Streik im Energiesektor?

Elektrische Leitung

Die Arbeitnehmerverbände im Energiesektor haben mit einem Streik gedroht, falls die halbstaatliche Monopolgesellschaft zur Energieerzeugung drohende Kapazitätsdrosselungen und damit verbundene Entlassungen nicht mit einem akzeptablen Sozialplan begleitet. Die Liberalisierung des Strommarkts wirft damit ihre ersten Schatten voraus. Mehr dazu von Rudi Hermann.

Die noch vom Staat beherrschte, aber zur Privatisierung vorgesehene tschechischen Energiegesellschaft CEZ hat angekündigt, bis zum Ende des Jahres 700 Stellen zu streichen. Sollte die Nachfrage nach Energie tiefer sein als erwartet und damit auf die Produktion drücken, könnte es aber zur teilweisen oder vollständigen Abschaltung eines oder mehrerer thermischer Kraftwerke kommen. In diesem Falle müssten zusätzliche rund 1000 Stellen abgebaut werden. Zu den von einer Schliessung bedrohten Kraftwerken gehören die Anlagen im südostmährischen Hodonin, im ostböhmischen Chvaletice und in Melnik nördlich von Prag. Da sich diese Kraftwerke nicht direkt in Gebieten befinden, wo Kohle abgebaut wird, haben sie nämlich höhere Betriebskosten. Minderproduktion droht CEZ nicht zuletzt deshalb, weil die deutschen Energiegesellschaften EON und RWE keinen Strom mehr beziehen wollen. Diesen bei CEZ als Eigentümerin des umstrittenen Kernkraftwerks Temelin einzukaufen, könnte die beiden Gesellschaften nämlich in Deutschland vor Probleme stellen.

Kommt es zu einer Produktionsverminderung bei der thermischen Energie, bleiben die Auswirkungen allerdings nicht allein auf die Energiegesellschaft CEZ beschränkt. Zu spüren bekommen dies dann auch die Kohlegesellschaften, die den von diesen Kraftwerken benötigten Energieträger abbauen. Der Pressesprecher von CEZ, Ladislav Kriz, bezweifelt jedoch, dass es wirklich zur Schliessung aller drei Kraftwerke kommt, die gegenwärtig Gegenstand von Spekulationen sind. Es werde sehr davon abhängen, wie genau der liberalisierte Strommarkt in Tschechien aussehen werde. Gebe es ein Modell mit relativ gutem Schutz vor einer Invasion ausländischer Anbieter, das damit ähnlich aussehe wie etwa in Deutschland, könne sich CEZ auf dem Markt durchsetzen. Wenn nicht, sei das Überleben zunehmend eine Frage der Grösse.

Die Gewerkschaften der Arbeitnehmer im Energiesektor malen allerdings ein Bild, das wesentlich schwärzer ist. Im Hinblick auf Privatisierung und Restrukturierung des Sektors befürchten sie, dass bis zu 66 % der Arbeitsplätze verloren gehen könnten. Der Chef des Gewerschaftsbundes der Energiewirtschaft, Jiri Kubicek, verlangt deshalb von der Regierung einen Sozialplan und beschuldigte das zuständige Ministerium für Industrie und Handel, diese Frage bisher vernachlässigt zu haben. Andernfalls drohen die Gewerkschaften damit, die Stromlieferungen abzuschalten. Die Pressesprecherin des Ministeriums, Anna Starkova, erklärte aber gegenüber den Medien, für die Verhandlungen im Sozialpartnerrat habe das Ministerium ein Grundlagenmaterial zur sozialen Problematik ausgearbeitet. Sie äusserte den Verdacht, dass sich die Gewerkschaften vor den Verhandlungen des Sozialpartnerrats mit ihrer Offensive die Position hätten verbessern wollen.

Autor: Rudi Hermann
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