschechischen Wintersportler auch in den anderen Skisportarten aus. Lediglich Katerina Neumannová im Skilanglauf der Damen und Ladislav Rygl in der Nordischen Kombination gelingen hin und wieder Achtungserfolge. Und wie es scheint, haben inzwischen auch die Biathleten den Anschluss an die internationale Elite gefunden. Will man aber im Winter von einer wirklichen Domäne sprechen, bei der tschechische Athleten die Weltspitze nicht nur mitbestimmen, sondern sie tagein-tagaus immer wieder verkörpern, dann gibt es nur ein Phänomen zu nennen: das tschechische Eishockey. Und aus diesem Grunde befassen wir uns heute einmal etwas näher mit der obersten Spielklasse des amtierenden Weltmeisters - mit der Ceský Telecom Extraliga. Wenn Sie wissen wollen, wer dort derzeit den Ton angibt und wer bisher hinter den Erwartungen zurück blieb, dann bleiben Sie in den nächsten Minuten bei uns.
Das neue Jahr war gerade einmal fünf Tage alt, da hatte man in Tschechien schon einen Grund zum Feiern: die Jung-Profis des Landes gewannen die U-20-WM in Russland und verteidigten ihren Vorjahrestitel zudem ohne Punktverlust! Zwei Tage später kamen fünf von ihnen gleich wieder in ihren Extraligateams zum Einsatz, ohne allerdings Bäume auszureißen. Doch das verlangt noch keiner. Ihnen gehört die Zukunft. Und diese Zukunft soll gerade dank ihnen für das tschechische Eishockey weiterhin einiges verheißen.
Doch wenden wir uns nun der Gegenwart zu. In ihr spielen andere, gestandene Cracks die tragenden Rollen in der tschechischen Extraliga. Einer von ihnen ist der 32-jährige Jirí Dopita, Center und Kapitän des Vizemeister Slovnaft Vsetín. Als zweifacher Weltmeister und Olympiasieger 1998 im legendären "Jahrhundertturnier" von Nagano ist er der Superstar der Liga schlechthin. Zu Saisonbeginn sorgte er mit seiner Drohung, den Verein zu verlassen, falls nicht alle ausstehenden Gehaltszahlungen an ihn und seine Teamkollegen beglichen würden, für Aufsehen - und für Ordnung. Denn das Geld wurde aufgetrieben und seitdem erhält die Mannschaft ihre Bezüge immer pünktlich und ohne Probleme. Das ist jedoch nicht der einzige Grund, warum die Grün-gelben aus der Mährischen Walachei derzeit an der Tabellenspitze stehen.
Zum Ende der letzten Saison, als Vsetín das Play-off-Finale gegen Sparta Prag verlor, sprach hierzulande alles von einer Wachablösung. Zumal der fünffache Champion der vorangegangenen Jahre einen großen Aderlass zu beklagen hatte. Allen voran die Abgänge der Weltmeister Roman Cechmánek, Pavel Patera, Martin Procházka und Radek Belohlav, von denen die ersten drei auch beim Olympiasieg in Nagano dabei waren. Endspielkontrahent Sparta Prag musste mit Frantisek Kucera, Michal Sýkora, Ladislav Benysek und David Výborný zwar ebenso vier Mehrfach-Weltmeister in die nordamerikanische Liga NHL ziehen lassen, konnte jedoch im Gegensatz zu Vsetín keinen gleichwertigen Ersatz verpflichten. Und so stehen die Nordmähren nach drei Vierteln der 52 Spieltage umfassenden Punkterunde ganz oben in der Extraliga, während Titelverteidiger Sparta Prag im Mittelfeld herumdümpelt und bis zum Schluss kämpfen muss, um den Sprung unter die besten Acht und damit ins Play off zu schaffen. Wir fragten deshalb den Sportmanager der Prager, Miroslav Kunes, wo er den die Ursachen für die unterschiedliche Entwicklung bei den beiden Vorjahresfinalisten sehe: "Selbstverständlich hat Vsetín einige Spieler verpflichten können, um die wir uns auch bemüht haben, doch ich muss sagen, dass die Finanzpolitik unseres Kontrahenten eine ganz andere ist, als wir sie verfolgen. Unsere oberste Prämisse ist es, gut zu wirtschaften. Und deshalb holen wir einen Spieler nur für eine Summe, die seinem aktuellen Marktwert entspricht und beteiligen uns nicht an Transfern, wo diese Beträge in für tschechische Verhältnisse schwindelerregende Höhen geschnellt sind. Daher sollte man nicht vorzeitig urteilen. Man wird erst über einen längeren Zeitraum sehen, ob sich die von Vsetín gezeitigten Investitionen auch wirtschaftlich auszahlen werden."
