Tschechiens Fußballer sind der neue Stolz der Nation

Pavel Nedved, Foto: CTK

Ahoi und herzlich willkommen zum Sportreport von Radio Prag. Vor zwei Wochen haben wir Sie darauf hingewiesen, und vor sechs Tagen haben wir bereits darüber berichtet: Das fußballverrückte Tschechien durchlebte in der vergangenen Woche wieder einmal die Erfüllung eines Traums! Denn durch einen 3:1-Heimsieg über die bis dahin punktgleichen Niederländer haben sich die tschechischen Kicker bereits vorzeitig für die Europameisterschaftsendrunde im kommenden Jahr in Portugal qualifiziert. Eine Tatsache, die schon nach etwas Aufarbeitung verlangt, bei der es gilt, nach den Ursachen für die erneute Leistungsexplosion und nach dem Vater bzw. den Garanten des Erfolgs zu fragen. All diesen Fragen wollen wir in den nächsten Minuten nachgehen!

Wenn es nach den jeweiligen Spielern und Trainern der tschechischen Fußball-Nationalmannschaft ginge, dann würden in Zukunft alle Weltmeisterschaften ausfallen und nur noch Europameisterschaften ausgetragen. Denn es ist schon paradox: Seit 1990 konnte sich keine tschechische Auswahl mehr für das WM-Endrundenturnier qualifizieren, dagegen aber hat sie sich am vergangenen Mittwoch bereits zum dritten Mal in Folge für das europäische Championat qualifiziert. In der Gruppe 3 setzten sich die Männer um Kapitän Pavel Nedved nämlich bereits einen Spieltag vor Abschluss der EM-Qualifikation gegen die Niederlande, Österreich, Moldawien und Weißrussland durch. Die letzten Bausteine auf dem Weg zu diesem großartigen Zwischenerfolg waren die jeweiligen 3:1-Siege gegen die Weißrussen in Minsk und gegen die Holländer in Prag. Besonders der zweite Sieg über die "Oranjes" hatte Gewicht, weil er quasi in einem echten Gruppenendspiel errungen wurde. Daher auch die von großer Glücksseligkeit getragene Reaktion von Milan Baros, dem Schützen des dritten tschechischen Tores, als ich ihn nach seinen momentanen Gefühlen fragte:

"Nun, ganz einfach herrlich, denn wie nun jeder weiß, jetzt sind wir ganz sicher bei der EM dabei. Heute war nicht nur mein Tor wichtig, sondern alle drei, und es war genauso wichtig, dass wir das Spiel so beherrscht haben, wie wir uns das vorgestellt haben."

Etwas sachlich-nüchterner schätzte Vladimír Smicer die von ihm und seinen Mitspielern gegen Weißrussland und die Niederlande gezeigten Leistungen ein:

"Ich denke, dass wir uns ganz sicher noch verbessern müssen. In beiden Begegnungen, sowohl in Weißrussland als auch gegen die Niederlande, hatten wir große Reserven. Wir haben schon bessere Spiele gezeigt, in denen wir einfach einen Lauf hatten, aber ich denke, dafür haben wir in den beiden Spielen vor allem kämpferisch überzeugt. Da wir uns echt rein gehauen haben, ist zwar unsere spieltechnische Klasse, insbesondere die im Angriff, etwas auf der Strecke geblieben. Aber wir hatten den Willen, dieses Spiel zu gewinnen, und daher haben wir es auch gewonnen."

Angesichts dieses Willens und Miteinanders, Eigenschaften, die die tschechische Mannschaft die gesamte Qualifikation über auszeichneten, ist es auch kein Wunder, wenn sich Milan Baros zum Teamgeist wie folgt äußerte:

Pavel Nedved,  Foto: CTK
"Also er ist ganz einfach phantastisch, denn wir haben ein gutes Team, in dem in erster Linie ein hervorragender Zusammenhalt herrscht. Wir sind wirklich eine prima Einheit, ja ich denke, alles funktioniert derzeit so, wie es sein soll."

