Tschechische Erfindungen

In unserem sommerlichen Wochenendprogramm erfahren Sie von Olaf Barth und Katrin Bock, was der Blitzableiter, Druckknöpfe und Kontaktlinsen mit den Böhmischen Ländern gemeinsam haben.

Kennen Sie Prokop Divis? Jindrich Waldes oder Jakob Christof Rad? Nein? Aber Sie kennen Blitzableiter, Druckknöpfe und Würfelzucker? Nun, diese Herren haben sich um die Entstehung jener Gegenstände verdient gemacht. In den folgenden Minuten wollen wir Ihnen einige Erfindungen vorstellen, die auf tschechischem Boden getätigt wurden. Beginnen wir mit Prokop Divis, der vor 305 Jahren, am 1. August 1696 im ostböhmischen Zamberk zur Welt kam.

Prokop Divis stammte aus einer armen Familie, doch hatte er das Glück in einem Jesuiten-Gymnasium studieren zu können. Die anschliessende Priesterlaufbahn ermöglichte ihm zudem das weitere Studium. Divis interessierte sich dabei vor allem für Naturwissenschaften, insbesondere für die Elektrizität. Einige Jahre lehrte er an Klosterschulen Physik. Dabei führte er mit Vorliebe die verschiedensten Versuche durch. Schliesslich wurde Divis jedoch in ein kleines mährisches Dorf versetzt, wo er als Pfarrer tätig war. Von seinen Versuchen liess er allerdings auch hier nicht ab. Divis stand im Kontakt mit den führenden Gelehrten seiner Zeit und war stets auf dem Laufenden, was Versuche und Erfindungen im Bereich der Elektrizität betraf.

seinem Instrument, das er meteologisches Gerät nannte, Elekrizität aus der Atmosphäre herausziehen und so Gewitter verhindern. Fünf Jahre lang stand das Gerät im Pfarrgarten, dann zerstörten es die örtlichen Bauern. Diese glaubten nämlich, dass das Gerät an der lang anhaltenden Dürre Schuld sei und vernichteten das ihrer Meinung nach teuflische Konstrukt. Einige mögen behaupten, dass Benjamin Franklin der Erfinder des Blitzableiters ist, doch ist sicher, dass Prokop Divis seinen unabhängig von den Versuchen Franklins konstruierte. Zudem unterschieden sich die beiden Geräte sehr.

Prokop Divis entwickelte jedoch nicht nur den Blitzableiter, er experimentierte auch mit der sog. Elektroheilung. Er behandelte Menschen mit Rheuma, Epilepsie und Lähmungen mittels Elektrizität - seiner Meinung nach hatte diese Methode einen grossen Vorteil: sollte sie nicht helfen, so schade sie wenigstens auch nicht. Prokop Divis konstruierte über Jahre hinweg ein weiteres Instrument - diesmal für sein reines Vergnügen: den sog. "Denis d`Or". Der "Goldene Divis" war ein Musikinstrument mit 14 Tastaturen und Pedalen, das die verschiendensten Instrumente imitieren konnte - mal klang es wie eine Harfe, mal wie ein Fagott oder Klavier, manchmal sogar wie eine menschliche Stimme. Bald machte die Nachricht von diesem wundervollen Instrument in Europa die Runde, unter den Interessenten, die eine grosse Geldsumme für die Musikmaschine hinlegen wollten, soll auch der preussische Prinz Heinrich gewesen sein. Einig wurde man über den Verkauf allerdings nicht, da Prokop Divis noch während der Verhandlungen im Dezember 1765 verstarb. Das Instrument erbte Divis`s Heimatkloster, das es später an einen Organisten in Wien verkaufte. Nach dessen Tod verlieren sich die Spuren des Denis d`Or.

Rund 80 Jahre später erblickte ein Produkt, das heute eine Selbsverständlichkeit zu sein scheint, in einer mährischen Kleinstadt das Licht der Welt. Sein Erfinder war zwar ein schweizerischer Wiener, doch da er seine bedeutenste Erfindung auf mährischen Boden tätigte, wollen wir diese auch anführen: Sollten Sie schon einmal im südmährischen Städtchen Dacice gewesen sein, haben Sie sich vielleicht über das seltsame Denkmal gewundert: ein riesiger Würfel auf einem Sockel, auf dem die Jahreszahl 1843 eingemeisselt ist. Nun in jenem Jahr erhielt Jakob Christoph Rad das Privileg zur Herstellung von Zuckerwürfeln. Bereits zwei Jahre zuvor hatte in Dacice der erste Zuckerwürfel überhaupt das Licht der Welt erblickt. Der Legende nach soll sich die Ehefrau von Herrn Rad beim Bearbeiten des bis dahin üblichen Zuckerhuts in den Finger geschnitten haben und ihrem Gatten, dem Direktor der hiesigen Zuckerfabrik, erklärt haben, er solle sich endlich etwas einfallen lassen, was das Bearbeiten des Zuckers für Hausfrauen vereinfache.

