Vorstellung der tschechischen Internet-Zeitung "Britské listy"

Britské listy

Liebe Hörerinnen und Hörer, wie am Ende jeder Woche haben wir auch diesmal eine weitere Folge von Im Spiegel der Medien, der Mediensendung von Radio Prag für Sie vorbereitet. Am Mikrophon begrüssen Sie dazu recht herzlich Dagmar Keberlová und Robert Schuster.

Heute wollen wir in unserer Sendung wieder einmal ein Medium vorstellen, das zum Bereich der s.g. neuen oder auch Internet-Medien gehört. Vielleicht können Sie sich erinnern, dass wir bereits vor einigen Wochen in unserer Sendung die Internet-Zeitung Neviditelny pes, was auf Deutsch soviel wie "Unsichtbarer Hund" bedeutet, vorgestellt haben. Auch jenes Medium, vom dem heute die Rede sein wird, hat einen auf den ersten Blick etwas eigenartigen Namen, nämlich Britské listy, was auf Deutsch Britische Blätter bedeutet. Der Grund dafür ist der Umstand, dass die Redaktion der Blätter ihren Sitz in Grossbritannien hat, genauer gesagt im schottischen Glasgow.

Die Idee zur Gründung der Zeitschrift hatte im Jahr 1996 Jan Culik, der als Bohemist damals gerade seine Gastprofessur an der Glasgower Universität antrat und auf diese Weise, wie er es im Gespräch mit Radio Prag darlegt, einen engen Kontakt mit der Heimat aufrecht halten wollte. Das Internet war auch in Tschechien gerade im Begriff sich durchzusetzen und so kann Culik im Nachhinein im Bereich Internet-Medien als eine Art Pionier bezeichnet weden.

Welche Bilanz zieht also Jan Culik nach den sieben Jahren, seit denen er die Britske listy redaktionell betreut? Konnten sich die Britischen Blätter in dieser Zeit etablieren und einen festen Leserkreis aufbauen?

"Wenn eine Zeitschrift bereits sieben Jarhe erscheint und zudem noch täglich, dann kann man vielleicht schon sagen, dass sie in gewisser Weise eingeführt ist. Natürlich, die Britské listy gibt es nur im Internet, weil wir nicht ausreichend Kapital dafür haben, damit sie auch in Printform erscheinen können. Das Interesse der potentiellen Leser wäre dafür durchaus gegeben, denn wenn ich mir die Statistiken anschaue, wie oft unsere Seiten besucht werden, so kommen wir auf eine Zahl von etwa 30 000 Zugriffen monatlich, was schon einer guten Wochenzeitschrift entsprechen würde. Und auch wenn ich in Tschechien unterwegs bin, habe ich das Gefühl, dass die Leute unsere Zeitschrift kennen, egal, was sie von den einzelnen Beiträgen halten mögen. Das heisst, ich denke schon, dass die Britské listy in gewisser Weise bereits etabliert sind."

Einem breiteren Publikum wurde Culiks-Internetzeitschrift dank ihren Analysen während der s.g. Fernsehkrise des Jahres 2000 bekannt. Während sich damals die meisten tschechischen Mediem mit ihren protestierenden Kollegen vom Fernsehen solidarisch erklärten, was sich häufig auch in den Kommentaren niederschlug, stand Culiks Zeitschrift für eine differenzierte Haltung und gab auch der offiziellen Fernsehführung Raum deren Position darzulegen. Jan Culik würde, wie er gegenüber Radio Prag betont, heute genauso wie damals verfahren und hat folgende Begründung dafür:

"Es gibt bestimmte Themen, bestimmte Fragen, die im Ausland anders behandelt, vielleicht offener angegangen werden und ich meine, dass es nützlich ist diese Sichtweise den tschechischen Lesern zu unterbreiten. Unser Hauptanliegen ist es die Leser dazu zu bewegen, nachzudenken - egal, was sie von den einzelnen Artikeln, die auf unserer Homepage veröffentlicht werden halten. Und ich bin zuversichtlich, dass uns das gelingt."