Dennoch, zu einem starken Team gehören in der Regel auch hervorragende Einzelkönner. Mit dem für Juventus Turin spielenden Mittelfeldstar Pavel Nedved hat Tschechien zweifellos einen ganz Großen in seinen Reihen. Wer aber im Spiel gegen die Niederlande der überragende Akteur auf dem Platz war, das verrät Ihnen ein auch in Deutschland bestens bekannter Angriffshüne - der für Borussia Dortmund spielende Jan Koller, und zwar in der sich inzwischen angeeigneten Sprache seines Arbeitgebers:

In der Tat, die Leistung von Karel Poborský war an diesem Abend nicht zu toppen: Das Foul von Edgar Davids, das zum Elfmeter und danach zum 1:0 durch Koller führte, wurde an ihm verwirkt, das alles klar machende 3:1 wurde durch seinen Pass auf Baros glänzend vorbereitet und das letztlich entscheidende 2:0 erzielte er schließlich selbst. Und zwar in einer Art und Weise, wie sie nur ganz wenige Kicker draufhaben. Doch hören Sie selbst:

(Live-Mitschnitt)

Die Bilanz der tschechischen Fußball-Nationalmannschaft in der am 11. Oktober für sie in Wien mit der Partie gegen Gastgeber Österreich zu Ende gehenden EM-Qualifikation kann sich in der Tat sehen lassen: 6 Siege und ein Unentschieden brachten ihr uneinholbare 19 Punkte und das tolle Torverhältnis von 20:3 ein. Insgesamt ist diese nach der verkorksten WM-Relegation von vor zwei Jahren etwas umformierte, vor allem aber mit einem neuen Gesicht ausgestattete Mannschaft nunmehr bereits seit 17 Begegnungen ungeschlagen. Und das ist in erster Linie das Verdienst des seit Ende 2001 mit ihr arbeitenden Trainers Karel Brückner. Allerdings wusste der 63-jährige "Fußball-Professor" schon im Vorfeld, dass seine noch relativ unerfahrene Elf mit der Partie gegen Holland ihre bisher größte Nagelprobe zu bestehen hatte. Auf meine Frage, ob er froh sei, dass sie diese nun auch bestanden habe, antwortete Brückner:

"Ganz sicher ja, denn es ist eine noch junge Mannschaft. Denn es war doch heute etwas ganz anderes als wie in den Freundschaftsspielen gegen die Türkei und Ex-Jugoslawien, wo wir 4:0 bzw. 5:0 gewonnen haben. Dort ging vieles von ganz allein, nachdem der Spielauftakt gelungen war. Aber diese Spiele hatten halt nur einen kleinen Schwierigkeitsgrad. Deshalb bin ich auch der Meinung dass die dort gezeigten Leistungen nicht so hoch honoriert werden sollten wie in den schwierigen Vergleichen wie jetzt gegen Weißrussland und die Niederlande. Das ist ein diametraler Unterschied für mich. Der Schwierigkeitsgrad gegen Weißrussland und in der heutigen Partie mit den Holländern war doch ganz enorm, und danach bewerte ich vor allem die gezeigte Leistung."

Karel Poborský  (re.),  Foto: CTK
Jawohl, Karel Brückner wird in Tschechien bereits als der neue Erfolgstrainer gefeiert, da er in nur kurzer Zeit eine spielstarke Nationalmannschaft geformt hat, die nun auch für die EM-Endrunde 2004 in Portugal große Hoffnungen geweckt hat. Und was sagt Brückner selbst dazu:

"Ich habe selbstverständlich ein gutes Gefühl, ja ein sehr gutes Gefühl. Ich bin einfach stolz darauf, eine solche Mannschaft zu trainieren."

Dass diese Mannschaft derzeit auch wieder der Stolz einer ganzen Nation ist, das haben auch noch kleinere und mittlere Mosaiksteinchen rund um das "Spiel des Jahres" deutlich gemacht. Die Begegnung gegen die Niederlande war binnen weniger Stunden ausverkauft, die ausschließlich über eine Sitzplatzkapazität verfügende Prager Toyota Arena mit ca. 18.400 zahlenden Zuschauern daher seit langem erstmals wieder bis auf den letzten Platz besetzt. Für Eintrittskarten im Wert von 600 Kronen wurden Schwarzmarktpreise von über 2000 Kronen geboten, die Tageszeitung "Sport" war am darauf folgenden Donnerstag innerhalb weniger Minuten total vergriffen. Unmittelbar nach dem Abpfiff der Partie wollte auch die Jubelorgie zwischen Mannschaft und Fans kein Ende nehmen. Deshalb ließ man sich nicht zweimal bitten, als der bekannte Opernsänger Vratislav Kríz alle im Stadion ausharrenden Tschechen dazu aufforderte, mit ihm noch einmal die Nationalhymne zu singen. Und mit einer Einspielung davon beenden wir unseren heutigen Sportreport.

(Live-Mitschnitt)