Telecom-Privatisierung wieder am Anfang?

Herzlich willkommen bei einer weiteren Ausgabe unserer Magazinsendung mit Themen aus Wirtschaft und Wissenschaft, am Mikrofon begrüßen Sie .. und Rudi Hermann. Ende August hat die niederländische Telefongesellschaft KPN, in Tschechien bestens bekannt als strategischer Investor bei Cesky Telecom, bekanntgegeben, die Option auf eine Übernahme von 17 % weiterer Aktien nicht wahrzunehmen. Der tschechische Staat hatte dabei damit gerechnet, dass das Unternehmen KPN, das zusammen mit Swisscom in der Gesellschaft Telsource engagiert ist, an der Kontrolle über eine Aktienmehrheit bei Cesky Telecom interessiert wäre, und die daraus entstehenden Einkünfte schon in die mittelfristige Budgetplanung miteinbezogen. Jetzt allerdings ist ein Strategiewechsel angesagt, und dies zu einem Zeitpunkt, da Festnetzlinien an Attraktivität auf dem Telekommunikationsmarkt einzubüssen beginnen. Die Zukunft nämlich, so scheint sich immer deutlicher abzuzeichnen, gehört der Mobiltelefonie. Es war denn auch der horrende Kaufpreis für eine deutsche sogenannte UMTS-Lizenz, der KPN aus finanziellen Beweggründen zum Umdenken in Tschechien veranlasste. Mehr zu dieser Problematik hören Sie in den folgenden Minuten, zu denen wir guten Empfang wünschen.

Der Verkauf von 27 % des Aktienkapitals der damaligen tschechischen Telefongesellschaft SPT Telecom, heute Cesky Telecom, im Jahre 1995 gehörte zu den grossen Privatisierungen. Den Zuschlag erhielt das Konsortium TelSource, an dem die niederländische KPN und die schweizerische Swisscom beteiligt sind. Die KPN erwarb sich über ihr Engagement in TelSource hinaus noch eigene 6 % am Aktienkapital und bekundete Interesse, in einer weiteren Privatisierungsrunde nochmals 17 % zu erwerben, um schliesslich eine Aktienmehrheit im Unternehmen zu kontrollieren. Der tschechische Staat wiederum richtete sich auf dieses Szenario ein und rechnete damit, die verbleibenden 34 % des Aktienkapitals von Cesky Telecom später an den öffentlichen Finanzmärkten zu plazieren.

Doch es sollte anders kommen. Unlängst engagierte sich KPN in einer Auktion zu einer von mehreren Lizenzen für Mobilfunk der dritten Generation mit der Abkürzung UMTS in Deutschland. UMTS wird dabei eine blendende Zukunft vorausgesagt, denn diese Technologie erhöht namentlich die Übertragungsgeschwindigkeiten von Daten über Funk ganz beträchtlich. Damit werden vollwertige mobile Internet-Lösungen Realität, aber auch Bildmobiltelefone. Es gibt deshalb Experten, die voraussagen, UMTS werde als Kombination von Mobilität und hohen Übertragungsgeschwindigkeiten die Zukunft wesentlich stärker beeinflussen als Festnetze. Diese haben wenigstens gegenüber der jetzt gebräuchlichen GSM-Technologie wenigstens bei der Übertragungsgeschwindigkeit von komplexen Datenpaketen noch deutlich die Nase vorn. Die UMTS-Zukunft scheint allerdings derart verlockend zu sein, dass heute die finanzstarken Telefongesellschaften die Auktionspreise für Lizenzen in astronomische Höhen schrauben. Und deshalb erklärte KPN nach dem Erwerb einer derartigen Lizenz für Deutschland, das Geld reiche jetzt nicht mehr, um auch noch in Tschechien Festnetzinvestitionen zu tätigen.