Der Meister konnte also seine Abgänge nicht so gut kompensieren wie der Erzrivale. Dafür holte er, als die Krise nach der 1:9-Heimklatsche Ende November gegen Pardubice am offensichtlichsten war, mit Milos Ríha einen neuen Trainer. Der soll aus dem jetzigen Kader das Optimale herausholen. Bis Ende Januar können alle 14 Teams mit Blickrichtung Play off zwar noch einmal aufrüsten, doch Kunes lehnt auch jetzt den Kauf von Spielern, die nicht leicht zu integrieren sind, ab: "Wir wollen ganz einfach, dass bei Sparta solche Akteure spielen, die ihre Wurzeln bei unserem Club geschlagen haben und die für Sparta atmen und kämpfen. Wenn wir andere, neue Spieler holen, dann aber nicht um jeden Preis."
Angesichts des in seinem Leistungsvermögen begrenzten und zudem von ständigen Verletzungen heimgesuchten Spielerkaders erscheint der Anspruch, in diesem Jahr den Titel verteidigen zu wollen, etwas überzogen. Trotz der bisher wenig berauschenden Vorstellungen, die die Prager geboten haben, hofft man aber beim Meister bis zuletzt auf Besserung. Auf unsere Frage nämlich, ob man die Saisonziele nicht etwas modifiziert und den Realitäten angepasst habe, antwortete Miroslav Kunes: "Nun, ich würde sagen nein. Wir haben unsere Ziele im Verlauf der Saison selbstverständlich nicht geändert. Sie haben sicher Recht, unser Spiel und unsere Leistungen sind nicht die, die wir uns selbst vorgestellt haben. Aber Trainer Ríha brachte neues Leben in die Mannschaft und wir hoffen, dass es ihm gelingt, die Form des Teams in Richtung Play off zu optimieren. Zudem ist die Liga dieses Jahr sehr ausgeglichen, jeder kann jeden schlagen. Daraus schöpfen wir unsere Hoffnung auf ein gutes Happy end."
Für dieses Happy end, nämlich einen der heißbegehrten acht Play-off-Plätze zu ergattern, bewerben sich noch alle 14 Vertretungen der Extraliga. Auch wenn die Chancen für Kladno, Karlovy Vary/Karlsbad und Havírov schon etwas geringer geworden sind. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. So sind ab Sonntag noch 13 ganz spannende Spieltage in der Liga des Weltmeisters, die zu Recht als eine der besten, wenn nicht gar die stärkste in Europa angesehen wird, zu erwarten. Wenn Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, aus dem sächsischen, bayrischen oder ober- und unterösterreichischem Raum einige dieser Partien verfolgen wollen, dann hier noch ein kleiner Tipp: stets finden sie im grenznahen Gebiet mindestens einen Verein, den Sie besuchen können. Für Sachsen ist es die Mannschaft von Chemopetrol Litvínov, einem nahe der nordböhmischen Stadt Most/Brüx gelegenen Ort, Bayern können Becherovka Karlsbad oder Keramika Plzen bei der Arbeit zuschauen, und alle österreichischen Eishockeyfreunde, die nahe der tschechischen Grenze beheimatet sind, kommen in Ceské Budejovice/Budweis oder Znojmo/Znaim voll auf ihre Kosten. Nur aufpassen: in Znaim ist das Eisstadion mit 5500 Zuschauern nahezu stets ausverkauft!