Bei den in Tschechien produzierten Medien sieht er immer noch einen gewissen Nachholbedarf, was die kritische Reflexion des Zeitgeschehens anbelangt, wenn er im folgenden meint:

"Ich kritisiere schon seit langem die tschechischen Medien, die meiner Meinung nach weitaus stärker die Rolle einer Art loyalen Opposition spielen könnten, die Politiker mehr kontrollieren sollten, aber nicht auf Grund von kleinen, fast alltäglichen Skandalen, die eher zu einer Desorientierung führen, sondern eher auf Grund von langfristigen Trends. Die Medien könnten mehr Partner der Politiker sein. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass der tschechische Medienmarkt sehr klein und überschaubar ist, gleichzeitig aber ein grosser Konkurrenzkampf besteht. Ich sehe aber selber und verfolge das seit Jahren, dass auch Tschechien sich langsam verändert und langsam, wenn auch oft unter Schmerzen, die europäischen Gepflogenheiten, was die Diskussionskultur angeht, verinnerlicht. Dieser Prozess geht sehr schnell vonstatten, aber unabhängig von all den Paradoxen, die ihn manchmal begleiten, bin ich in dieser Sache optimistisch."

Viele tschechische Internet-Anbieter klagen schon seit langem über die immer noch nicht ausreichend vorhandene Verbreitung dieses neuen Kommunikationsmittels. Tschechien wurde in diesem Zusammenhang bereits mehrfach von der Europäischen Kommission kritisiert. Sieht auch Jan Culik darin eine Barriere für die Verbreitung seiner eigenen Internet-Zeitschrift?

"Natürlich gibt es dieses Problem, gerade vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Entwicklung in Westeuropa, wo sich immer stärker der Trend zum Breitband-Internet durchsetzt. Das gibt es in Tschechien immer noch zu wenig und kann also als eine gewisse Hürde bezeichnet werden. Aber dennoch. Wir haben auch Leser, die ausserhalb der grossen urbanen Zentren und eher auf dem Land wohnen. Interessant ist, dass wir vor ein paar Jahren im Zuge der s.g. Fernsehkrise eine Sammelaktion unter unseren Lesern organisiert hatten, bei der eine halbe Million Kronen zusammenkam, wobei die Mehrheit der Beträge kleine Spenden waren, die von Leuten auf dem Land oder aus kleinen Städten kamen. Natürlich würde ein Anwachsen der Internet-Gemeinde im Land auch uns in gewissem Ausmass neue Leser bringen."

Davon profitieren würden logischerweise in erster Linie die Internet-Zeitschriften selber, denen sich mit einem breiteren Pulikum auch neue Finanzierungsmöglickeiten eröffnen würden. Bisher ist es nämlich bei den tschechischen Internet-Zeitschriften in den meisten Fällen so, dass sie von den Herausgebern aus eigener Tasche finanziert werden. Nicht anders ist es auch im Falle der Britischen Blätter.

Aus diesem Grund kann nach Culiks Meinung bisher auch keine Rede davon sein, dass die Internet-Medien den klassischen, auf Papier gedruckten Zeitungen konkurrieren könnten. Wie ist es aber um die Konkurrenz unter den einzelnen tschechischen Internet-Zeitungen bestellt? Abschliessend kommt noch einmal der Herausgeber der Britské listy Jan Culik zu Wort:

"Ich empfinde das nicht als Konkurrenz - und hoffentlich klingt das jetzt nicht überheblich - weil sich die Britské listy ziemlich von den einheimischen Internet-Zeitschriften unterscheiden. Wir arbeiten gegenwärtig ohne Budget, es gibt aber natürlich tschechische Internet-Medien, die über relativ grosse finanziellen Ressourcen verfügen und diese auch für Enthüllungsjournalismus einsetzen können, aber auch uns ist in den vergangenen sieben Jahren etwas gelungen und zwar eine nachdenkliche und intelligente Leserschaft um Britské listy zu scharen. Das zeigt sich, wenn wir z.B. einen Artikel über Literatur veröffentlichen, so lesen den Beitrag innerhalb von 24 Stunden bis zu Tausend Leser - das ist weitaus mehr, als manche auf Papier gedruckte Literaturzeitschriften in Tschechien Abonnenten haben. Das klingt zwar im Vergleicht mit anderen Ländern bescheiden, aber ich bezeichne es dennoch als Erfolg."

Soweit unser heutiger Medienspiegel. Für Ihre Aufmerksamkeit bedanken und vom Mikrophon verabschieden sich von Ihnen Dagmar Keberlová und Robert Schuster.