Was bedeutet dies unmittelbar für den tschechischen Staat? Wie der stellvertretende Finanzminister Jan Mladek in einem Gespräch für die Tageszeitung Mlada Fronta dnes erklärte, muss Prag seine gesamte Privatisierungsstrategie für Cesky Telecom neu überdenken. Statt eines Verkaufs von 17 % des Aktienkapitals an die Niederländer und der nachfolgenden Börsenplazierung der restlichen 34 % ist nun eine öffentliche Ausschreibung angesagt. Das bedeutet nicht zuletzt, dass der tschechische Staat nicht kurz-, sondern erst mittelfristig mit den Mitteln aus dem Verkauf rechnen kann. Denn wie Vize-Finanzminister Mladek erklärte, hätte KPN das Unternehmen Cesky Telecom als schon engagierter Investor schon sehr genau gekannt und deshalb keine Durchleuchtung mehr vornehmen müssen. Zumindest der Verkauf der ersten 17 % wäre deshalb schnell über die Bühne gegangen. Nun handle es sich aber nicht mehr um eine Angelegenheit von zwei oder drei Monaten, sondern eher eines ganzen Jahres. Der Privatisierungsprozess werde aber nicht nur länger, sondern auch teurer, da sich die möglichen Interessenten zuerst ein Bild über das Unternehmen machen müssten. Auf den Einwand, dass ein Wettbewerb unter mehreren Interessenten zu besseren Verkaufspreisen führen könne, meinte Mladek, dies müsse nicht unbedingt so sein, denn die UMTS-Auktionen, die gegenwärtig in Europa stattfänden, würden die Investoren finanziell stark beanspruchen. Mit seinem Standpunkt ist Mladek jedoch in einem gewissen Widerspruch mit seinem Chef, Finanzminister Pavel Mertlik. Dieser erachtet die Möglichkeit, jetzt ein Mehrheitspaket von 51 % der Telecom-Aktien verkaufen zu können, als Positivum, ausgehend von der Tatsache, dass Verkäufe von Mehrheitspaketen über die eingeschlossenen Vorteile generell zu höheren Preisen führen als Verkäufe von Minderheitspaketen. Der gleichen Ansicht ist auch Marcela Gürlichova, Vizeministerin für Transport und Telekommunikation. Seit dem Frühling hätten die Niederländer erwogen, auf den Zukauf von Aktien zu verzichten. Jetzt wisse man wenigstens, woran man sei, und ein Paket von 51 % werde sich wohl besser verkaufen lassen.

Wer nun an der Position als Mehrheitsaktionär bei Cesky Telecom Interesse haben könnte - darüber kann man gegenwärtig nur spekulieren. Die Zeitung Mlada Fronta dnes nannte vier weltweit tätige Grosskonzerne - Deutsche Telekom, British Telecom, das französische Unternehmen Vivendi sowie die amerikanische SBC, die den dänischen Operator TeleDanmark in ihrem Portfolio führt. TeleDanmark hatte sich dabei schon vor fünf Jahren um die tschechische Telefongesellschaft beworben. Von der Deutschen Telecom gibt es zwar Signale, dass sie nicht am tschechischen Festnetz, sondern nur am Unternehmen Èeské Radiokomunikace, also Funkfrequenzen, interessiert sei, doch ein Blick auf die Landkarte zeigt schnell, dass das tschechische Festnetz gut in die Mitteleuropastrategie des deutschen Giganten passen würde. In den vier Visegrad-Staaten Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn würde nämlich die Deutsche Telecom mit dem Erwerb der Majorität bei Cesky Telecom zum absolut führenden Operator. Sie wäre dann in drei der vier Länder, nämlich Tschechien, der Slowakei und Ungarn, sowohl im Festnetz- wie im Mobilbereich vertreten. In Ungarn ist DT Investor bei der Festnetzgesellschaft Matav und beim Mobilfunkbetreiber WestTel, in der Slowakei bei Slovenske Telekomunikacie für Festnetze und Slovenksky Euro Tel für eines von zwei GSM-Netzen, in Tschechien ebenfalls beim Festnetz und beim Mobiloperator RadioMobil. In Polen ist die Deutsche Telecom lediglich im Mobilfunk engagiert, und zwar beim Netz ERA GSM als Partner von Vivendi, während dort das Festnetz in den Händen von France Telecom ist.

Von Cesky Telecom war bisher wenig zur Entscheidung von KPN, auf die Funktion des strategischen Investors zu verzichten, zu hören gewesen. Der Cesky-Telecom-Generaldirektor Premysl Klima meinte gegenüber der Zeitung Mlada Fronta dnes nur in allgemeinen Worten, es sei die Aufgabe des Managements, die Gesellschaft für Mehrheits- und Minderheitsaktionäre sowie potentielle Investoren attraktiv zu gestalten, und dies bedeute, dass die Führung sich auf Kundenorientierung und Effizienz ausrichte. Die Privatisierung des Staatsanteils von Cesky Telecom könne die Gesellschaft selbst jedoch nicht beeinflussen.

Autor: Rudi Hermann
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