Und so erfand Jakob Rad den Zuckerwürfel, der sich bald durchsetzen konnte. 1843 erhielt die Zuckerfabrik in Dacice das Privileg zur Herstellung jener Zuckerwürfel, ein Jahr später wurde die Herstellung von Zuckerwürfeln patentiert. Sowohl Hausfrauen als auch Händlern vereinfachte die Erfindung von Herrn Rad das Leben. Heute werden in südmährischen Dacice keine Zuckerwürfel mehr hergestellt, die Fabrik ist längst geschlossen. Doch gibt es in Tschechien noch drei Fabriken, in denen diese mährische Erfindung bis heute produziert wird.

Für den Siegeszug des Druckknopfes in aller Welt ist ein Prager Industrieller verantwortlich. Jindrich Waldes gründete 1902 seine Firma Waldes & Co., die sich auf die Produktion von Druckknöpfen und anderen Kurzwaren spezialisierte. Waldes entwickelte 1903 eine Maschine, in der der Druckknopf automatisch hergestellt werden konnte - zuvor war dies eine rein manuelle Arbeit gewesen, weswegen dieses praktische Ding keine weite Verbreitung gefunden hatte. Nun aber eroberte das Prager Produkt bald den alten Kontinent, in einigen Ländern entstanden Filialen und Fabriken. Nach dem Ersten Weltkrieg setzten die Waldes`schen Druckknöpfe ihren Siegeszug in Amerika fort. Zu jener Zeit wurde auch das bis heute benutzte Logo der Firma erfunden: ein Mädchengesicht mit einem Druckknopf im Auge. Entworfen hat das Logo der bekannte tschechische Künstler Frantisek Kupka.

Nachdem 1936 die Auslandssendungen des tschechoslowakischen Rundfunks entstanden waren, hielt Waldes für diese des öfteren Vorträge in Tschechisch und Englisch über das richtige Management grosser Unternehmen - seines gehörte in seiner Branche zu den grössten und erfolgreichsten der Welt. Jindrich Waldes konnte sein Firmenimperium bis 1939 erweitern, dann aber kam die deutsche Besatzung, die der tschechische Patriot und Jude nicht überlebte. Seine inzwischen in Koh i Noor umbenannte Fabrik wurde verstaatlicht und stellt bis heute Druckknöpfe und andere Kurzwaren her.

Der wohl bekannteste tschechische Erfinder ist Frantisek Krizik, der vor allem mit Elekrizität experimentierte. Der 1847 geborene Elektrotechniker und Unternehmer sorgte sozusagen für die Elektrifizierung des Landes. Er liess die erste elekrtische Strassenbahn in Prag erbauen, die 1891 ihren Betreib aufnahm, stand an der Wiege vieler Elekritzitätswerke in Böhmen und baute 1903 die erste voll elekrizifierte Bahnstrecke in der Habsburgermonarchie aus, die von Tabor in das südböhmische Bechyne führte. Für die Böhmische Landesausstellung 1891 erfand Krizik eine Leuchtfontäne, die das Publikum begeisterte, zudem entwarf er die elektrische Beleuchtung für das Prager Nationaltheater. Für seine 1881 entwickelte Bogenlampe erhielt Krizik in ganz Europa Auszeichnungen. Sein Patent kauften Fabriken in Deutschland, Frankreich, Österreich und England. Letzteres liess seine Kolonien mit den Lampen des Prager Erfinders beleuchten, die vor allem bei der Strassenbeleuchtung eingesetzt wurden.

Der "tschechische Edison" war zudem der erste, und bis heute wohl der einzige Prager, der mit einem selbstgebauten Elektromobil durch die Prager Strassen fuhr. Angesichts der heutigen Probleme mit der Luftverschmutzung sollte man vielleicht die alten Pläne des Erfinders wieder auskramen und sein Elektromobil nachbauen.

Nicht nachbauen sollte man dagegen vielleicht das erste Dampfauto aus dem Jahre 1815. Als zweiter in Europa konstruierte Josef Bozek ein mit Dampf betriebenes Auto, das er 1817 den staunenden Pragern vorführte.

Vor kurzem verstarb der tschechische Chemiker Otto Wichterle. Da er sich politisch engagierte, stets seine Meinung sagte und sich weder während der deutschen Besatzung noch während der kommunistischen Epoche anpasste, musste Wichterle viele seiner Experimente zu Hause unter provisorischen Bedingungen durchführen. Und so stellte er 1961 in seiner Wohnung die ersten weichen Kontaktlinsen der Welt her. Zusammen mit seiner Frau goss er diese in Formen, die er mit Hilfe eines Kinderbausets gebaut hatte. Mit Hilfe dieses Kinderspielzeugs entdeckte Wichterle, wie Kontaktlinsen in Massenproduktion hergestellt werden könnten. Reich wurde der dem kommunistischen Regime unliebsame Erfinder allerdings nicht. Die tschechoslowakische Akademie der Wissenschaften verhökerte sein Patent an eine US-amerikanische Firma ohne das Wichterle je einen Heller gesehen hätte.

Autoren: Olaf Barth , Katrin Bock
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